Fällaktion in Recheldorf erregt die Gemüter
Autor: Helmut Will
Recheldorf, Donnerstag, 26. März 2015
Weil sie nicht mehr zu retten gewesen sei, ließ das Landratsamt eine große Pappel vor Recheldorf fällen. Bürger und ein Experte halten dies für unangemessen.
Aufregung im Itzgrund. In Recheldorf, einem Ortsteil der Gemeinde Untermerzbach, ist man verärgert und enttäuscht. Das Wahrzeichen des Ortes, eine stattliche Pyramidenpappel, die unmittelbar neben der Kreisstraße HAS 52 am Ortseingang des Dorfes aus Richtung Untermerzbach kommend stand, ist Vergangenheit. Mitarbeiter der Tiefbauverwaltung des Landkreises Hassberge haben sie gefällt.
Musste das sein, ging eine abstrakte oder eventuell sogar konkrete Gefahr von dem Baum für die Verkehrssicherheit aus? Das ist die Frage, an der sich die Geister scheiden. Zu Fall haben den Baum Arbeiter der Kreistiefbauverwaltung gebracht. Ins Rollen kam die Diskussion durch Sibylla und Gerhard Vornberger aus Untermerzbach. Diese hatte sich an verschiedene Stellen gewandt und ihr Entsetzen über die Fällung der Pappel kundgetan. "Diese Pappel verbanden wir mit Recheldorf, wir konnten uns vorstellen, dass sie in der Gemeinde das zweite Naturdenkmal nach der Hunneneiche hätte werden können", sagt Gerhard Vornberger. Sicher ist er sich, dass - so wirklich eine Gefahr von dem Baum ausgegangen ist - diese durch entsprechende Schutzmaßnahmen hätten beseitigt werden können. "Aber", sagt Vornberger, "das kostet Geld und ich vermute, man wollte Tatsachen schaffen, um hier nicht investieren zu müssen. "Wir möchten erreichen, dass man künftig mit so etwas sensibler umgeht."
Äste waren abgestorben
Nachfrage beim Landratsamt Hassberge. Mit dem Ergebnis, dass Mitarbeiter der Tiefbauverwaltung den Baum am 12. März gefällt haben, weil bei einer turnusgemäßen Streckenkontrolle festgestellt worden war, dass ein "armdicker" dürrer Ast unter dem Baum am Straßenrand lag. Zahlreiche Äste seien abgestorben gewesen. Tags zuvor seien die Arbeiter mit einer Hubarbeitsbühne vor Ort gewesen, um an der Pappel das Totholz auszuschneiden, sowie abgebrochene Äste zu entfernen. Diese Maßnahme wäre notwendig gewesen, um eine Gefahr für die Verkehrssicherheit abzuwenden.
Nach Entfernung des Totholzes seien die Mitarbeiter zur Einschätzung gekommen, dass der Baum durch Pflegearbeiten nicht mehr zu retten sei und deshalb gefällt werden müsse. Aber bevor die Säge angesetzt wurde, sei der Straßenmeister zu Rate gezogen worden, der die Einschätzung der Arbeiter teilte. Dieser habe dann Kontakt mit der Gemeindeverwaltung Untermerzbach aufgenommen und über die anstehende Fällung informiert.
Gefahr bei Sturm
Die Frage einer fachlichen Beurteilung habe sich nicht gestellt, da der Baum auf Grund der Entnahme der abgestorbenen Äste wegen der Anfälligkeit zu einer verstärkten Neigung zu Windbruch nicht mehr hingenommen werden konnte. Wenn die Baumkrone nicht mehr geschlossen sei, bestehe verstärkt die Gefahr, dass bei Sturm auch gesunde Äste abreißen. "Ein Baumsachverständiger wurde nicht zu Rate gezogen, weil keine Schädigung vorgelegen hat, die schwer zu beurteilen gewesen wäre", schreibt das Landratsamt.
