Druckartikel: Gericht baut Angeklagtem eine Brücke

Gericht baut Angeklagtem eine Brücke


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Donnerstag, 26. Oktober 2017

Das Amtsgericht Haßfurt stellte ein Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht gegen 44-Jährigen ein. Er bekommt eine Chance und ein Kind sein Geld.


Für einige Zuhörer bei der öffentlichen Verhandlung vor dem Haßfurter Amtsgericht war es kaum nachvollziehbar: Obwohl ein Selbstständiger (44 Jahre) den Vorwurf der Staatsanwaltschaft (Verletzung der Unterhaltspflicht) in vollem Umfang einräumte, wurde er nicht verurteilt. Vielmehr wurde das Verfahren gegen ihn mit einer Auflage vorläufig eingestellt: Ab November muss er für mindestens zwölf Monate für seinen 16-jährigen Sohn 275 Euro monatlichen Unterhalt bezahlen. Kommt er dieser gerichtlichen Verpflichtung nicht nach, muss er erneut vor den Kadi.

Auf Nachfrage schilderte der Mann, wie er in seine missliche Lage geraten war. Bis vor etwa fünf Jahren hatte er in seiner beruflichen Position bombig verdient. Von seinem guten Gehalt geblendet, hat er dann eindeutig über seine Verhältnisse gelebt und ein luxuriöses Leben geführt, das er sich einfach nicht hätte leisten können. Zusätzlich habe er unter dem Tod seines Vaters und der Trennung von seinem älteren Sohn arg gelitten und sei zeitweise in Depressionen verfallen. In diesen Belastungssituationen habe er auch gespielt und sich "betäubt", wie er es formulierte.

"Seit 2014 verdiene ich nur noch sehr wenig", erzählte er weiter. Von da an hat er die Alimente nur noch für den jüngeren Sohn (zehn Jahre) bezahlt - der allerdings bei einer anderen Mutter lebt. Einst habe er ein Haus sein Eigen genannt, aber heute, führte er weiter aus, "besitze ich nur noch ein Bett, einen Schrank und ein 15 Jahre altes Auto." Als Selbstständiger braucht er eine private Krankenversicherung - die Beiträge dafür kann er nicht aufbringen.

Seit kurzem geht er regelmäßig zur Schuldnerberatung der Caritas in Haßfurt und hofft, dass es ihm mit professioneller Unterstützung gelingt, seine Finanzen in Ordnung zu bringen. Viele Menschen aus seinem Bekanntenkreis, so der Beschuldigte, hätten ihm geraten, bei seinem Schuldenberg Privatinsolvenz anzumelden. Davor aber schreckt er zurück, denn er weiß: "Es ist absolut nicht förderlich", wenn jemand, der andere Menschen in finanziellen Dingen berät, selber Insolvenz anmelden müsse.

Eindeutig für den Vater spricht die Tatsache, dass er für den Unterhalt seines zweiten Sohn aufkommt. Von daher handelt es sich bei ihm nicht um einen notorischen Unterhaltsverweigerer. Dass er für den älteren Sohn dagegen seit dem Herbst 2013 nicht mehr zahlt, hängt zum einen daran, dass das Verhältnis zu dessen Mutter offensichtlich zerrüttet ist. Und zum anderen daran, dass vor längerer Zeit beim Jugendamt eine Vereinbarung getroffen wurde, in der er sich verpflichtete, 152 Prozent des gesetzlich geforderten Unterhaltssatzes aufzubringen. Das wären monatlich 564 Euro. "Das kann ich einfach nicht leisten, das ist illusorisch, aber was ich machen kann, das mache ich auch", beteuerte der Angeklagter mit zerknirschter, aber aufrichtiger Stimme in dem Strafprozess.

In dieser Situation steckten die Juristen in einer Klemme. Hätten sie den Mann zu einer Geldstrafe verurteilt, würde das die Lage für das unterhaltsberechtigte Kind eher verschlechtern. Deshalb stellte Strafrichterin Ilona Conver das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorläufig ein. Allerdings mit einer fast schon salomonischen Auflage: Die nächsten zwölf Monate - dies ist die gesetzlich längst mögliche Dauer - muss der Vater seinem Erstgeborenen genau den Satz an Unterhalt bezahlen, den er auch dem Zweitgeborenen zukommen lässt: 275 Euro.

Die Vorsitzende betonte jedoch, dass davon die zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche nicht berührt werden. Das heißt, wenn die Mutter den jahrelangen Unterhaltsausfall und den gesetzlichen Unterhaltssatz - der höher ist als die 275 Euro - geltend machen will, muss sie den Kindsvater verklagen. Ob dabei etwas herauskäme, darf man bezweifeln.