Entsteht in Ebern ein Treff für Reichsbürger?
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Freitag, 02. November 2018
Verdächtige Aktivitäten in der und um die Stadt lassen diesen Schluss zu. Die Sicherheitsbehörden sind informiert, halten sich aber mit Auskünften zurück.
Das ehemalige Handwerker-Anwesen am Stadtrand von Ebern ist ein begehrter Anziehungspunkt. Besonders an Wochenenden. Jüngst erst düsten Besucher aus aller Herren (Bundes-)Länder ein, um dem dort lebenden Ehepaar ihre Aufwartung zu machen. Weil es sich dabei um das Paar handelt, das im August 2017 im gesamten Altlandkreis Ebern 10 000 Flyer verteilte und zur Teilnahme an einer Siegelrechte- und Verweserwahl aufrief, schauen ab und zu auch der Verfassungsschutz und andere Ordnungshüter vorbei. Auch die Kriminalpolizei, wie vor wenigen Tagen geschehen.
Die Hausdurchsuchung bei dem mutmaßlichen Reichsbürger hatte die Staatsanwaltschaft Bamberg beim Amtsgericht beantragt. "Wegen des Verdachts der Nötigung und Beleidigung", wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Würzburg mitteilte. So hat der 49-Jährige Medienhäuser, Behördenvertreter und andere Leute mitunter in vielseitigen Schreiben mit abstrusen Inhalten und Rechtsgrundlagen aus Zeiten des Kaiserreichs "beglückt". Dabei aber auch als "NSDAP-Sklaven" betitelt und horrende Geldforderungen als Sicherheitsleistung angedroht.
Solche Geldspritzen würden dem vermeintlichen Reichsbürger sicher dienlich sein. Denn sein Verein "Natur Licht Energie e.V.", unter dessen Dach allerlei Vorträge im Stadtrand-Anwesen angeboten wurden - von der russischen Waldschule zur Selbstfindung über die einfache und doppelte Buchhaltung bis zum Bau von Grundöfen - ist offenbar pleite. Ein vom Finanzamt Schweinfurt beantragtes Insolvenzverfahren war vom Amtsgericht Bamberg im Juni erst mangels Masse abgewiesen worden. Als Vorstände des Vereins nennt das Amtsgericht den 49-Jährigen, der aus einer Haßberggemeinde im Maintal stammt, dessen 50-jährige Ehefrau aus den neuen Bundesländern sowie die 27-jährige Stieftochter. Als Geschäftszweig wird folgende Sparte genannt: Erbringung von sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleitungen.
Ob dazu auch das Abhalten von Stammtischen der Bürgerrechtsbewegungen zählt? Die finden laut Informationen des "Kaiserrundfunks.com" nämlich auch in diesem Anwesen in Ebern statt (Anmeldung unter: naturlichtenergie@mail.de).
Hinter dem "Kaiserrundfunk" steht ein einschlägig bekannter Aktivist aus der Region Chemnitz, der auch als Sprecher des Bundesverbandes "Einiges Deutschland" fungiert, welcher die Legitimität der Bundesrepublik verneint und Deutschland noch in der Grenzen vor 1918 und im (Ersten) Weltkrieg wähnt, weil nur der Kaiser eine Kapitulation hätte erklären können. Als Kontaktadresse für den Regionalverband Süd (Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen und Hessen) findet sich auf der Internetseite von "Einiges Deutschland" das Eberner Ehepaar, das auch bei lokalen Behörden schon für Irritationen und Verwirrung sorgte, wenn beispielsweise die Aussagekraft staatlicher Dokumente angezweifelt wird.
Beim Verfassungsschutz in München ist eine Veranstaltung mit dem "Freeman Austria", einem bekannten Reichsbürger aus Österreich, in Ebern bekannt. Weitere Angaben will aber weder der Verfassungsschutz noch die Kriminalpolizei aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit machen. Zuletzt waren die Versammlungsteilnehmer in Dutzenden von Autos angereist, weit mehr als die bislang rund 20 beim Verfassungsschutz registrierten Reichsbürger im Landkreis.
Ganz aktuell sind die Aktivisten von "Einiges Deutschland" laut eigener Darstellung mit dem Aufbau eines großen Versammlungsraumes für Treffen, Videoaufzeichnungen und Konzerte in Nordbayern beschäftigt. Seit Herbst 2016 wird nach eigenen Angaben daran gearbeitet, zu Pfingsten 2017 soll ein Rohbaufest stattgefunden haben. Helfer werden noch benötigt.