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Ein wichtiger Helfer im Alltag


Autor: Marian Hamacher

Haßfurt, Montag, 28. Dezember 2015

Der Schwerbehindertenausweis bringt Menschen wie Maria Watzka mit einem Handicap Erleichterungen. Die VdK-Kreisvorsitzende hat Erfahrungen mit dem Dokument, das im Landkreis Haßberge immer häufiger ausgestellt wird.
Maria Watzka (68) aus Zeil hat ihren Schwerbehindertenausweis bereits seit 35 Jahren. Fotos: Marian Hamacher


Es klingt nach großer Freiheit, dem Traum eines jeden Teenagers. Mit 16 Jahren einfach hinter das Lenkrad des elterlichen Wagens steigen und losbrausen. Für Maria Watzka war es ebenso real wie legal. Nichts Besonderes angesichts des begleitenden Fahrens ab 17? 1963 schon. Doch Watzkas Freiheit war begrenzt. "Ich durfte aber nur von der Wohnung meiner Eltern bis zur Arbeitsstelle fahren", erinnert sich die heute 68-Jährige. Auf ihre Sonderrolle hätte sie allerdings wohl gerne verzichtet und lieber wie die Freunde noch die Jahre gewartet, ehe der "Lappen" erworben werden darf.

Weil sie seit frühester Kindheit neben einer deformierten Hüfte auch mit anderen orthopädischen Problemen zu kämpfen hatte, war das Auto für die Zeilerin die einzige Möglichkeit, zu ihrer Ausbildungsstelle zu kommen. "Öffentliche Verkehrsmittel waren ja noch nicht so verbreitet", sagt Watzka, die beim Möbelhersteller Milewski bis zu dessen Insolvenz in der Verwaltung arbeitete. "Wenn ich saß, hatte ich keine Probleme. Nur laufen oder Fahrrad fahren fiel mir schwer", erklärt sie.

Dass es neben der vorgezogenen Fahrerlaubnis für Menschen mit einer Behinderung auch weitere Möglichkeiten gibt, eventuelle Nachteile auszugleichen, erfuhr sie erst durch Bekannte. 1979 trat sie schließlich dem Sozialverband VdK bei und ließ sich von diesem dabei helfen, als Schwerbehinderte anerkannt zu werden. "Das waren hohe Hürden, die zu überwinden waren", erinnert sie sich.

Der erste Antrag wurde noch abgelehnt, erst die Revision brachte Erfolg. "Das war schon eine große Erleichterung, als ich endlich den Schwerbehindertenausweis hatte", sagt Watzka, die aus Solidarität Mitglied beim VdK blieb und seit vergangenem Jahr als Kreisvorsitzende ehrenamtlich tätig ist. Fast ein Jahr habe es von der Anmeldung bis zum fertigen Dokument gedauert, erinnert sie sich.


Die Diagnose

Das gehe heute deutlich schneller, erklärt Monika DiLeuce. Die Geschäftsführerin des VdK-Kreisverbands Haßberge hat nicht nur mit Fragen zur Rente sowie Kranken- und Pflegekassen zu tun, sondern hilft auch bei Anträgen, eine Schwerbehinderung anerkennen zu lassen. "Weil wir den Antrag online bearbeiten, geht er noch am selben Tag raus", sagt die 61-Jährige. "Da hat man das Ergebnis dann ungefähr nach sechs bis acht Wochen", weiß die Expertin.

Die Betroffenen werden meist von ihrem Arzt zu Monika DiLeuce und ihren Mitarbeitern geschickt. Um einen Erstantrag zu stellen, müsse dann zusammengetragen werden, welche Diagnosen zuvor gestellt wurden und ob es stationäre Aufenthalte gab. "Außerdem ist es wichtig, die Mediziner von der Schweigepflicht zu entbinden", betont DiLeuce. Ansonsten könne kein medizinisches Gutachten erstellt werden.
Darum kümmert sich das "Zentrum Bayern Familie und Soziales" (ZBFS), das anschließend nach versorgungsmedizinischen Grundsätzen den Grad der Behinderung (GdB) bestimmt. Denn der ist ausschlaggebend dafür, welche Ausgleichsmöglichkeiten es gibt. Einzelne Behinderungen werden in Zehnerschritten bis 100 festgestellt. Gibt es mehrere Erkrankungen, wird ein Gesamt-GdB errechnet. Die einzelnen Grade dürfen allerdings nicht addiert werden.

Während ein Gleichstellungsantrag ab einem GdB von 30 und 40 Prozent möglich ist, ist ein Schwerbehindertenstatus bei 50 Prozent erreicht. "Dann erhält man unter anderem einen besonderen Kündigungsschutz, einen höheren Steuerfreibetrag oder sechs Tage mehr Urlaub", sagt DiLeuce.


Unbefristet

Obwohl Watzka inzwischen eine neue Hüfte erhalten hat und deutlich weniger Schmerzen verspürt, hat sie aufgrund ihrer anderen Erkrankungen weiterhin einen Gesamt-GdB von 60 Prozent. Inzwischen erhalten Patienten in diesen Fällen einen unbefristeten Ausweis. Die Zeilerin musste dagegen immer wieder zum Versorgungsamt nach Würzburg, um den Status überprüfen zu lassen. "Irgendwann kam dann plötzlich ein unbefristeter", erzählt sie.


Zwei Farben

Liegt eine Gehbehinderung vor, ist der kreditkartengroße Ausweis nicht nur grün, sondern zur Hälfte orangefarben. Was zur Folge hat, dass der Besitzer öffentliche Verkehrsmitteln unentgeltlich nutzen darf.
Vor 30 Jahren habe man teilweise gar nicht gewusst, dass eine Schwerbehinderung vorliegt, sagt Maria Watzka. Diese Hemmschwelle gebe es längst nicht mehr, fügt DiLeuce hinzu. Der VdK erlebe seit fünf Jahren einen stetigen Zuwachs. Innerhalb von drei Jahren steigerte sich die Mitgliederzahl von 5833 auf heuer 6268. "Zunehmend sind auch junge Leute dabei", so die Kreisgeschäftsführerin.

Doch nicht nur die VdK-Mitglieder werden immer mehr. Offenbar auch die Zahl an Schwerbehinderten. Insgesamt genau 1 167 206 Menschen bescheinigte ZBFS vergangenes Jahr im gesamten Freistaat einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder höher. Im Landkreis Haßberge waren es 8162 Personen. Noch vor fünf Jahren sahen die Zahlen deutlich anders aus. Damals hatten bayernweit exakt 1 102 160 Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Im Landkreis waren es 7486.

Was die Gründe für den stetigen Anstieg seien, werde durch das ZBFS nicht ermittelt, erklärt der ZBFS-Pressesprecher Michael Neuner: "Allgemein gilt, dass mit fortschreitendem Alter die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine Schwerbehinderung vorliegt und festgestellt wird." Zu beachten sei jedoch, dass der Trend, wie sich der Anteil schwerbehinderter Menschen an der Gesamtbevölkerung entwickele, auch von der Bevölkerungszahl selbst abhänge.

Doch während die Zahl von Menschen mit einer Schwerbehinderung im Landkreis jährlich zwischen 100 und 200 Betroffenen zunahm, wurden die Einwohner immer weniger. Aus den 2010 vom Landratsamt Haßberge gezählten 85 010 Einwohnern wurden im vergangenen Jahr schließlich 84 152. Zeitweise sah es sogar noch düsterer aus, doch im vergangenen Jahr wuchs die Bevölkerung im Landkreis Haßberge um 62 Menschen.