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Erinnern in Ebern: Lebensmittelkarten gab's nur für Entnazifizierte


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Freitag, 03. Juli 2015

Nach der Kapitulation vor 70 Jahren hatten die Eiferer des Nazi-Regimes keinen leichten Stand. Auch in Ebern nicht.
Mit einer Postkarte "freigesprochen": Den Bescheid der Eberner Spruchkammer vom 13. März 1947 für seine Mutter Anna Feulner hat Altbürgermeister Rolf Feulner in seinen Unterlagen noch gefunden.   Foto: Ralf Kestel


Die Kapitulation am 8. Mai 1945 bedeutete das Ende des Zweiten Weltkrieges, markierte aber auch einen Anfang: Den der Aufarbeitung der NS-Ideologie, die alle Bevölkerungsschichten durchdrungen hatte. Der Prozess der Entnazifizierung begann im Juli 1945 auf der Basis des Vier-Mächte-Abkommens. In Bayern und somit auch in Ebern zunächst unter der Regie der US-Befehlshaber, später vor einer Spruchkammer, die Leuten besetzt waren, die den Amerikanern vertrauenswürdig erschienen.

Zur Eberner Spruchkammer fallen Altbürgermeister Rolf Feulner, damals elf bzw. zwölf Jahre alt, vier Namen ein: Wenzel, Brünn, Autsch, Güßbacher. "Der Vorsitzende Wenzel muss ein Bankmann gewesen sein", erinnerte sich der heute 81-Jährige, der die Geschehnisse über Mitglieder der eigenen Familie hautnah miterlebte. "Die ganz Fahnentreuen kamen gleich in ein US-Lager nach Hammelburg."

Fünf Abstufungen gab es : 1. Hauptschuldige (Kriegsverbrecher), 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer), 3. Minderbelastete, 4. Mitläufer und 5. Entlastete.

Entlastungszeugen notwendig

"Selbst einfache Parteimitglieder ohne irgendwelche Ämter mussten Entlastungszeugnisse vorlegen", heißt es in den Erinnerungen der langjährigen Bürgermeister-Sekretärin Erika Zucker, die jetzt wieder im Pfarrbrief der Pfarreiengemeinschaft Ebern-Jesserndorf-Unterpreppach veröffentlicht wurden. So ein Zeugnis von unbelasteten Leuten half auch Feulners Großvater Josef Wappes. "Er hatte einer Halbjüdin sehr geholfen, die sich dann für ihn stark machte, weswegen er auch frei gesprochen wurde." Wappes hatte während der Naziherrschaft als Bürgermeister fungiert und gehörte "natürlich der Partei an", hatte vor dem Einmarsch der US-Truppen sämtliche Barrikaden wegräumen lassen, um die Stadt kampflos zu übergeben.

Feulners Vater, Fritz, war Mitglied der SA. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Vater oft über die SA geschimpft hat, weil die ihre Übungen immer am Sonntagvormittag abhielt, er als christlich eingestellter Mensch aber lieber in den Gottesdienst gehen wollte."

Als Notariatsbeamter habe sich der Vater nur im öffentlichen Dienst halten können, weil "er in der Partei war", so der Sohn 70 Jahre später.

Entnazifizierung war wichtig

Und die Wiedereinstellung war auch nicht so leicht. "Ohne Entnazifizierung war das gar nicht möglich", so Rolf Feulner, der die entsprechende Unterlagen gesehen und aufgehoben hatte. "Die Entscheidung der Spruchkammer erfolgte im April/Mai 1948, im Juni folgte die Währungsreform. Sein erstes Gehalt von Notar Rückel bekam der Vater in D-Mark", hat sich in der Erinnerung des Sohns eingebrannt.

Am 29. Mai 1945 erfolgte laut den Aufzeichnungen von Erika Zucker die Vereidigung von Eberns neuen Stadträten, die auf Vorschlag der alliierten Militärregierung und des Landrats als politisch unbelastet galtet. Das waren: Der schon vorher eingesetzte Bürgermeister Georg Einwag, Zweiter Bürgermeister Valentin Schmitt, Nikolaus Wirsing, Hans Wegman, Georg May, Heinrich Einwag, Georg Hagel, Anton Wolz, Hermann Grimmer, Richard Reich, August Kuhmann und Karl Hoch.

Sie mussten zusammen mit der Militärregierung die weiteren Entwicklungen steuern.

Ab März 1946 wurde die Entnazifizierung federführend an Spruchkammern übertragen, die nur noch mit Deutschen besetzt waren und deren Entscheidungen in den Lokalzeitungen veröffentlicht wurden. "Der Antrieb ging danach bayernweit merklich zurück", ist im kürzlich eröffnete Museum zur NS-Geschichte in München nachzulesen.

"Die Meldebögen zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 mussten in der Stadtkanzlei abgeholt werden, da es Lebensmittelkarten nur unter der Vorlage des Registrierscheins des Arbeitsamtes und der Quittung über die Abgabe des Entnazifizierungsbogen ausgeben wurden", hat Erika Zucker aufgezeichnet. Diese Unterlagen ruhten viele Jahrzehnte im Dachgeschoss des Ämtergebäudes, weiß Rolf Feulner noch, aber "nicht, ob das der Bereich des Amtsgerichtes oder der Stadt war", da beide Institutionen das Haus nutzten.

Im Rahmen der Sanierung des Ämtergebäudes sind sie aus dem Dachgeschoss verschwunden.