Eltmann will jungen Flüchtlingen Heimat bieten
Autor: Günther Geiling
Eltmann, Sonntag, 21. Juni 2015
Politiker und Behördenvertreter diskutierten in der Kinder- und Jugendhilfe Sankt Josef in Eltmann über die Situation unbegleiteter Flüchtlinge. Das Konzept geht bislang auf. Was passiert aber, wenn noch viel mehr in den Landkreis kommen?
Vahid blickt einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft. Vor allem hat der 19-Jährige eine Zukunft. Sein Asylantrag ist anerkannt, und er darf auf ein normales Leben in Deutschland hoffen. Sein Schicksal schilderte er bei einem Treffen führender Politiker aus dem Landkreis bei der Kinder- und Jugendhilfe Sankt Josef in Eltmann. Die Gruppe um Landrat Wilhelm Schneider und den Landtagsabgeordneten Steffen Vogel (beide CSU) machte sich ein Bild von der Lage unbegleiteter Flüchtlinge, wie junge Menschen genannt werden, die ohne Vater oder Mutter aus krisengeschüttelten Ländern nach Deutschland geflüchtet sind. Die Kinder- und Jugendhilfe kümmert sich um die Gestrandeten. Vahid ist einer von ihnen.
Vahids Vater war beim Militär in Afghanistan. Dieser Einsatz bedeutet gleichzeitig den Verlust der eigenen Familie. Man bekomme keinen Job oder Arbeit, habe kein Essen, erzählte der 19-Jährige.
"Ich bin 19 Jahre alt und wohne nun in einer Wohngruppe in Ebelsbach. Mein Asylantrag wurde genehmigt und in einem Jahr bekomme ich auch die Staatsangehörigkeit. Außerdem lerne ich im zweiten Lehrjahr das Malerhandwerk. Es läuft alles gut bei mir. Da können Sie auch meinen Chef fragen", sagte er den Politikern mit sichtbarem Stolz. Bei der Frage nach seinen Eltern und seiner Familie wollte er nicht weiterreden. Tränen rollten.
Mit den Politikern waren Mitarbeiter des Jugendamtes am Landratsamt Haßberge nach Eltmann gekommen, um mit der Heimleitung vier neue Jugendliche in die Einrichtung aufzunehmen. Zwei stammten aus Afghanistan, einer aus Syrien und einer aus Pakistan. Ihre Flucht nach Deutschland hatte von Afghanistan aus zwei Monate und aus Pakistan sechs Monate gedauert. Vahid übersetzte, und die ersten fränkischen Ausdrücke tauchten auf.
Die Einrichtung in Eltmann betreut derzeit 19 junge Flüchtlinge. Diese Zahl erhöht sich mit den vier neuen Flüchtlingen und vier weiteren, die bereits angekündigt worden sind, in den nächsten Tagen auf 27. Sie sind in Wohngruppen außerhalb oder innerhalb des Heimes untergebracht und elf in einem Wohngebäude in der Stadt.
Der pädagogische Mitarbeiter Peter Rödelmaier beschrieb gerade die Situation in der Wohngemeinschaft außerhalb der Jugendeinrichtung als sehr positiv. "Es sind alles sehr sympathische junge Menschen, die sehr freundlich und zurückhaltend sind. Sie haben ein straffes Programm, werden sprachlich und auch fachlich beschult und fallen eher positiv auf." Damit spielte er auf die Kegelmeisterschaft in Eltmann an, bei der sie ohne vorheriges Training herausragende Ergebnisse erzielten.
Eltmanns Bürgermeister Michael Ziegler bestätigte, dass die Jugendlichen von sich aus versuchen, sich zu integrieren. Natürlich habe es im Vorfeld Fragen aus der Bürgerschaft gegeben, aber in einer Gesprächsrunde habe die Stadt zusammen mit der Kinder- und Jugendhilfe Informationen gegeben und alle Fragen klären können.
