Eine Schwalbenfamilie, die im Wirtshaus wohnt: In Zeil ganz normal
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Dienstag, 26. Juni 2018
Im Biergarten der Zeiler Gastwirtschaft "Kuli" brüten seit Jahren Rauchschwalben. Eine gute Sache, denn das Nistplatzangebot für die Tiere ist rückläufig.
Er hat sich lautstark angekündigt. "Wid wid", tönt es von draußen. "Das ist Bibi", sagt Ibolyka Pickel. So hat sie das Schwalbenmännchen getauft, das mit seiner Partnerin, Ribi genannt, in der Gastwirtschaft "Kuli" in Zeil seine Jungen großzieht.
Ibolyka Pickel läuft in den Gang hinter ihrer Wirtschaft. Oben, auf dem Stromkabel der Flurlampe, sitzen sechs Jungschwalben in Reih und Glied, schon im Schlummermodus. Die Mutter hockt auf einem Kupferrohr dahinter. Der Vater hat sich noch nicht dazugesellt. "Der ist im Biergarten", sagt Ibolyka Pickel und lacht. Die 61-Jährige zeigt auf den rotkehligen Vogelmann, der draußen auf einer Lichtgirlande unterm Pavillon sitzt und ein wenig perplex dreinschaut, weil sich da jemand mit einem komisch klickenden Apparat bis auf einen Meter an ihn heranpirscht. "Dem macht das nichts aus", sagt die Wirtin. Sie fragt aber sicherheitshalber nochmal nach: "Oder, Bibi?" - "Wid wid." (vermutlich: "Fotos? Wenn das meine Frau mitkriegt!" - Aber die weiß es längst, sie sitzt ja nur ein paar Meter entfernt davon und denkt sich ihren Teil).
Rote Kehle, gegabelter Schwanz
Die Wirtshausgäste fotografieren auch oft, wenn sie die Schwalbenfamilie bemerken, erzählt die Gastgeberin. Die Tiere bleiben da ganz cool sitzen. "So ein Verhalten ist normal", erklärt Dietmar Will. Schwalben seien Menschen gewohnt, als Kulturfolger suchen sie sogar ihre Nähe, so der Biologe und Vogelexperte aus Haßfurt. Anhand der Fotos identifiziert er die Art: "Es handelt sich tatsächlich um die selteneren Rauchschwalben. Gut zu erkennen an der metallisch-roten Kehle und dem tief gegabelten Schwanz", erklärt er. Seltener deswegen, weil das Nistplatzangebot für die Tiere in den vergangenen Jahren stetig schlechter wurde. "Rauchschwalben haben es gerne warm. Mit den alten Kuhställen verschwanden die meisten ihrer Nistplätze", erläutert Dietmar Will. Umso schöner, wenn sie Brutplätze wie den Biergarten in der Zeiler "Kuli" nutzen können.
Stammgäste seit 17 Jahren
Seit 17 Jahren schon seien die Schwalben da, erzählt Ibolyka Pickel, und jedes Jahr kommen die Tiere wieder. Auch wenn es längst mehrere Generationen sind, die sich in der "Kuli" zuhause fühlen, die Namen behält die Wirtin immer bei: Ribi und Bibi nennt sie die Elterntiere in jeder neuen Brutsaison. Im Frühjahr kommen die Zugvögel aus Afrika zurück zu ihren angestammten Nistplätzen, sie sind standorttreu und "sehr fleißig", hat Ibolyka Pickel beobachtet. Mit dem Sonnenaufgang fliegen die Vögel aus und gehen auf Jagd. Abends, gegen 21 Uhr, kommen sie nach und nach zurück in ihren Unterschlupf, bei schlechtem Wetter auch früher.
Zum Nestbau nutzen sie Lehm und Stroh, beides suchen sie in der Umgebung. "Matschpfützen sind heute nicht nur wegen der häufigen Trockenheit eine Seltenheit", erklärt Dietmar Will. "Ersatzweise nehmen Rauchschwalben gerne das Sediment von Bächen wie etwa der Altach. Diesem fehlt jedoch der Lehmanteil, so dass viele Nester nicht stabil genug sind." Als Nahrung dienen ihnen überwiegend Insekten wie etwa Schnaken und andere Zweiflügler, die die wendigen Schwalben im Flug fangen.
Apropos Flug: Im Herbst treten die Vögel wieder die weite Reise nach Afrika an. Für Ibolyka Pickel ein wehmütiger Moment: "Ich bin dann eine ganze Woche traurig." Aber sie weiß: Ihre Freunde kommen wieder.