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Großes Nachtwächtertreffen in Ebern


Autor: Johanna Eckert

Ebern, Montag, 22. Juni 2015

Zum dritten Mal fand in Ebern eine Zusammenkunft von Mitgliedern der europäischen Türmer- und Nachtwächter statt. Die "Relikte aus alter Zeit" machten sich gut in der Stadt und erzählten ihre Geschichten und manch lustigen Spruch.
Mehrmals machten sich die Türmer und Nachtwächter auf den Weg durch die Altstadt und gaben dabei ein prächtiges Bild ab.  Foto: Johanna Eckert


Sie waren die Wächter der Zeit und warfen den feindlichen Reiter mit ihrer Hellebarde vom Pferd: Türmer und Nachtwächter waren vor vielen Jahren nachts in den Gassen und Straßen unterwegs, um für die Sicherheit der Bürger Sorge zu tragen und gleichzeitig die Uhrzeit zu verkünden. Den Spruch "Hört ihr Leut und lasst euch sagen, unsere Uhr hat ... geschlagen", kennt bis heute wohl jedes Kind. Doch heute müssen sich die Zunftmitglieder e sich nicht mehr um die Sperrstunden kümmern. Die Arbeit vieler von ihnen beschränkt sich darauf, Touristen zur nächtlicher Stund durch die Städtchen zu führen. Das taten sie auch bei ihrem Treffen zum Mittelaltermarkt in Ebern.

Dem Ruf des Eberner Türmers Armin Dominka zum Treffen sind zwölf Nachwächter und ein Türmer aus Süd- und Ostdeutschland gefolgt. Bereits zum dritten Mal nun haben einige der Mitglieder der europäischen Türmer- und Nachtwächterzunft so ihren Schutzdienst in Ebern leisten können. Das erste Treffen war im Jahr 1991 gewesen. Zum zweiten Mal traf man sich in Ebern im Jahr 2005 zum 750. Jubiläum der Stadt. Nun freute sich Armin Dominka über die Gäste erneut, denn auch die Stadt spendierte einen Obolus, um dieses Zunfttreffen zu ermöglichen. "Alle kamen nicht. Denn heute findet noch ein anderes Treffen statt, und die haben eine Woche eher eingeladen als wir", sagte Armin Dominka aber ohne jeglichen Groll.

Alle der nächtlichen Dienstherren, die zu Gast waren, leisten ihre Arbeit im Rahmen eines Ehrenamtes. Der einzige, noch hauptamtlich beschäftigte Türmer ist in einer Kirche in Annaberg-Buchholz beschäftigt und musste wohl just an diesem Wochenende die Glocken läuten. "Er wohnt mit seiner Familie im Turm der Kirche in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung. Die Türmerin ist für die Pflege des Turms zuständig, der Türmer für die technische Instandhaltung und gleichzeitig pflegt er den Friedhof", erzählten die Nachtwächter Dieter Frank und Rainer Eckel über ihren Kollegen in der Heimatstadt.

Seit 30 Jahren im Amt

Als Armin Dominka vor 30 Jahren in den Berufsstand des Türmers eintrat und im Zimmer des Grauturms wieder das Licht anknipste, träumten die beiden noch von dieser Beschäftigung. Erst seit 2001 machen Dieter Frank und Rainer Eckel den Nachwächterdienst in der Stadt namens Annaberg-Buchholz mitten im deutschen Weihnachtsland, die eine einzigartige Geschichte aufweist und durch die Launen eines sowjetischen Ratsherrn entstehen konnte. Im Jahr 2003 sind die beiden der europäischen Zunft beigetreten und haben für dieses Jahr ein großes Ziel: "In der Weihnachtszeit wollen wir den 10 000. Besucher durch unsere Stadt chauffieren."

Noch nicht in der Zunft, aber Armin Dominka nach sicherlich eine Bereicherung, wäre das Nachwächter-Trio Heinrich Raible, Joachim Lipp und Bruno Springmann aus Horb am Neckar. Sie sind wohl die einzigen, die noch mit einer Nachtwächterkontrolluhr, dem Vor-Vor-Vorgänger einer heutigen Stechuhr, durch die Gassen ziehen. Seit zehn Jahren sind die drei im Amt, haben pro Jahr bis zu sechs Führungen und sammeln dabei Spenden. "In den letzten Jahren konnten wir mehr als 15 000 Euro sammeln und für soziale Zwecke verwenden. Das kommt gut an." Mit dem Nachwuchs müssen die drei sich keine Sorge machen: "Auch viele junge Leute interessiert das. Da ist wichtig für die Zukunft."

Mit roten Strümpfen

Knallroten Strümpfen zeichnen die Nachtwächter Richard Kirchner und Manfred Görgel aus, die von Mai bis November durch ihre Heimatstadt Dinkelsbühl ziehen. "In Dinkelsbühl geht der Nachtwächter noch jeden Tag seine Runde um 9 Uhr", erzählten die beiden den Besuchern zur knappen Mitternachtsstunde in Ebern. Für die Sperrstunde sorgt er nicht mehr, aber trotzdem geht er von Gastwirtschaft zu Gastwirtschaft. Überall wartet ein Schoppen Wein auf ihn. "Den reich" ich dann an meine Gäste weiter. So ist die Nachtwächterrunde mittlerweile zu einer Weinproberunde durch die Dinkelsbühler Lokale geworden", scherzte der Kollege Kirchner.

Fortschrittlich traten die Nachtwächter aus Zwönitz beim Eberner Treffen auf: "Wir sind die ersten Nachtwächter der europäischen Zunft, die auch Dienstsocken tragen", verkündete Matthias Franke, der aber auch in der Geschichte ein Profis ist: "Die Hellebarde ist unsere Dienstwaffe. Damit wehrte man früher die Feinde ab. Von Generation zu Generation wurde überliefert, dass die Pflugschar dem Nachtwächter diente, den eigenen Acker zu bestellen."
Unter all den Männern mit Licht erblickten die Eberner Türmer Armin Dominka und Michael Hofmann auch einen einzigen ihresgleichen: den Türmer Matthias Barth aus Thum. Er schmetterte sein Trompetensolo vom Balkon des Grauturms und rief alle mittelalterlichen Marktbesucher zur nächtlichen Stunde zusammen. Die Nachtwächter und Türmer entführten die Eberner und ihr Gäste zu einem Spaziergang durch die Heimatstadt und ließen dem Mundwerk keine Ruh: Sprüche, Geschichten und wahre Begebenheiten boten sie an fast jeder Häuserecke dar.
Bevor sie dann ganz fröhlich "Gute Nacht!" sagten und sich dem Feiern gemäß folgender Weisheit widmeten: "Sind die Füße müd", gehen wir nicht heim, sondern in ein Wirtshaus heim", reimte der Nachtwächter Dieter Frank aus Annaberg-Buchholz.