Die Mitarbeiter der Tiefbauverwaltung hätten, so das Landratgsamt in seiner Stellung weiter, mit der Fällung der Pappel einen Verstoß nach dem Bundesnaturschutzgesetz begangen, weil der Baum während der Vogelbrutzeit gefällt wurde. Die Fällung hätte in der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar erfolgen müssen. Dieser Verstoß werde "amtsintern" geklärt. Das Amt legt Wert auf die Feststellung, dass die Pappel nicht als Naturdenkmal geschützt war und nicht innerhalb des Landschaftsschutzgebietes "Schutzzone des Naturparkes Hassberge", stand. Weitere Rechtsverstöße lägen deshalb nicht vor. Ersatzpflanzungen würden im Einvernehmen mit der Gemeindeverwaltung und der Unteren Naturschutzbehörde geprüft.
Experte: kein Grund für Fällaktion
Doch offenbar scheiden sich die Geister daran, ob die Fällung tatsächlich nötig war. Helmut Hauck aus Effeltrich, als Baumgutachter ein ausgewiesener Experte und eingeschaltet etwa im Fall einer ortsprägenden Linde in Unterpreppach - diese wurde aufgrund seines Rates dann auch gefällt -, ist der Meinung, dass wegen ihrer ökologischen und ästhetischen Wirkung grundsätzlich versucht werden sollte, alte Bäume zu erhalten. "Wichtig sind insbesondere Strukturen wie Höhlungen, Totholzbereiche, Risse oder Spalten für bestimmte Organismen", sagt Hauck. Ein neu gepflanzter Baum könne hierfür kein Ersatz sein, da diese Strukturen erst nach drei oder vier Generationen wieder entstünden.
"Pyramidenpappeln, wie sie in Franken anzutreffen sind, werden leider immer seltener, da sie oft aus übertriebenem Sicherheitsdenken entfernt werden", erläutert der Baumsachverständige. Selbst wenn ein Stamm zentral ausgemorscht sei, könne dieser durch einen Rückschnitt erhalten und die Verkehrssicherheit hergestellt werden, ist Hauck überzeugt. "Abgestorbene Äste sind so und so kein Grund zum Fällen", fährt er fort. Kosten für Erhaltungsmaßnahmen könnten jedenfalls nicht als Gegenargument angeführt werden. Die Begutachtung der Pappel wäre in diesem Fall wohl eine gute Lösung gewesen.
Kommentar
von Helmut Will
Übereifrig und unangemessen
Große Aufregung, ja Verärgerung, vor allem bei den Bürgern in Recheldorf. Und das zu Recht. Einfach mal so wurde am 12. März in einer "Hau-Ruck-Aktion" eine vermutlich über 80 Jahre alte Pappel am Ortseingang gefällt. Weithin sichtbar, ragte die stattliche Pyramidenpappel, auch als "Wahrzeichen" des Ortes bezeichnet, empor.
Einfach mal so? Derjenige, der, wie ich meine, die Fällung recht eigenmächtig veranlasst hat, sagt, das geschah aus Gründen der Verkehrssicherheit. Gut und richtig, dass diese überprüft wird, das ist wichtig, gerade weil die Pappel unmittelbar neben der Kreisstraße stand. Aber sie stand dort viele Jahre und es wäre ganz sicher nicht auf einige Tage angekommen. Man hätte einen Baumgutachter mit einer kurzfristigen Überprüfung beauftragen können. Nach Meinung von Fachleuten wäre wohl am Ende der Erhalt des imposanten Baums gestanden. Selbst ein Laie wird mit Blick auf den Baumstumpf erkennen, dass der Stamm noch gesund war und keine bedenkenswerten Schäden aufwies, die auch nur im Ansatz eine Fällung hätten rechtfertigen können.
Gescholten wurde Bürgermeister Helmut Dietz, zu Unrecht. In der Verwaltung wurde das Vorhaben am Vortag der Fällaktion mitgeteilt und Dietz hatte hiervon keine Kenntnis, da er nicht im Haus war. Als er am nächsten Tag davon erfuhr, hatte die Säge ihr Werk getan. Der Bürgermeister hatte daher keine Möglichkeit, die Aktion zu verhindern. Dass die Pappel noch in einer Zeit gefällt wurde, in der das nach dem Bundesnaturschutzgesetz wegen der Vogelbrutzeiten verboten ist, scheint hier zweitrangig. Viel wichtiger ist es, künftig sensibler vorzugehen und nicht übereifrig und unangemessen zu handeln, vor allem bei so einem ortsprägenden Baum.