Druckartikel: Gastwirte schrauben ihre Preise nach oben

Gastwirte schrauben ihre Preise nach oben


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Dienstag, 16. Dezember 2014

Auch die Gastronomie im Landkreis dreht wegen der höheren Löhne für Bedienungen, Putzpersonal und Küchenhilfen an der Preisschraube oder strafft Öffnungszeiten. Ab 1. Januar gibt es oft neue Speisekarten - vieles wird teurer.
Künftig bekommen Bedienung 8,50 Euro pro Stunde von ihrem Chef für die Serviceleistung.


Ab Neujahr werden die Bedienungen das Essen noch mit freundlicherer Miene an den Tischen servieren. Denn ab diesem Stichtag bekommen die meisten mehr Geld: 8,50 Euro die Stunde. Den Mindestlohn, wie ihn die Bundesregierung längst beschlossen hat und der nun umgesetzt werden muss. Das gilt für Putzfrauen, Bedienungen, Küchenhelferinnen ebenso wie Neuwagen-Zulasser oder für Zeitungsausträger, die sich aber mit einer stufenweise Anpassung begnügen müssen.

So eine Übergangslösung hätte sich der Hotel- und Gaststättenverband für die Gastronomie auch gewünscht, konnte "sich aber mit der Gewerkschaft nicht einigen", wie Jürgen Stahl, Hotel- und Gasthaus-Besitzer in Ebern sowie stellvertretender Vorsitzender der Gastronomen-Vereinigung im Landkreis weiß.
Stahl meint, dass "jeder von seinem Lohn leben können muss", schiebt aber nach, dass "es für Firmenchefs keinen Mindestlohn gibt". Zusammen

mit einem Restaurantbesitzer aus seiner Heimatgemeinde ist er wegen des Eingriffs des Gesetzgebers der Überzeugung: "Diese Zeche zahlt der Gast."

Soll heißen: Die höheren Lohnkosten schlagen auf die Speisekarte durch. Während viele der Kollegen mit ihren Steuerberatern schon darüber grübeln, welche Preise sie im neuen Jahr ansetzen - von Preisanhebung bis zu sieben Prozent ist die Rede - gibt es auch andere Reaktionen.

Häufiger geschlossen

"Wir straffen die Öffnungszeiten und sparen damit Personalkosten", lautet die Antwort von Jürgen Stahl. Künftig bleibt sein Haus von Mittwoch bis Freitag zur Mittagszeit geschlossen. Aus Gesprächen im Kreisverband weiß er aber auch, dass "kleinere Betriebe, die ihrem Servicepersonal bisher weniger zahlten, um ihre Existenz fürchten".

Das sehen andere Gastwirte, die bisher schon höhere Stundenlöhne - teils über eine Festanstellung zahlten - ganz anders: "Endlich herrschen gleiche Bedingungen, die sich auch in der Preiskalkulation niederschlagen werden", gab sich ein Restaurantbesitzer eher zuversichtlich und wittert schon Wettbewerbsvorteile.

Um die 7 Euro Stundenlohn

Zwischen 7 und 7,50 Euro verdiente eine Bedienung nach Recherchen unserer Redaktion bislang im Raum Ebern. Hinzu kamen meist noch Trinkgelder und eventuell ein Essen zu Dienstschluss. "Freiwillige und direkte Leistungen, die ein Arbeitgeber versteuern müsste, wenn er sie zum Gehalt dazu zählt", meinte dazu ein Steuerberater.

Einen Nachteil für Beschäftigte sieht Jürgen Stahl bei Minijobbern, die bisher zwischen 450 und 800 Euro verdienten. "Die kamen mit den Nebenkosten bisher schon auf elf Euro die Stunden."
Schlimmer als den monetären Mehraufwand findet der stellvertretende Vorsitzender des Hotel- und Gaststätten-Kreisverbandes aber den damit verbundenen Papierkram. "Wir müssen t über jede geleistete Arbeitsstunde Buch führen, egal ob fest angestellt, Miniobber oder geringfügig beschäftigt. Dieser bürokratische Mehraufwand macht einfach viel Arbeit."

Zoll kontrolliert verstärkt

Diese Unterlagen müssen für die Kontrolleure des Zollamtes bereitliegen, die über die Einhaltung der Mindestlohnregelung genauso wachen wie über mögliche Schwarzarbeiter, und gerade in den letzten Wochen im Raum Ebern auch sonntags oder den Nachtstunden in verschiedenen Gastronomie-Betrieben aufkreuzten. "Für kleine Betriebe auf dem Land bedeutet der von der Bundesregierung vorgegebene Mindestlohn einen enormen Mehraufwand Das ist ein großes Experiment, was die da in Berlin machen, gerade im ländlichen Bereich", kritisiert Jürgen Stahl.

Und dies vor dem Hintergrund einer seit 13. Dezember geltenden EU-Richtlinie, wonach jeder Gastwirt neben den Farbstoffen und Konservierungsmitteln auf den Speisekarten, worauf die Lebensmittelüberwacher aus dem Landratsamt ein sorgsames Auge werfen, nunmehr jedem Kunden Auskunft über mögliche Stoffe geben muss, die zu Allergien führen könnten.

14 Allergene hat Jürgen Stahl für seine aktuelle Speisekarte explizit herausgefieselt und in eine Liste eingetragen, die stets zur Hand ist, falls eine Nachfrage kommt. "Bei McDonalds machen sie das einmal für tausend Niederlassungen und wird müssen das für jedes unserer Gerichte einzeln heraussuchen."

Viel Bürokratie

Da sitzt der gelernte Küchenmeister wieder mehr am Schreibtisch, als dass er am Herd steht. Und er zweifelt am Selbstverständnis und kocht innerlich: "Wenn Du frisch kochst, musst Du mehr kennzeichnen, als wenn Du eine Tüte aufmachst", kommt der Vorsitzende der Landkreis-Initiative "Natürlich von hier" ins Grübeln.

Und noch einen Kritikpunkt im Paragrafen-Wust der deutschen Bürokratie hat Jürgen Stahl ausgemacht. Die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze beim Verkauf im Gastraum oder außer Haus. "Bäcker und Metzger zahlen bei einem Schnitzel nur sieben Prozent und auch Kollegen, die außer Haus verkaufen. Dabei handelt es sich um das identische Essen. Wir müssen im Restaurant 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnen. Das sind schon zwölf Prozent Unterschied und damit eine Wettbewerbsverzerrung."