Es wird wohl keine Bereitschaftspraxis in Ebern geben
Autor: Sarah Seewald
Ebern, Freitag, 04. Dezember 2015
Weil eine zentrale Bereitschaftspraxis in Haßfurt immer noch in und um Ebern Zweifel schürt, kamen am Mittwoch Politiker, Ärzte und KVB-Verantwortliche im Rathaus zusammen. Gekippt wird die Pilotregion wohl trotzdem nicht mehr.
Mittwoch, 18.25 Uhr, Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) stellt nach fast eineinhalb Stunden die entscheidende Frage: "Haben wir eine Chance?" Die vorsichtig formulierte Antwort, mit dennoch eindeutigem Gehalt, kommt von Christian Pfeiffer, dem regionalen Vorstandsbeauftragten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) für Unterfranken: Natürlich werde eine Resolution dem Vorstand in München vorgelegt, die Planungen für die Pilotregion Schweinfurt-Haßberge seien aber abgeschlossen. Es werde keine Anlaufstelle in Ebern für den Bereitschaftsdienst geben. Denn: Ebern gehört zum Gebiet Haßfurt dazu.
Die Resolution, die im Stadtrat in Ebern einstimmig beschlossen wurde, werde trotzdem noch von anderen Gemeinden verabschiedet. Nur, Hennemann ist eben auch der Meinung: "Wenn man nicht verhandeln kann, dann kommt man auch nicht zu einem Abschluss."
Die Verhandlungspartner, die zum Informationsgespräch ins Rathaus gekommen waren, waren weniger zum Verhandeln, als viel mehr zum Erklären da. Da höchstwahrscheinlich an dem Fakt "Pilotregion Schweinfurt-Haßberge ab 1. April 2016" nichts mehr zu rütteln ist, haben wir wichtige Punkte - für Ärzte und Patienten - zusammengefasst:
1.180 Ärzte für die Region
60 Ärzte werden sich laut KVB im Bereich Haßfurt-Ebern den Bereitschaftsdienst teilen. In der Pilotregion Schweinfurt-Haßfurt sind es insgesamt 180 Ärzte, die die beiden zentralen Bereitschaftspraxen bedienen. Bisher musste laut Roland Leitgeb, Vorsitzender des Vereins Bereitschaftspraxis Haßberge, ein Arzt aus Ebern bis zu 600 Stunden Bereitschaftsdienst zusätzlich zur regulären Sprechstunde im Jahr leisten. Mit der Umstrukturierung rechnen die KVB-Verantwortlichen mit 85 bis 90 Stunden Bereitschaftsdienst pro Arzt und Jahr.
2. Ärzte haben Bedürfnisse
Christian Pfeiffer erklärt, dass das Berufsbild "Arzt" im Umbruch ist. Auch hier würden zum Beispiel Teilzeitmodelle gefordert werden. Viele Ärzte würden außerdem nicht mehr dort praktizieren, wo sie leben - Praxis und Wohnung sind nicht immer im gleichen Haus. Mit einer zentralen Bereitschaftspraxis sollen den Ärzten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie - auch Work-Life-Balance genannt - garantiert werden. Die KVB prognostiziert Versorgungslücken auf dem Land. "Es ist nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern damit es den Bereitschaftsdienst auf dem Land überhaupt noch gibt", stellt Pfeiffer fest: "Die Region Haßfurt ist drohend unterversorgt im Bereich Hausärzte."
3.Freiheit des Patienten
Folgendes Szenario: Samstagmittag, der Husten ist kaum auszuhalten, bis Montag will der Patient nicht warten, also sucht er einen Bereitschaftsarzt. "Das Gebiet ist nicht festgelegt. Die Patienten können überlegen, in welche Praxis sie fahren", erklärt Pfeiffer. Ob der Patient aus Untermerzbach oder Ebern nach Coburg, Bamberg oder Scheßlitz in eine Bereitschaftspraxis fährt, das stehe ihm frei.
Dass nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten mit dem Auftakt der Pilotregion umdenken müssen, das bezweifelt von den Anwesenden niemand. Kinderarzt Arman Behdjati-Lindner aus Haßfurt beschreibt die Veränderung ab April 2016 so: "Das Manko: Der Patient muss sich etwas besser artikulieren können, sich darum bemühen, dass er an den richtigen Arzt kommt, aber es wird kein Mensch zu Schaden kommen."
4. Sorgen der Patienten
Untermerzbachs Bürgermeister Helmut Dietz (SPD) beklagt, dass "leichtfertig mit den Patienten umgegangen" wird. Ein Kritikpunkt an dem Pilotmodell: Patienten aus den östlichen Gemeinden im Landkreis kennen den Weg ins Haßfurter Krankenhaus nicht (zur Erklärung: Hausbesuche sind die Ausnahme und müssen medizinisch begründet werden). Dem gegenüber stellt Ernst Schlereth von der KVB folgende Argumente: Anders als bisher, wo die nächste diensthabende Bereitschaftspraxis erst gesucht werden muss, sind die Öffnungszeiten bei einer zentralen Bereitschaftspraxis bekannt - die Patienten wissen, dass sie dort einen Arzt antreffen werden. Außerdem kann den Ärzten so Equipment und ein Fahrdienst für die Hausbesuche zur Verfügung gestellt werden.
"Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist nicht gerechtfertigt, dass ein Bereitschafts-Arzt in 30 Minuten beim Hausbesuch da sein muss", sagt Pfeiffer. Da es sich um keinen lebensbedrohlichen Notfall handele, könne dies schon mal fünf, sechs Stunden dauern. Grundsätzlich geht die KVB aber davon aus, dass der Hausbesuchsdienst dank GPS-Steuerung und der Trennung von Sitz- und Fahrdiensten verbessert werden kann.
5. Welche Rufnummer?
Immer noch viel zu wenig bekannt sei der Unterschied zwischen Bereitschafts- und Notarztdienst (wie Feuerwehr und Rettungsdienst unter der 112 erreichbar). Diese unterscheiden sich nicht nur an der Rufnummer. Ein Bereitschaftsarzt übernimmt am Wochenende "nur die notwendigen Maßnahmen", stellte Pfeiffer klar.
Nach fast zwei Stunden gab es keine Fragen mehr, wirklich zufrieden wirkte allerdings auch keiner. Sie wird wohl kommen, die Pilotregion Schweinfurt-Haßberge. Pfeiffer sieht es als "größeren Wurf für die nächsten Jahre", um die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern. Und, aus Erfahrung habe sich auch gezeigt: "Die Bevölkerung lernt ganz schnell."