Freizügigkeit bei Asyl: Freiheit ja, aber in engen Grenzen
Autor: Johanna Eckert
Ebern, Montag, 19. Januar 2015
Die Freizügigkeit ist ein Menschenrecht. Die Residenzpflicht allerdings schränkt dieses Recht bei Asylsuchenden ein. Nun aber werden die Gesetze gelockert.
Die Residenzpflicht schränkt die Freizügigkeit für Asylsuchende hierzulande erheblich ein. Ein Umstand, der von Asylunterstützerkreisen im Landkreis Haßberge immer wieder als "erschwerend" und "diskriminierend" angeprangert wurde. Hildegard Wolf von der Migrationsberatung der Caritas im Landkreis Haßberge hoffte schon lange Zeit auf eine Besserstellung der Asylbewerber: "Ich würde die Residenzpflicht abschaffen."
Die neuen Gesetzen, die im Dezember letzten Jahres beschlossen wurden, bringen zumindest eine Lockerung. "Die räumliche Beschränkung (...) erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält", heißt es nun. Sich ohne Erlaubnis im ganzen Bundesgebiet zu bewegen, ist damit nach kürzerer Zeit möglich.
Strafe droht
Verstöße gegen die Residenzpflicht sind für Asylbewerber mit der Androhung von Strafen verbunden. Mit der wiederholten Missachtung der Residenzpflicht begehen sie eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden kann.
Die Verletzung der Residenzpflicht ist im Landkreis Haßberge kein Tagesgeschäft, teilt Uwe Baiersdorfer von der Polizeiinspektion Ebern mit. Die Einzelfälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik unterstreichen seine Aussage. "In größeren Städten kommt das schon häufiger vor", ergänzt Baiersdorfer. Die Entwicklung einer praxistauglichen Anwendung der Residenzpflicht im Landkreis Haßberge in den letzten Jahren spielt dabei sicherlich eine große Rolle.
Asylbewerber mit Wohnsitz im Landkreis Haßberge durften sich bis vor wenigen Monaten nur dort aufhalten. Wer mal weg wollte, musste bei der Ausländerbehörde in Haßfurt um Erlaubnis fragen.
Die Tücke der Bahnlinie
Aber: Der Zug von Ebern nach Haßfurt kann nur über Bamberg fahren. So waren die Menschen gezwungen, den Landkreis Haßberge entgegen den Bestimmungen zu verlassen. Keine ungefährliche Sache: Laut Karl-Heinz Schmitt vom Polizeipräsidium Unterfranken kann diese Ordnungswidrigkeit "mit einer Geldbuße bis zu 2500 Euro geahndet werden."
Mittlerweile ist ein vorübergehender Aufenthalt im gesamten Bezirk Unterfranken sowie in den Landkreisen und kreisfreien Städten Bamberg und Coburg auch ohne Erlaubnis gestattet. Für alles andere muss bei der Ausländerbehörde vorgesprochen werden. Wobei der Grund zum Verlassen "triftig" sein muss. Für Termine bei Rechtsanwälten und zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen wird eine schriftliche Bestätigung verlangt, informiert das Amt für Soziales und Senioren die Asylbewerber.
Andere sind weiter
Mit der Lockerung gehen Bayern und der Landkreis Haßberge zwar einen Schritt mehr in Richtung Freiheit, stehen aber trotzdem ganz am Ende. In allen anderen Bundesländern, außer Bayern und Sachsen, ist es Asylbewerbern längst erlaubt, sich ohne Beschränkungen im ganzen Bundesgebiet zu bewegen.
Die Menschen freuen sich trotzdem. Viele haben auf der Flucht nach Deutschland hie und da Familienmitglieder verloren, und können diese jetzt "einfach so" besuchen.
"Unsere Mitarbeiter müssen sich erst einmal in die neuen Rechtsprechungen einlesen", erklärt Monika Göhr, Pressesprecherin des Landratsamtes Haßberge. Eine Stellungnahme der Mitarbeiter der Ausländerbehörde war nicht zu bekommen. Dort tummeln sich vor allem Menschen aus Syrien. Deren Asylanträge werden derzeit beschleunigt bearbeitet. Von der Ausländerbehörde bekommen sie nach Anerkennung einen Pass und den Aufenthaltstitel für drei Jahre ausgestellt. Dann dürfen sie sich ohne Erlaubnis ihr eigenes Plätzchen in Deutschland suchen.
Fakten zur Residenzpflicht
982 wurde das Asylverfahrensgesetz rechtskräftig und mit ihm die Residenzpflicht. Sie und andere Maßnahmen wie Lagerpflicht, Arbeitsverbot, Gutscheine statt Bargeld, reduzierte Sozialhilfe und Gesundheitsvorsorge dienen dem Zweck, Flüchtlinge zur Ausreise zu bewegen und von einer Flucht nach Deutschland abzuschrecken. Die Lebensbedingungen von Flüchtlingen sollen so unattraktiv, wie vom Bundesverfassungsgericht erlaubt, gemacht werden.
Die Residenzpflicht wird meist mit ordnungspolitischen Argumenten gerechtfertigt, allen voran mit der Beschleunigung der Asylverfahren. Asylsuchende sollen für Behörden und Gerichte jederzeit erreichbar sein, um das Verfahren nicht zu verzögern. Weitere ordnungspolitische Rechtfertigungen sind der Lastenausgleich, die Verhinderung von Sozialhilfemissbrauch und die Verhinderung einer Konzentration von Flüchtlingen in Ballungsräumen.
Das neue Gesetz
Mit dem jetzigen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden Menschen und geduldeten Ausländern wurde nicht nur die Residenzpflicht gelockert sondern auch der "Sachleistungsvorrang" teilweise aufgehoben. Nach der Erstaufnahmezeit soll es künftig vorrangig Geld- statt Sachleistungen geben, um die Selbstbestimmung der Asylbewerber zu stärken.
Damit reduziert sich der Verwaltungsaufwand der Kommunen erheblich.