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Eine große Katastrophe


Autor: Redaktion

Sand am Main, Montag, 18. Juli 2016

Um den 21. Juli 1342 herum ereignete sich das bislang größte Mainhochwasser in der Geschichte: Die Magdalenenflut überspülte alles.
Der Hochwasserstein in Sand: Seine Erbauer waren Optimisten, die sich keinen höheren Hochwasserstand als jenen von 1909 vorstellen konnten. Mögen sie möglichst lange Recht behalten, denn für ein Extrem-Hochwasser fehlt es dem Stein deutlich an Höhe. Foto: Mark Werner


Lebt man am oder gar im Maintal, so könnte in den letzten Jahrzehnten fast der Eindruck entstanden sein, katastrophale Hochwasser gibt es an Oder, Elbe oder Donau - aber nicht hier. Dass dem nicht so ist, verrät ein Blick in die örtlichen Chroniken. Das bekannteste Hochwasser am Main ist die Flut von 1909, obwohl sie im Vergleich mit älteren Ereignissen, wie dem Hochwasser von 1784, eher noch glimpflich war. Die Abflussmenge lag im Jahr 1909 mit 1700 Kubikmeter pro Sekunde noch nicht einmal auf dem Niveau eines sogenannten Jahrhunderthochwassers.

Was sich vom 19. bis 25. Juli 1342 in Mitteleuropa ereignete, überstieg alles bis dahin Gewesene und nachher Geschehene bei weitem. Der Sommer war bereits sehr feucht, so dass die Extrem-Niederschläge ab dem 19. Juli 1342 auf gesättigten Boden fielen.

Dieser Regen war heftig und glich zeitgenössischen Berichterstattern den Ergüssen, die zu Noahs Zeiten die Sintflut hervorrief.


Vom Menschen verschuldet

Der Mensch war schon vor über 600 Jahren im höchsten Grade mitverantwortlich für das Ausmaß der Katastrophe. Die Bevölkerung wuchs im Mittelalter stark an, was zu einer Auslichtung und Reduzierung der Bewaldung führte. Es sind bis ins Frühmittelalter vor allem die Wälder gewesen, die Niederschläge speichern oder zur Verdunstung bringen konnten, somit vom Abfluss über Bäche und Flüsse abhielten. Man kann es sich kaum vorstellen, aber vor dem Mittelalter war der Main ein schmächtigerer Fluss als heute, weil sein Einzugsgebiet noch stark bewaldet war. Die Vorfahren rodeten jedoch nicht nur die Wälder im Binnenland, sondern auch entlang der Mainauen. Die außergewöhnlichen Regenfälle wurden also in der Landschaft kaum gespeichert, kamen größtenteils zum Abfluss und in den Auen fehlte der bremsende Bewuchs. Das Ergebnis war eine Flutkatastrophe um den Tag der heiligen Maria Magdalena, das von Wissenschaftlern als "Jahrtausendereignis" bezeichnet wird.


Extreme Verhältnisse

Ein Jahrhunderthochwasser wird heute mit einer Abflussmenge von 2000 Kubikmetern pro Sekunde angenommen, das es in historischer Zeit am Main schon mehrfach gegeben hat. Ein Extrem-Hochwasser wird bei 3000 Kubikmetern pro Sekunde angenommen, was der Untergrenze der geschätzten Abflussmenge im Jahr 1342 gleichkommt. Allerdings sind bislang keine Hochwassermarken im Gebiet des heutigen Landkreises Haßberge von der damaligen Flut bekannt, aber ein Blick in die amtliche Hochwassergefahrenkarte macht deutlich, wie außergewöhnlich dieses Hochwasser damals war.

So würde es sich heute auswirken: Bei einem Extrem-Hochwasser wäre nämlich nicht nur der Haßfurter Bahnhof überflutet, sondern das Wasser stünde auch in der Zeiler Siedlung "Grabengärten" und würde über einen Meter hoch durch Augsfeld oder durch Sand-Wörth strömen.

Einen Eindruck hinterlässt ein Spaziergang in Würzburg vom Main zum Dom. Denn bis dort hinein reichten einst die Wassermassen. Dieses Ereignis war so außergewöhnlich, dass viele Siedlungen im Maintal zerstört wurden und für immer wüst fielen. Die Talbewohner flüchteten oft in höher gelegene, notdürftig errichtete Niederlassungen. Die Dörfer Ziegelanger und Schmachtenberg könnten zum Beispiel durchaus damals erst ihre endgültigen Plätze eingenommen haben.


Der Main schwenkte um

Vielerorts verlagerte der Main seinen Lauf und schuf somit vollständig neue Gemarkungs- oder Flurstücksgrenzen. So gibt es zum Beispiel keinen einzigen Beleg dafür, dass der (Alt-)Main schon vor der Mitte des 14. Jahrhunderts durch Sand floss.

Die extremen Niederschläge hatten jedoch im Zuge dieser Umweltkatastrophe noch viel schlimmere Folgen: Erosion!
Und heute? Wenn man über die Hochwassergefahr sprechen will, hört man an den Stammtischen oft die Meinung, dass die Menschen am Main aufgrund von Staustufen und Baggerseen nicht mehr mit solchen Ereignissen rechnen müssten. Dieser Glaube gleicht jedoch dem "Pfeifen im Walde", denn keine Staustufe und schon gar kein Baggersee ist in der Lage, Flutereignisse von 2000 oder 3000 Kubikmeter pro Sekunde merklich zu beeinflussen. Sie wären binnen Minuten geflutet.
Zudem kann man sich jeden Tag in Eltmann oder andernorts oberhalb von Staustufen davon überzeugen, dass man dort keine großen Hochwassermengen zurückhalten kann, ohne dass es zu großen Überflutungen käme.
Im dicht besiedelten Mitteleuropa ist es unrealistisch, alle Flächen zu räumen, die innerhalb von vielleicht 500 Jahren einmal überflutet sein könnten.


Latente Gefahr

Es genügt vollkommen, sich der latenten Gefahr bewusst zu sein und bautechnische Einrichtungen danach auszurichten. Die wirksamste Maßnahme gegen Flutschäden wäre natürlich, zusätzliches Schadenspotenzial durch weitere Bebauung nach Möglichkeit zu vermeiden, aber das ist natürlich eine Platzfrage.
Froh darf man sein, dass der Wetterbericht 2016 für den Magdalenentag keine bedenkliche Wetterlage im Einzugsgebiet des Maines vorhersagt.