Heimleiter Martin Gehring äußerte Zuversicht, dass man mit der Problematik zurechtkomme. "Mir ist es aber trotzdem wichtig, dass die Problematik der unbegleiteten Jugendlichen nicht nur unter dem Kostenaspekt gesehen wird. Schließlich haben wir es mit Menschen zu tun, die gewisse Erlebnisse hatten und teilweise schwer traumatisiert sind. Die Wohngemeinschafen haben sich bis jetzt auf jeden Fall bewährt und im Moment haben wir auch genügend Personal", sagte er.
Landrat Wilhelm Schneider war voll des Lobes für die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef, die derzeit rund 65 Kindern und Jugendlichen Hilfen bietet und dafür ebenso viele Bedienstete hat. "Wir sind dankbar, dass wir euch haben und ihr seid eine gute Anlaufstation, die uns immer unterstützt. Wenn dies nicht so wäre, hätten wir viel mehr Probleme."
Jugendamtsleiter Christoph Schramm lobte die bedarfsgerechten Lösungen der Jugendeinrichtung. Er hofft, dass mit einer bundesweiten Regelung der Verteilung ab dem Jahr 2016 auch die Kostenerstattung besser werde. So hatte das Jugendamt für diesen Bereich im Jahr 2014 rund 64 000 Euro zu tragen und für dieses Jahr rechnet er mit 144 000 Euro. Außerdem kämen nach Aussage des Landrates noch 350 000 Euro für Personalkosten in der Sozialhilfe und im Jugendamt dazu.
Steffen Vogel machte auf einen deutlichen Anstieg der jungen Flüchtlinge 2015 aufmerksam. "Von Januar bis April kamen 1650 Jugendliche nach Bayern und allein im Monat Mai waren es jetzt 1200. Deswegen rechnet das Ministerium für dieses Jahr mit weit über 5000 Personen. Die Zahl nimmt also dramatisch zu", erklärte er.
Landrat Wilhelm Schneider verwies auf die Asyl-Problematik einiger Landkreise im südlichen Bayern. "Mein Landratskollege in Deggendorf hatte bisher 500 Plätze. Dann fahren nachts plötzlich Busse vor und es steigen 300 Personen aus. Diesen Zulauf können wir nicht stoppen. Im Moment müssen wir Bayern damit ein Problem für Deutschland lösen. Da muss man schon die Frage stellen dürfen, ob jeder Ankömmling das volle Angebot an Hilfeleistung braucht oder manche auch mit niederschwelligen Angeboten auskommen würden. Im Moment beherrschen wir die Situation in unserem Landkreis noch, aber problematisch würde es, wenn über Nacht plötzlich 60 oder 80 Personen kämen."
Steffen Vogel fragte nach, wie sich das pädagogische Personal auf den Zustrom der nächsten Monate vorbereitet. Das ist nach den Aussagen einer Erzieherin natürlich nicht einfach, weil sich die Betreuer auf die Jugendlichen aus den unterschiedlichsten Kulturen einstellen müssen. Es gebe somit große Herausforderungen für das Personal, sagte sie.
Die vier Neuankömmlinge machten auf die Besucher einen mitgenommenen Eindruck. Die Erklärung: Wegen des Fastenmonats Ramadan hatten sie den ganzen Tag nichts gegessen.
Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) wollte an dem Gespräche in Eltmann am Freitagabend teilnehmen. Aber sie konnte nicht kommen. Sie ist am Donnerstag nach einem Sturz im Landtag ins Krankenhaus gebracht worden. Ihr Ministerium teilte am Freitag mit, dass sie am Rande der Plenarsitzung gestürzt sei und sich dabei den Beckenring gebrochen habe. Um den Heilungsprozess nicht zu gefährden, werde sie die nächsten Tage keine öffentlichen Termine wahrnehmen. Die Amtsgeschäfte will Müller aber weiterführen.