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Mutmaßlicher Mörder von Janina: Frustriertes Leben auf dem Sofa


Autor: Peter Groscurth

Unterschleichach, Donnerstag, 15. Dezember 2016

Dem mutmaßlichen Todesschützen von Janina setzten Trennung und Krankheiten schwer zu, erklären Kollegen. Fragen zur Tatnacht wich der Angeklagte aus.
Vor dem eigenen Haus: Am Mittwochabend kam das Landgericht zu einem Ortstermin nach Unterschleichach. Die Polizei führte den Angeklagten vor. Unser Bild zeigt Roland E. (Zweiter von links) im Hof seines Anwesens. Rund um das Haus wurde die Örtlichkeit besichtigt.  Foto: Ronald Rinklef


Was für ein Mensch ist Roland E.? Der Mann, der in der Silvesternacht dieses Jahres die elfjährige Janina im Oberauracher Gemeindeteil Unterschleichach erschossen haben soll. Laut Anklage soll er aus "Wut und Ärger" über feiernde Personen vor seinem Haus einen Revolver Kaliber 22 geholt und mehrere Schüsse in Richtung einer Gruppe gefeuert haben, mit der die Schülerin gefeiert hat.

Der Leiter der JVA Ebrach sowie Arbeitskollegen dieser Haftanstalt, in der E. als Fahrer beschäftigt war, ahnten nichts von den Gefühlsausbrüchen, wie sie die Anklage schildert. Vor Gericht schildern sie ihn durchweg als "ruhigen, freundlichen und zuverlässigen" Mitarbeiter. Sein Chef erklärt im Zeugenstand: "Er hatte zwar gesundheitliche Probleme, doch er machte auf mich einen ausgeglichenen Eindruck." Als er am 12. Januar von den Verdachtsmomenten gegen E. erfuhr, "hat es mir fast den Stuhl weg gezogen", sagt er in der Verhandlung. Staatsanwalt und Kripobeamte konfrontierten erstmals den 54-Jährigen im Büro des JVA-Leiters mit den Vorwürfen. Die Reaktion des Beschuldigten: "Warum ich? Wie kommen Sie auf mich?"



Die Ermittler nahmen E. mit zur Dienststelle, wo es zur vorläufigen Festnahme kam. Zudem wurde ihm zum 1. Februar aufgrund des Mordverdachts fristlos gekündigt. Doch gegen dieses Vorgehen geht E. derzeit mit einer Kündigungsschutzklage vor. Das Verfahren allerdings ruht derzeit.



Gegenüber Arbeitskollegen gab sich der Angeklagte in der Zeit nach Silvester und vor der Verhaftung ahnungslos, als er auf den Tod der Schülerin vor seinem Haus angesprochen wurde. Dem dienstleitenden Beamten des Gefängnisses soll er auf die Frage, wie er das erlebt habe, am 4. Januar geantwortet haben: "Ich kann dazu nichts sagen, ich habe die ganze Zeit geschlafen. Ich bin fix und fertig."

Einem anderen Beschäftigten der JVA sagte er kurz nach dem Jahreswechsel: "Das alles war vor meiner Haustür, vor meinem Garten." Und gab an, dass Polizisten seine Waffen mitgenommen hätten. Mit diesem Kollegen hatte E. öfters Motorradausflüge unternommen und Zeit verbracht. Bis ihn die Trennung von seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn sowie die schweren Erkrankungen immer mehr zusetzten. Sein Kollege fügt an: "Er fühlte sich immer mehr allein. Sein Sohn fehlte ihm und das führt zum Frust."

Die Folge: Der Angeklagte habe sich zurückgezogen und "saß allein auf dem Sofa", dort, wo er auch vom Lärm in der Tatnacht aus dem Schlaf hoch geschreckt war und später zur Waffe gegriffen haben soll. Er soll wohl auch wenig von den Nachbarn gehalten haben, erinnert sich der JVA-Beamte. "Eine Familie bezeichnete er als Großkopferte und über eine andere schimpfte er, dass die nur saufen und herum schreien würden."

Nur in einem Telefonat ließ E. anscheinend durchblicken, dass ihm Ermittler auf die Schliche kommen könnten. Ein weiterer Mitarbeiter der JVA, dessen Tochter Janinas Klassenfreundin war, rief ihn am 1. oder 2. Januar an und wollte wissen, was er von dem Tod des Mädchens wisse. Da habe E. mit einer Gegenfrage geantwortet: "Wenn die jetzt behaupten, dass ich das war?" Sein Kollege aber beschwichtigte ihn und meinte, dass man heutzutage alles nachweisen könne und E. sich keine Gedanken zu machen brauche.

Sogar der eigenen Schwester habe er nichts von den Geschehnissen gesagt. "Es kam mir nicht in den Kopf, dass er es gewesen sein könnte. Aber ich verstehe nicht, dass er das verdrängt hat", erinnert sie sich zurück. Unter Tränen aber meint sie auch: "Es gibt keinen besseren Bruder als meinen Roland."


Hemmungen wegen Krankheit

Vor allem das Aus der Beziehung und der Wegzug seines Jungen hätten ihn schwer belastet. "Er suchte eine neue Liebe - auch über das Handy. Er traute sich jedoch nicht und hatte Hemmungen wegen seiner Krankheit. Die Einsamkeit zuhause frustrierte ihn." Dabei wollte die Schwester ihn daraus befreien. Wollte, dass er auch schon wie in den Vorjahren Silvester mit ihr zuhause feiern sollte. Das lehnte E. mit den Worten "Wenn ich meine Medikamente nehme, dann schlafe ich sowieso ein" ab. "Mein Bruder war nicht mehr positiv, es kam kein Licht mehr in sein Leben. Er fraß die Probleme in sich hinein."

Wie etwa auch die gescheiterte Beziehung zu seiner Lebensgefährtin. Zwei Tage vor Weihnachten im Jahr 2010 hat sie damals die Koffer gepackt und zog mit dem gemeinsamen Sohn aus dem Haus in Unterschleichach weg. "Die Trennung ging von mir aus. Unsere Beziehung war gescheitert", sagt sie mit fester Stimme dem Gericht. Zu Beginn ihrer Aussage sieht E. seine Ex oft an, dreht seinen Kopf zu ihr. Ganz im Gegensatz zur fast schon gleichgültigen Art, wie er sonst der Verhandlung folgt.


Drei Fehlgeburten der Partnerin

Drei Fehlgeburten hatte die Partnerin in der gemeinsamen Zeit erlitten. "Ich war der dominante Teil der Beziehung, sagte, wo es lang geht. Aber mir fehlte etwas, ich fühlte mich nicht mehr verstanden. Wir hatten uns auseinander gelebt."

In den 13 Jahren ihrer Partnerschaft sei E. nie gewalttätig geworden: "Er ging Problemen aus dem Weg, traute sich nicht an sie heran. Bei einem Streit konnte er aber schnell hoch gehen und wütend werden, zu Handgreiflichkeiten aber kam es nicht." Der Prozess wird am 21. Dezember fortgesetzt.