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Fatschenbrunn ist urfränkisch


Autor: Sabine Weinbeer

Oberaurach, Montag, 12. Oktober 2015

Die früher sehr verbreitete Landnutzung als Baumfeld ist rund um den Oberauracher Gemeindeteil noch gut erhalten. Wissenschaftler haben die historische Feldwirtschaft erkundet. Obstbäume ergänzen die Ackerfrüchte.
Aus der Luft kann man die Baumfelder rund um Fatschenbrunn sehr gut erkennen. Diese historische Form der Landnutzung in Franken hat sich nirgends so erhalten wie in dem Oberauracher Gemeindeteil.


Streuobstwiesen sind allgegenwärtig und prägen die Landschaft in Franken. Fast verschwunden dagegen sind Baumfelder - fast überall, außer in und rund um Fatschenbrunn. Diese Besonderheit zeigte Thomas Gunzelmann bei einem Vortrag im Sportheim in Fatschenbrunn auf. Viele interessierten sich für den Gegenstand der Forschungen, die die Universität Bamberg seit über einem Jahr in Fatschenbrunn anstellt. Dabei geht es um die historische Landnutzung.

Als "Hutzeldorf" ist Fatschenbrunn nicht nur im Landkreis Haßberge bekannt. Und weil hier die Tradition der Hutzel, also der gedörrten Birnen, bis heute gepflegt wird, blieb auch anderes erhalten: eine unglaubliche Vielfalt von alten Birnensorten und die Kultur des Baumfelds. Ein Baumfeld, das ist quasi Ackerbau auf zwei Etagen: unten ein Getreide- oder Rübenfeld, darüber hochstämmige Obstbäume.

Damit nutzten Klein-Bauern vor Jahrhunderten in Franken den knappen Boden doppelt - und streuten das Risiko bei Missernten einer bestimmten Feldfrucht.

Viele Botaniker und sogar Johann Wolfgang Goethe erwähnen diese landwirtschaftliche Form. Die älteste Nennung stammt von 1137 und bezieht sich auf den Obstbau der Probstei St. Getreu in Bamberg. Spätestens im 16. Jahrhundert war das Baumfeld fester Bestandteil jedes fränkischen Hofes, sagte Gunzelmann: "Um 1800 war das ein landwirtschaftliches Erfolgsmodell." Vor allem im Aurachgrund hatten die Bewohner der ritterschaftlichen Dörfer nur wenig eigenes Ackerland und waren auf eine optimale Ausnutzung angewiesen. Um 1800 konnte sich eine Familie von 3,5 Hektar Fläche ernähren. In Fatschenbrunn waren 25 Prozent der Höfe ausreichend groß, in Lisberg im Schatten der Burg nur 1,9 Prozent.


Nahrung für die Seefahrer

Acht Obstdarren waren 1792 in Fatschenbrunn belegt, auf dem Main wurde das als wertvoller Vitaminlieferant beliebte Dörrobst in die Niederlande verschifft, wo es als Schiffsproviant verkauft wurde. 1968 wurden in dem Steigerwaldort 35 Obstdarren betrieben. Heute halten zwei Familien die Tradition hoch, die Dorfgemeinschaft plant jetzt, eine Gemeinschaftsdarre am Sportgelände zu bauen, um das Wissen, wie das Dörren funktioniert, wieder bekannter zu machen. Wie es geht, wissen Franz Hümmer und seine Mitstreiter noch genau, denn der Historiker bescheinigte ihnen: "Ihre Hutzel sind von einer herausragenden Qualität."

Den Mähdrescher bezeichnete Gunzelmann als "Todesstoß für das Baumfeld", das von Landwirten und Botanikern immer zwiespältig gesehen wurde. Die einen loben den gegenseitigen Nutzen von Feldfrucht und Obstbaum, die anderen bestreiten diesen. Umständlicher ist ein Baumfeld natürlich zu bearbeiten, doch das haben viele Fatschenbrunner Landwirte auf sich genommen. Und so blieben hier Baumfelder in einem Umfang erhalten, wie sie sonst nirgends mehr zu finden sind. Gunzelmann wünschte sich, ergänzend auch ein neues Baumfeld anzulegen, unterstützen sollte das nach seiner Meinung das Landratsamt über den Vertragsnaturschutz.
Die Fatschenbrunner und einige Gäste hörten mit großem Interesse, welche wissenschaftliche Bedeutung ihre Umgebung hat.

Die Ergebnisse des botanischen Teils der Forschungsarbeiten sollen durch einen kulturhistorischen Lehrpfad vermittelt werden, den das Amt für ländliche Entwicklung und die Gemeinde Oberaurach planen.
Roland Schneider vom Amt informierte darüber, dass die Vermehrung alter Sorten begonnen habe. Die Fachleute einer Baumschule haben von den seltensten Fatschenbrunner Sorten Reiser geschnitten und im August die Vermehrung durch Okulation praktiziert. Die Bäume werden also nicht aufgepfropft, sondern es wachsen neue Jungbäume der alten Sorten heran. Diese können dann in drei Jahren in der Fatschenbrunner Flur gepflanzt werden. Die Forschungen zum Thema Baumfelder und historische Landnutzung werden vom Amt für ländliche Entwicklung mit 90 Prozent gefördert.