Eine Drogenrazzia lief ins Leere
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Montag, 10. Dezember 2012
Wegen Geheimnisverrats bei den Justizbehörden hat ein Jugendschöffengericht am Haßfurter Amtsgericht eine 19-Jährige zu einer Geldauflage von 2000 Euro verurteilt. Die junge Frau hatte brisantes Dienstliches ausgeplaudert.
           
In zweifacher Hinsicht war das jüngste Strafverfahren am Amtsgericht in Haßfurt sehr ungewöhnlich. Zum einen lag der Tatort da, wo man sich gerade befand: im Gerichtsgebäude. Und zum anderen bestand die Straftat darin, dass eine 19-jährige Frau ein unbedachtes Wort ausgeplaudert hatte. Weil sie Privat- und Dienstgeheimnisse verletzt hatte, wurde die Angeklagte zu einer Jugendstrafe in Form einer Geldauflage von 2000 Euro verurteilt.
Zweifellos war es für die 19-Jährige schon eine schreckliche Strafe, überhaupt auf der Anklagebank sitzen zu müssen. Noch vor einem halben Jahr war für sie die Welt in Ordnung und sie hätte sich nie träumen lassen, dass ihr das passiert. 
Aufgewachsen in einem intakten Elternhaus, integriert in das Dorf- und Vereinsleben, guter Abschluss in der Realschule und erfolgreiche Berufsausbildung - das Leben der Heranwachsenden schien geradlinig und klar.
Jedoch war sie nach der bestandenen Lehre nicht von ihrer Ausbildungsfirma übernommen worden. Also bewarb sie sich mit ihren Abschlusszeugnissen anderweitig. So wurde sie auf eine Anzeige der bayerischen Justizbehörden aufmerksam, die zur Verstärkung der Eingangskontrollen in den Gerichten zusätzliches Personal suchen. Und tatsächlich, mit ihren Unterlagen und im persönlichen Gespräch konnte die Bewerberin überzeugen und wurde am 6. März 2012 im Haßfurter Amtsgericht eingestellt. Dabei wurde sie ausdrücklich auf ihre Pflicht hingewiesen, über alle dienstlichen Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren.
Die Arbeit machte Freude
Der Job machte ihr Spaß, und mit den Kollegen kam die sympathische und aufgeschlossene junge Frau auch klar. Ihre Arbeit beschränkte sich nicht nur auf Kontrolltätigkeiten, sie war auch zuständig für die Eingangs- und Ausgangspost. Naheliegend ist, dass man dabei hie und da auf einen bekannten Namen stößt. Das war auch Anfang Mai dieses Jahres so. Da bekam sie eine Akte in die Hand, wonach gegen einen jungen Mann aus dem Drogenmilieu ein erneutes Ermittlungsverfahren, inklusive Hausdurchsuchung, im Gange war.
Und wie es der Zufall wollte: Ausgerechnet die Zwillingsschwester dieses Verdächtigen war ihre beste Freundin, mit der sie fast täglich telefonierte. Das Unglück nahm seinen Lauf, als die beiden wieder mal ungezwungen am Handy miteinander über Gott und die Welt quatschten. Irgendwie rutschte da der Angeklagten heraus, was sie aus der Ermittlungsakte wusste: "Gegen deinen Bruder läuft wieder was..."
In dem Moment, in dem sie es sagte, wusste sie schon, dass es ein Fehler war. Eindringlich bat sie ihre Freundin, die Information nicht weiterzugeben. Die versprach das auch - und hielt trotzdem nicht dicht. Logischerweise lief die kurze Zeit später anberaumte Hausdurchsuchung bei dem Drogenverdächtigen ins Leere. Aber ein anonymer Brief, in dem der Name der Insiderin genannt wurde, brachte die Justiz auf die innerbehördliche Fährte.
Als klar wurde, wo die undichte Stelle im Amt war, verlor die Bürokauffrau nicht nur ihren Job. Zusätzlich wurde sie mit der Anklage wegen Verletzung der Schweigepflicht konfrontiert.
Enorme Belastung
Dass sie an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz vor Gericht stand und ihren Ex-Kollegen dabei in die Augen sehen musste, stellte eine ungeheure psychische Belastung für die Frau dar. Gefragt, wie es ihr dabei gehe, schluchzte sie und brach in Tränen aus.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Bardo Backert, also der oberste Ankläger der Bamberger Staatsanwaltschaft, war eigens in die Kreisstadt gekommen. Daran allein kann man ermessen, wie ernst die Justiz dieses Vergehen nimmt. Wenn öfter solche Straftaten vorkämen, sagte Backert, wäre die Handlungsfähigkeit der ganzen Justiz gefährdet. Die Reputation der deutschen Gerichte sei ein Garant für die gesamte Rechtsordnung und dürfe nicht beschädigt werden, betonte er.
Jugendtypisches Fehlverhalten
Im Einvernehmen mit der Jugendgerichtshilfe wies der Verteidiger, Rechtsanwalt Steffen Vogel, darauf hin, dass es sich bei der unbedachten Äußerung und dem naiven Glauben, dass die Freundin nichts weitersage, um ein jugendtypisches Fehlverhalten gehandelt habe. Dem schloss sich das Jugendschöffengericht an. Die Geldauflage bedeutet eine Jugendstrafe, wodurch die Verurteilte nicht als vorbestraft gilt. Die 2000 Euro muss sie bis 1. April 2013 an das Kinderheim St. Josef in Eltmann bezahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.