Handwerker fürchten den Nachwuchsmangel
Autor: Sabine Weinbeer
Eltmann, Sonntag, 20. Januar 2013
Die Handwerker im Kreis Haßberge haben Sorgen: "Unser aller Versorgungssicherheit steht auf dem Spiel", warnte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken, Rolf Lauer, beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft Haßberge in Eltmann.
Diese Sorge mache den Jahreswechsel so ambivalent für die Handwerksmeister, denn vollen Auftragsbüchern stehe ein rapider Nachwuchsrückgang gegenüber, sagte er im Klenze-Saal der Stadthalle. Diese Sorge teilte auch die Festrednerin, die Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner (SPD). Sie sieht, wie sie erklärte, die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für das Handwerk zukunftsträchtig zu gestalten.
Belastend
"Ob ein Jahr neu wird, liegt an uns", stellte Kreishandwerksmeister Hans-Georg Häfner eingangs fest. Die Dynamik des letzten Jahres sei zwar etwas eingebremst, die meisten Handwerksbetriebe könnten dennoch optimistisch sein, sagte der Eltmanner Unternehmer und Zweite Bürgermeister der Stadt.
Doch die Staatsschuldenkrise bringe Unsicherheiten.
Viel belastender seien, so Häfner, der Rückgang der Schulabgänger insgesamt und der Wegzug junger Menschen. Dabei tue sich im Landkreis viel, ob in Sachen Bildung oder auch bei der Gestaltung der Energiewende. Doch von den immer weniger jungen Menschen möchten noch weniger körperlich arbeiten.
Häfner stellte sich ausdrücklich hinter die Abschaffung der Studiengebühren. Im nächsten Schritt müsse jedoch weiter daran gearbeitet werden, dass alle Schulgelder und Prüfungsgebühren entfallen, und auch die Meisterausbildung müsse finanziell entlastet werden. Denn eines sei klar, so Häfner: "Unser wertvollster Rohstoff ist nachwachsend, es ist unsere Jugend".
Die Bundestagsabgeordnete Susanne Kastner stellte die große Bedeutung des Handwerks heraus. Immerhin erhalte jeder dritte Jugendliche in Deutschland seine Ausbildung im Handwerk. Das geschehe in vielen kleinen Betrieben, obwohl die Ausbildung junger Menschen viel Zeit, Engagement und nicht zuletzt Geld koste.
Trotz stürmischer Zeiten freute sich Kastner, dass in Unterfranken 84 Prozent der Handwerksbetriebe mit einer guten Lage im neuen Jahr rechnen. Sie versicherte, dass die Politik sich bemühe, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Es dürfe nicht wieder passieren, dass "Arbeitnehmer und Unternehmen ausbaden müssen, was andere hinterlassen haben". Kastner versicherte den Firmenvertretern, um die Bedeutung des Handwerks zu wissen, "nicht nur für die Region, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland".
Als deutlich stabiler als andere Wirtschaftsbereiche habe sich das Handwerk auch in der Krise erwiesen, sagte Rolf Lauer von der Handwerkskammer. Dennoch treibt ihn die große Sorge um die Auszubildenden um. Um 5,6 Prozent sank die Zahl der neuen Ausbildungsverträge von 2011 zu 2012. Über 1100 offene Ausbildungsstellen gab es Ende Dezember in Unterfranken. "Das ist eine unselige Entwicklung", erklärte Lauer. Der sei zum einen der allgemeinen Demographie geschuldet, aber zu einem wichtigen Teil auch "dem Akademisierungswahn".
Dem Landkreis Haßberge sei für die nächsten Jahr ohnehin ein Bevölkerungsrückgang von etwa zwölf Prozent prognostiziert. Noch wesentlich stärker sinkt die Zahl der Mittelschüler, die den klassischen Handwerkernachwuchs stellen. 228 weniger Schulabgänger von der Mittelschule zählte Lauer in 2012 gegenüber dem Vorjahr. Zwar könne man zunehmend Realschüler für eine Ausbildung gewinnen, doch in bestimmten Sparten sei der Mangel bereits eklatant, vor allem im Lebensmittelhandwerk, sagte er.
2005 wurden laut Lauer im Landkreis Haßberge 20 Lehrverträge für angehende Metzger abgeschlossen, im letzten Jahr nur noch fünf. Bei den Bäckern sank die Zahl der Azubis von 14 auf zehn. Im gleichen Zeitraum schlossen acht Metzgereien und sieben Bäckereien. "Wenn wir dann noch berücksichtigen, dass ein Drittel aller rund 6000 Betriebsinhaber in Unterfranken älter ist als 50, dann ist die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung gefährdet", warnte Lauer.
614 Millionen Euro
"Wie wichtig etwas war, merken wir oft erst, wenn es das nicht mehr gibt", betonte stellvertretender Landrat Siegmund Kerker (CSU). Der Kreis wisse, was er an den 1310 Handwerksbetrieben habe, die 5400 Menschen beschäftigen und in 2011 einen Umsatz von 614 Millionen Euro erwirtschafteten. 606 junge Menschen sind dort in Ausbildung, 224 neue Ausbildungsverhältnisse wurden im vergangenen Herbst begonnen. Die Akzeptanz eines Handwerksberufes auch bei Absolventen weiterführender Schulen zu erhöhen, sei eine wichtiger Herausforderung, erklärte Kerker.