Ein Hilfstrupp für das Nagetier
Autor: Eckehard Kiesewetter
Ebern, Donnerstag, 15. März 2018
In Ebern findet erstmals ein Fach-Lehrgang für Naturschutzbeauftragte aus dem nordbayerischen Raum statt.
Ein Burgenweg der besonderen Art ist das. Er führt nicht die Berge der Haßberge empor; runter vielmehr ins Tal der Preppach, eines Nebenflusses der Baunach. Der Regen stört nicht die Bohne. Es geht ja um Wasserbewohner. Mit Gummistiefeln, Ölzeug, Kapuzenjacke und Schirm ist die Gruppe ausgerückt, um dem Nager auf den Zahn zu fühlen. Um die 30 Personen aus ganz Nordbayern, die sich dem Naturschutz verschrieben haben. 25 von ihnen sind auf dem besten Weg zu geprüften Biberberatern.
Die bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) führt einen einwöchigen Lehrgang durch, den zumeist Vertreter der Naturschutzbehörden gebucht haben. Auch ein Landrat ist dabei. Abschluss ist am Freitag mit einer mündlichen Prüfung. Und erstmals ist Ebern der Schauplatz.
Warum aber gerade Ebern? "Wir wollen die Randlagen ein bisschen fördern", sagt ANL-Vertreter Peter Sturm. Seine Behörde sitzt in Laufen (Oberbayern). Der Landkreis Haßberge sei "ein Gebiet, wo man nicht so leicht hinkommt". Zudem, betont der Diplom-Biologe, handele es sich um eine "für naturliebende Menschen reizvolle Gegend". Und um ein Dorado für den Biber? "Eine ganz normale Gegend", sagt Sturm, "gewiss kein Krisengebiet!"
Zur Ausbildung gehört jede Menge Theorie, doch an diesem Nachmittag geht's raus ins Freie, dorthin, wo die Biber sich in den vergangenen Jahren mächtig breitgemacht haben.
Bei Bibers zu Hause
35 Biberburgen gibt es allein im Dienstbezirk des Naturschutz-wächters Wolfgang Lappe, der im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Haßberge den Raum Ebern betreut. "Das dürften zurzeit so etwa 120 Biber sein", sagt der Fierster und stapft dem Tross von angehenden Biberberatern mit großen Schritten entschlossen voran. Immer wieder das satte Schmatzen vollgesogener Wiesen unter seinen Stiefeln. Anhand von Weihern bei Ruppach, einer Staustelle an der Preppach unweit des städtischen Brunnens "Pöppelsmühle" oder anhand der Teichanlagen bei Vorbach zeigt er, wie der Biber seine Dämme und Burgen (so heißen die Hauptbauten) errichtet, wie Rückstaus und Überflutungen entstehen und dass Biberröhren ganze Dämme unterhöhlen können.
Vor allem aber erklären er, Peter Sturm und Horst Schwemmer, als Bibermanager des Bundes Naturschutz für den Bereich Nordbayern zuständig, mit welchen Mitteln sich Biberschäden vermeiden lassen und wie Konflikten vorgebaut werden kann. "Es geht darum, was man tun kann, um Interessenskonflikten vorzubeugen. "Prophylaxe" ist das Schlüsselwort. Und dafür ist das Fachwissen der Biberberater unerlässlich.
Prophylaxe ist angesagt
Biber sind heute streng geschützt, nachdem sie in Bayern für über 100 Jahre als ausgestorben galten. Etwa seit der Jahrtausendwende breiten sie sich in der Region wieder aus. Weil der Mensch die Gewässerlandschaft zwischenzeitlich für seine Bedingungen gravierend verändert hat, kommt es immer wieder zu Konflikten. "An größeren Gewässern macht so eine Biberburg keine Probleme", sagt Peter Sturm, "die entstehen erst an den Nebengewässern." Solche Konflikte sucht die Naturschutzwacht durch ein effektives Bibermanagement zu lösen.
