Extrageld, damit es billiger wird?
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Samstag, 17. November 2012
Ein Arbeitgeber fühlte sich von einem seiner Mitarbeiter betrogen und brachte ihn vor das Amtsgericht in Haßfurt. Der Vorwurf, dass der Angeklagte Kunden begünstigte und in die eigene Tasche wirtschaftete, ließ sich nicht halten.
           
Wenn Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausufern, landen sie oft vor dem Arbeitsgericht. Mitunter jedoch -  wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt -  muss sich sogar das Amtsgericht damit befassen.  In der jüngsten Verhandlung am Amtsgericht Haßfurt hatte eine Firma ihren ehemaligen Mitarbeiter wegen Betrugs angezeigt.
 
Der Vorwurf: Am Arbeitgeber vorbei soll der Angeklagte von  Kunden Extrageld kassiert haben. Beweisen ließ sich das nicht. Deshalb stellte Richter Roland Wiltschka das Verfahren mit der Auflage ein, dass der Beschuldigte 500 Euro an die Staatskasse entrichtet. 
Auf der Anklagebank saß ein 50-jähriger Mann, der bis Mai letzten Jahres als Fahrer in einem Entsorgungsunternehmen arbeitete. Seine Aufgabe: Bei gewerblichen Kunden wie Restaurants, Hotels oder Metzgereien musste er mit dem Firmen-Laster Küchen-, Speise- oder Schlachtabfälle abholen. 
Fahrer schätzen das Gewicht
Wie der Angeklagte und Ex-Beschäftigte aussagte, erhielten die Fahrer einen wöchentlichen Einsatzplan. Dieser von einem Disponenten erstellte Plan legte fest, wann welcher Kunde angefahren werden sollte.
Der als Zeuge vernommene Fuhrparkleiter erläuterte das System. Demnach berechnete man die Entsorgungskosten bei einem Teil der Auftraggeber nach der Anzahl der abgeholten Behälter, bei anderen Kunden wie verschiedenen Metzgereien aber nach Gewicht. Der Knackpunkt dabei: Wie schwer die jeweiligen Bioabfälle waren, musste von dem jeweiligen Fahrer geschätzt werden.
Und dabei, so die Anklage, soll gemauschelt worden sein. In Absprache etwa mit verschiedenen Fleischereibetrieben habe der Angeklagte ein geringeres Abfallgewicht aufgeschrieben, als er tatsächlich mitgenommen habe. Auf diese Weise hätten sich die Kunden einen Teil des teuren Entsorgungsgeldes gespart und sich dafür bei dem Angeklagten erkenntlich gezeigt. Nämlich mit Cash auf die Hand und Brotzeiten, vermutete der Leitende Mitarbeiter der Firma. Wie er ausführte, habe der Beschuldigte gegenüber anderen Mitarbeitern sogar mit seinem "Nebenverdienst" geprahlt und sie zu ähnlichen Taten angestiftet.
Kundentausch
Um das zu überprüfen, wurden mehrere Fahrer vernommen, die zur gleichen Zeit wie der 50-Jährige eingesetzt waren. Dabei stellte sich heraus, dass die "Männer an der Front" das Papier des Einsatzleiters nicht allzu ernst genommen hatten. Wenn sie es für einfacher hielten, tauschten sie ohne Rücksprache mit dem Vorgesetzten immer wieder untereinander ihre Kunden. Ob dabei das geschätzte Gewicht dem Arbeitgeber korrekt gemeldet wurde, ließ sich nicht nachvollziehen.
Die Verteidigerin, Rechtsanwältin Kerstin Rieger, regte deshalb eine Einstellung des Verfahrens an. Diesen Vorschlag verweigerten weder der Vorsitzende Richter noch Staatsanwalt Alexander Baum. Letzterer bestand aber auf einer Geldauflage. Der seine Unschuld beteuernde Angeklagte sah das zuerst gar nicht ein. Erst als der Richter und seine Verteidigerin ihm klarmachten, dass er bei der geringsten Verurteilung zusätzlich die immensen Verfahrenskosten zu tragen hätte, lenkte er ein.