Druckartikel: Es braucht feste Zeiten fürs Handy

Es braucht feste Zeiten fürs Handy


Autor: Günther Geiling

Eltmann, Freitag, 17. Februar 2017

Kinder und Jugendliche kann man nicht vor der modernen Medienwelt beschützen. Bei der Grundschule in Eltmann gab das Jugendamt handfeste Tipps.
Cyber-Mobbing kann Kindern zusetzen, zeigt das Symbolbild. Eltern müssen die Mediennutzung ihrer Sprösslinge im Blick behalten, erfuhren die Anwesenden bei der Informationsveranstaltung an der Eltmanner Grundschule. Foto: Michael Gründel


Kinder und Jugendliche gehen heute quasi mit dem Smartphone ins Bett und wachen früh damit auf - manchmal wird sogar mitten in der Nacht gechattet. Je bedeutender die virtuelle Welt und damit die Mediennutzung für sie wird, umso mehr steigen die Anforderungen an ihre Medienkompetenz. Bedeutet: Kinder und Jugendliche müssen wissen, wie man mit Handy, Tablet und Computer umgeht. Das müssen ihnen Schule und Eltern beibringen.
So hatte die Johann-Baptist-Graser-Grundschule Eltmann die Eltern zum Informationsabend eingeladen mit dem Thema "exzessive Mediennutzung - WhatsApp, Cyber-Mobbing & Co". Referentin Eva Pfeil kam von der Kommunalen Jugendarbeit des Landkreises und zeigte sehr eindrucksvoll das Medienverhalten der Jugendlichen - ihrer Kinder. Sie rief die Eltern auf, ihre Kinder zu begleiten.


Eltern und Schule gefordert

Konrektorin Barbara Hahn sagte eingangs, beim Einüben von Medienkompetenz seien Eltern und Schule gefordert. Kinder müssen erfahren, wie sie richtig mit ihren elektronischen Spielzeugen umgehen, das Daddeln darf nicht zur Sucht werden. Speziell in Eltmann will man an der Grundschule auch das iPad im Unterricht nutzten.
Laut Eva Pfeil sind die Kinder und Jugendlichen "digital natives", also "digitale Ureinwohner. Die Kids wachsen in der digitalen Welt auf, das Bedienen eines Smartphones ist für sie selbstverständlich. Dagegen ist der Großteil der Erwachsenen noch "digital immigrants": Sie lernten erst sehr viel später und sehr viel mühsamer die digitale Welt kennen.

Wenn Kinder und Jugendliche die Teile bedienen können, heißt das noch lange nicht, dass sie wirklich Bescheid wissen. Sie seien, so Pfeil auf der einen Seite technisch kompetent, aber auf der anderen Seite höchst naiv. "Lost in virtuality?" Sind die Kinder verloren in der virtuellen Welt? Das treffe aber doch nicht so zu, erklärte Pfeil. Nach einer Erhebung gehen etwa 80 Prozent aller Jugendlichen kompetent mit digitalen Medien um. 20 Prozent gehören zur Risikogruppe, immerhin vier Prozent müssten akut beraten oder gar behandelt werden. Mädchen lassen sich eher von sozialen Netzwerken (Facebook, Snapchat, Twitter) anziehen, Buben und junge Männer reizen eher Onlinespiele.

Bei der "Faszination Spiele" probieren alle Jugendlichen Dinge aus, die real nicht möglich sind; leicht werden da Grenzen überschritten. Die jungen Nutzer bekommen ihr "Flow-Erlebnis": Sie sind ganz auf ihr Tun konzentriert und gehen - manchmal für Stunden - darin auf. Natürlich ergibt sich daraus das Suchtpotenzial.


Gravierende Auswirkungen

Die Auswirkungen einer solchen lang andauernden, exzessiven Nutzung sind gravierend. Probleme im sozialen Bereich zeigen sich in verminderter Kontaktfähigkeit, Vereinsamung oder Realitätsverlust. Gesundheitlich wirkt sich das Daddeln auch aus: Kopfschmerzen, Schlafstörungen, ungesunde Ernährungsweise, Übergewicht, im Extremfall Thrombose. Wer süchtig ist nach Smartphone und PC, der vernachlässigt Schule und Beruf, wird Unkonzentriert Sprach- und Lesekompetenz werden schlechter, betonte Pfeil. Zuletzt: Auch Depressionen und Persönlichkeitsstörungen sind nicht ausgeschlossen.


Checkliste für die Eltern

Begleitung Eva Pfeil hält nichts davon, digitale Medien zu verbieten. Ganz wichtig sei es, dass die Eltern Interesse für das zeigten, was Kinder im Netz, am Handy oder am PC machen. Sie sollten sie von Anfang an begleiten, selbst ein gutes Vorbild für die Mediennutzung sein und sie frühzeitig über Risiken aufklären. Technische Filter ersetzen elterliche Präsenz nicht.

Limit Die Präventionsstelle des Landratsamts empfiehlt, die "Medienzeit" für die Kinder zu begrenzen. Eltern sollten mit den Kindern tägliche oder wöchentliche Medienzeiten verhandeln und medienfreie Tage einführen.

Zeitgrenzen Kinder bis zu zwei Jahren sollten so wenig wie möglich vor Bildschirmen sitzen und Medien nutzen. Kinder bis zu fünf Jahren sollten höchstens eine halbe Stunde am Tag vor dem Bildschirm sein, Sechsjährige bis zu einer Stunde und Zehnjährige dann rund neun Stunden pro Woche. Die Faustregel: zehn Minuten pro Lebensjahr und Tag oder eine Stunde pro Lebensjahr und Woche.

Frei-Zeit "Medien sollten aber auch einmal Pause haben", riet sie weiter, nämlich bei Treffen mit anderen, beim Essen und bei den Hausaufgaben. Ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen wird das Handy ausgemacht.

Aufpassen Eltern müssen aufpassen, ob es bei ihrem Nachwuchs eine Gefährdung geben könnte. Spielen, chatten oder surfen Kinder bis tief in die Nacht? Verschlechtern sich ihre Leistungen in der Schule?
Die Jugendpflegerin sprach Gefahren durch neue Betrugsmethoden und Cyber-Mobbing an; es gibt Stalking (Belästigen) oder Sexting (Weitergabe freizügiger Fotos an Freunde). Cyber-Mobbing sei kein harmloser Spaß, schärfte sie den Eltern ein, manches sei sogar eine Straftat.

Vorbild Wie bei allem ist der familiäre Einfluss wichtig: "Im Grundschulalter ist die Familie die wichtigste Instanz für den Erwerb der Medienkompetenz. Eltern und Geschwister nehmen dabei eine Vorbildfunktion ein und wichtig ist das Reflektieren des Medienverhaltens der Vorbilder", betonte Eva Pfeil.