Festnahme in Wonfurt: Nötige Härte oder unverhältnismäßige Polizeigewalt?
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Donnerstag, 28. Sept. 2017
Eine Hausdurchsuchung in Wonfurt geriet etwas außer Kontrolle. Die Polizei und der festgenommene Verdächtige geben sich vor Gericht gegenseitig die Schuld.
Im Kern des Strafprozesses geht es eigentlich um Drogen und den vermuteten bewaffneten Handel damit, In der Sitzung am 28. September im Landgericht in Bamberg drehte sich jedoch alles nur um eine Sache: Um den Polizeieinsatz in Wonfurt am 23. Februar 2016, bei dem ein verdächtigter junger Mann die Vollstreckungsbeamten mit einer Axt überraschte, was diese dazu veranlasste, ihre Dienstwaffen zu zücken.
Manfred Schmidt, Vorsitzender Richter am Landgericht, befragte ausführlich vorwiegend einen Polizeibeamten, der mit dem Angeklagten während der Durchsuchungsaktion gehörig aneinandergeraten war.
Geschriehen und beleidigt
Schnittverletzungen, Beleidigungen und Todesdrohungen resultierten aus dem Polizeieinsatz. Der als Zeuge geladene Beamte erklärte, der 26-jährige Verdächtige habe nahezu den gesamten Einsatzverlauf über geschrien und Polizisten beleidigt. Dem Festnahmeversuch der Beamten habe er sich zudem vehement widersetzt. Auch habe der Angeklagte anfangs eine Axt in der Hand gehabt und im weiteren Verlauf des Einsatzes habe ihm der Verdächtige sogar mit dem Tod gedroht ("Ich bring dich um!") und auch die Familie des als Zeugen geladenen Polizisten einbezogen ("Das sag ich nicht zu dir als Polizist, sondern als Person. Du hast auch Familie und Freunde.").Die Hausdurchsuchung in Wonfurt betraf des Elternhaus des Angeklagten, in dem der 26-Jährige Räume im Obergeschoss bewohnt. Die beiden Eltern des jungen Mannes waren zunächst die einzigen Personen, die die insgesamt fünf Beamten zu Beginn des Einsatzes antrafen, im Laufe der Durchsuchung tauchte dann der Angeklagte auf und überraschte die Polizisten mit seiner plötzlichen Anwesenheit. Dabei erweckte er offenbar den Eindruck, gewaltbereit zu sein.
Zwar hatte der 26-jährige Wonfurter tags zuvor am ersten Verhandlungstag eingeräumt, dass er zunächst eine Axt in der Hand gehalten habe, diese habe er aber auf Geheiß der Polizeibeamten abgelegt. Die zwei Polizisten hatten dazu ihre Dienstwaffe gezogen. Mit erhobenen Händen habe er sich den Polizisten genähert, weil diese ihn dazu aufgefordert hätten. Diese hätten ihn aber bei der Festnahme arg traktiert und ins Gesicht geschlagen, obwohl er "in keiner Angriffsposition" gewesen sei. Letztlich habe das aggressive Vorgehen der Polizei dazu geführt, dass auch er aggressiv wurde; er begann, sich gegen die Festnahme zu wehren. Auch die Beleidigungen räumte er ein.
Der hauptsächlich davon betroffene 27-jährige Polizeibeamte erklärte gestern dem Richter, dass die Situation für ihn sehr bedrohlich gewesen sei. Deshalb wollten er und ein Kollege den 26-Jährigen möglichst schnell fixieren und in Handschellen legen. "Für mich war er einfach eine unberechenbare Person, die vor keiner Art von Gewalt zurückschreckt." Vom Zeitpunkt an, ab dem der Wonfurter das Beil abgelegt hatte, bis zu seiner Fesselung seien schätzungsweise fünf Minuten vergangen.
Kein Angriff, aber Widerstand
Zwar habe der Angeklagte keinen Angriff auf die Beamten gestartet ("Der Kontakt entstand durch die Fesselung, dabei kam es zum Gerangel"), aber "er hat um sich getreten". Die Tritte waren nach den Aussagen des Polizisten nicht gegen die Beamten gerichtet, vielmehr habe der Wonfurter versucht, irgendwo Halt zu finden, um sich der Festnahme zu widersetzen. "Er wollte einfach nicht gefesselt werden, dagegen hat er sich gestemmt", sagte der Zeuge. Während des Gerangels, das auf engstem Raum auf dem Mittelpodest einer um die Ecke führenden Treppe geschah, sind Vasen und Blumentöpfe zerbrochen, an den Scherben zog sich der 27-jährige Polizist kleine Schnittverletzungen zu. Weiterhin hat er Prellungen an Schienbein und Knie erlitten. Dass die Fesselung ausgerechnet auf dem kleinen Treppenpodest stattfand, wo für die zwei Beamten und den Angeklagten kaum Platz war, bezeichnete der Polizist im Nachhinein als ungünstige Ausgangslage: "Das war vielleicht in dem Moment taktisch nicht das cleverste", sagte er. Es sei aber dem Umstand geschuldet gewesen, dass unten im Hausflur die Axt lag, man wollte dem Angeklagten keine Möglichkeit einräumen, diese noch einmal aufgreifen zu können.
Auch nach der Fesselung habe der Angeklagte keine Ruhe gegeben. Nachdem der Vater seinen gefesselten Sohn gesehen hatte, kam der Hausherr laut Polizei die Treppe heruntergerannt. Der Vater wurde zu Boden gebracht, was wiederum den Sohn dazu veranlasste, herumzuschreien und weitere Beleidigungen auszusprechen.
In Zusammenhang mit dem Durchsuchungseinsatz wirft der Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann dem Angeklagten Beleidigung und Bedrohung zweier Personen vor und zudem Widerstand gegen insgesamt drei Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung. Bachmann nahm das Einsatzverhalten der Polizeieinheit in Schutz, bezeichnete das Vorgehen als gerechtfertigt: Die Beamten hätten, sagte er, einen rechtlich einwandfreien Durchsuchungsbeschluss durchzusetzen gehabt und seien von dem Angeklagten während des Einsatzes überrascht worden.