Eon muss einen Strommast bei Stettfeld versetzen
Autor: Günter Flegel
Stettfeld, Samstag, 27. Oktober 2012
Bei Stettfeld muss Eon einen Strommast versetzen. Das geht nur so: erst kompletter Neubau und Strippenziehen, dann Abriss. Sonst droht ein Blackout im Netz.
An Spinnen muss man fast unwillkürlich bei diesem Anblick denken: Sicher wie die unheimlichen Jäger im eigenen Netz bewegen sich die Arbeiter in luftiger Höhe in einem Gewirr aus Drähten, durch die hunderttausende Volt fließen.
Die Kiesgruben bei Stettfeld waren in den letzten Tagen der Schauplatz einer Baustelle mit Gänsehauteffekt. Natürlich waren es keine Spinnen, die hier krabbelten, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die im Auftrag des Energieversorgungsunternehmens Eon Strippen für die Energiewende gezogen haben; im weitesten Sinn, wie der Pressesprecher von Eon Netz in Bayreuth, Christian Martens, betont. "Wir mussten Anpassungen in unserem 110-kV-Netz vornehmen", sagt er.
110.000 Volt
Hier wird es technisch: 110 kV steht für 110 000 Volt, die Spannung, die durch die Eon-Leitungen fließt. Für den Transport der elektrischen Energie von den Kraftwerken zu den Verbrauchern wurde kreuz und quer übers Land ein Spinnennetz von Leitungen gesponnen.
Der Grundsatz dabei: Je länger die Strecke, desto höher die Spannung. 380 000 Volt fließen durch die Stromautobahnen, die die Energie über weite Strecken transportieren.
Mit dieser Baustelle hat Eon nichts zu tun. "Unser Bereich sind, um im Bild zu bleiben, nicht die Autobahnen, sondern die Bundesstraßen", sagt Martens. Die Stettfelder Baustelle ist Teil einer Leitung von Eltmann bis Kastenweiher bei Erlangen, 63 Kilometer lang und für die regionale Verteilung auf 110 000 Volt ausgelegt. Darunter auf örtlicher Ebene genügt am Ende der Stromverteilung ein 20 000-Volt-Netz.
Wärmer gleich länger
Um zu verstehen, warum Eon in Stettfeld baut, braucht man neben der Technik noch ein wenig Physik: Wenn der Strom durch die Leitungen fließt, geht das nicht reibungslos; es gibt Verluste, die sich unter anderem darin äußern, dass die Drähte warm werden. Wird Metall warm, dehnt es sich aus: Die Stromleitung ist im Sommer länger als im Winter, was die Techniker vor Herausforderungen stellt: Sie müssen die Drähte und die Abstände der Masten so berechnen, dass die Leitung bei Kälte nicht reißt und bei Hitze nicht gefährlich durchhängt.
Dafür wurden in den 60er Jahren beim Bau der Leitung zwischen Eltmann und Erlangen 175 Masten gepflanzt. Bislang wurde die Kapazitätsgrenze im Strom-Spinnennetz nicht erreicht, in absehbarer Zeit wird dies aber der Fall sein - eine Folge nicht zuletzt der Energiewende, die auch durch das Eon-Netz mehr Strom fließen lässt. Mehr Strom, mehr Wärme: Eon hat die Mastanlage von Unter- durch Ober- nach Mittelfranken neu berechnet und musste 17 der 175 Masten umbauen, um "Durchhänger" zu vermeiden.
Die komplizierteste Baustelle war die in Stettfeld. Hier kreuzen sich direkt neben der Maintalautobahn gleich drei Strom-Straßen: Eons 110-kV-Leitung, darüber die 380-kV-Trasse von Tennet und ein Stockwerk tiefer die Oberleitung der Bahnstrecke Bamberg - Schweinfurt (15 kV). Das ist deshalb so heikel, weil es gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstände zwischen den unterschiedlichen Leitungen gibt. Damit der Funke nicht überspringt, was ja im Falle einer Hochspannnungsleitung nicht sehr romantisch wäre.
Spannend ist die Baustelle unter Strom, so spannend, dass sich nicht mal Eon rantraut. "Für jeden Handgriff haben wir Experten engagiert", sagt Martens. Damit zwischen Eltmann und Erlangen die Lichter nicht ausgehen, musste erst ein komplett neuer Mast errichtet und verdrahtet werden. 150 000 Euro teuer und 30 Meter hoch ist das Monstrum. Der Mast wiegt 21 Tonnen, ohne die vier massiven Betonfundamente.
Noch mehr Strippen
Als der neue Mast angeklemmt war, konnte der alte ausgeknipst und zerlegt werden. Dafür mussten die Arbeiter wie Spinnen ins Stromnetz klettern. Schauerlich beim Zuschauen für jeden, der nicht schwindelfrei ist. Und ein Arbeitsplatz mit Aussicht: Die Baustelle in Stettfeld gibt eine Ahnung davon, wie groß der Aufwand sein wird, um das Stromnetz für die neue Energie im Land so dicht zu spinnen, dass es keine Blackouts gibt.