Druckartikel: Hätscherklooßn ziehen am Sonntag durch Königsberg

Hätscherklooßn ziehen am Sonntag durch Königsberg


Autor: Gerold Snater

Königsberg in Bayern, Mittwoch, 26. November 2014

Die Kinder der Stadt ermahnen die Königsberger am Sonntag, vorsichtig beim Umgang mir Feuer zu sein. Der alte Brauch soll auf den Feldherren Tilly zurückgehen - oder auf den Nikolaus.
Das sind die Hätscherklooßen. Sie ziehen am 30. November in Königsberg von Haus zu Haus.  Foto: Gerold Snater


Zwielichtige Gestalten werden am Sonntagabend, 30. November, durch die Straßen und Gassen Königsbergs ziehen. Gehüllt in Mäntel und Umhänge, ausstaffiert mit Halskrausen, bewaffnet mit hölzernen Schwertern und bemalt mit dem Bart eines Musketiers ziehen an diesem Tag die Kinder der Stadt von Haus zu Haus, um vor den Gefahren des Feuers zu warnen. Verkleidet als Feldherr Johann t'Serclaes von Tilly erinnern die Hätscherklooßn an die größte Katastrophe der Königsberger Stadtgeschichte.

Es geschah im Dreißigjährigen Krieg, im März 1632, dass der katholische Heerführer die Stadt Königsberg mit seiner rund 8000 Mann starken Armee besetzte. Er selbst quartierte sich in einem Haus am Salzmarkt ein.

Ausgerechnet in Tillys persönlichem Stall soll in der Nacht eine verheerende Feuersbrunst einen Zündfunken erhalten haben. So steht es in einer Chronik aus dem 18. Jahrhundert. Durchaus wahrscheinlich ist es, dass das Feuer mutwillig gelegt wurde. Als eigentlich Schuldige vermutete man schon damals Bürger der katholischen Städte Haßfurt und Zeil. Zumal jene Tilly überhaupt erst gegen die evangelischen Königsberger geschickt haben sollen, um deren blutigen Raubüberfällen auf die umliegenden Städte Einhalt zu gebieten.


Lichterloh in Flammen

Das Feuer griff in dieser Nacht jedenfalls so schnell um sich, dass in Kürze der größte Teil der Stadt lichterloh in Flammen stand. Noch in Schweinfurt ließ das Inferno den Horizont glutrot leuchten. Allein 130 Wohnhäuser sollen zerstört worden sein.

Für Königsberg, einst eine einflussreiche und mit etwa 2000 Einwohner für die damalige Zeit durchaus große Gemeinde - war das das abrupte Ende seiner Stellung als regional bedeutendes Wirtschafts- und Handelszentrum. Der größte Teil der Stadt lag in Schutt und Asche.

Um auf die Gefahren deFeuers aufmerksam zu machen, gehen nun schon seit Jahrzehnten immer am letzten Novembertag die Hätscherklooßn von Tür zur Tür und mahnen angesichts der angebrochenen dunklen Jahreszeit mit Gedichten des 1995 verstorbenen Heimatdichters Karl Eisentraut den vorsichtigen Umgang mit dem Feuer an - und erhoffen sich nicht zuletzt im Gegenzug dafür eine kleine Gabe.

Nicht nur die Förderung dieses Brauchs ist dem ehemaligen Rektor der Königsberger Volksschule, Karl Eisentraut, zu verdanken, sondern auch seine Entstehung. Hätscherklooß sei, so dessen Überzeugung, eine kindliche Verballhornung von Herr t'Serclaes, mit dessen Namen Eltern - in Erinnerung an das große Leid, dass der Feldherr über die Stadt brachte - ihre Kinder das Fürchten lehren wollten. Sofern die Kinder nicht spurten, soll die Drohung gefallen sein, der Herr t'Serclaes würde sie holen kommen.


Schweinfurter Nikolaus hatscht

Eigentlich ist mit Hätscherklooß oder Hätschaklas, wie der Begriff vornehmlich im Schweinfurter Dialekt ausgesprochen wird, der Nikolaus gemeint. "In der Silbe Klas steckt natürlich der Klaus - der Nikolaus - und mit Hätscha oder auch mit Hetschn wird ein besonders schleppender Gang bezeichnet, mit dem der Nikolaus offenbar in Schweinfurt und Umgebung daherkommt", erklärt der an der Uni München lehrende Mundartforscher Anthony Rowley.

Nichtsdestoweniger hat sich auf diese Weise in Königsberg ein liebevoll eigenartiger Brauch entwickelt, der einen einschneidenden Moment der Stadtgeschichte in Erinnerung ruft. Auch wenn mit dem Hätscherklooß ursprünglich nicht der katholische Feldherr gemeint war, in Königsberg ist beides zum Synonym geworden.

Und so kann man die Königsberger nur bitten, am Abend des 30. November ihre Türen nicht verschlossen zu halten, wenn die Hätscherklooßn umherziehen.