Behörde am Landratsamt
Zuständig für den rechtlichen Vollzug des Artenschutzes ist die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt. Sie baut auf ehrenamtlich tätige Biberberater, wie Wolfgang Lappe. 60 Biberburgen waren bei der letzten Kartierung im Landkreis Haßberge gezählt worden. "Das sind Daten aus dem Jahr 2016", sagt Winfried Seufert, stellvertretender Leiter der Abteilung Umwelt und Natur am Landratsamt, "inzwischen dürften es so um die 80 sein".Wolfgang Lappe gar schätzt, es seien "an die 100". Viel mehr dürften es wohl nicht werden, denn die Masse der optimalen Biberlebensräume in der Region sei inzwischen besetzt. An den Stellen, zu denen der Biberberater seine künftigen Kollegen führt, stoßen menschliche Nutzung und die neuen Biberreviere unmittelbar zusammen. "Holla, da gibt es einiges zu tun", bemerkt ein Teilnehmer mit Oberpfälzer Dialekt und pfeift anerkennend durch die Zähne. Doch auch dort lassen sich passgenaue Lösungen finden: Drahthosen für die Obstbäume oder die Mönche von Teichen etwa. Gitter oder große Steinbrocken vereiteln das Unterminieren von Wegen oder Feldern. In manchen Fällen hilft auch das Entfernen störender Dämme. Sogenannte Pendelscheuchen verhindern, dass der Biber sein Bauwerk über Nacht erneuert. Von Elektrozäumen hält Wolfgang Lappe nicht so viel. "Die helfen nur für eine bestimmte Zeit".
Alle Probleme gelöst
Der einstige Berufssoldat gesteht ein, dass er als Bibermanager manchmal spontan schwierige Entscheidungen zu treffen habe. Aber bisher sei noch immer eine gute Lösung gefunden worden. Das gelte auch für Fälle wie in Albersdorf, Pfarrweisach oder Breitbrunn, wo es zunächst Proteste der Betroffenen gab. Lappes Fazit: "Dort, wo der Biber lebt, ist die Welt noch in Ordnung."In dem Lehrgang der bayerischen Akademie in Ebern, der ratzfatz ausgebucht war, werden Kenntnisse im Wildtier- und speziell im Bibermanagement, rechtliche Belange, dazu die Grundlagen der Kommunikation vermittelt. Denn oft kommt es darauf an, im Gespräch mit empörten Partnern den richtigen Ton zu finden. Dafür gibt es Kommunikationsübungen und Rollenspiele. Das Spektrum der Vorträge reicht vom Wissen über den Artenschutz bis zum Kennenlernen von Instrumentarien oder Fonds für den Ausgleich von Biberschäden. Der fachliche Teil umfasst die Biologie des Bibers, die Möglichkeiten der Schadensprävention, aber auch Wissen über die Bibererfassung. Auch der Biberfang in Fallen oder, als Extrem, der Abschuss werden angesprochen.
Die Veranstaltung schließt am mit der mündlichen Prüfung. Der wird sich unter anderem auch Katharina Kupfer von der Naturschutzbehörde am Landratsamt Haßberge stellen. Vor den Fragen ist ihr nicht bange. "Bei mir ist das Wissen von der Ausbildung noch ziemlich frisch", sagt sie, "das wird bestimmt nicht schlimm."
Die Rückkehr eines Totgeweihten
Seine Beinahe-Ausrottung verdankte der Biber dem sogenannten "Bibergeil", einem Sekret, mit dem er sein Revier markiert und sein Fell pflegt. Bis ins 19. Jahrhundert wurde dem Bibergeil medizinische Wirkung nachgesagt. Und so war das Einreibemittel einer der Hauptgründe für die Biberjagd. Restpopulationen haben an der Elbe überlebt, erzählt Biberberater Wolfgang Lappe. Diese Bestände seien intensivst untersucht worden, weshalb man heute viel über den reinen Pflanzenfresser weiß. DDR-Staatschef Erich Honecker habe einst einige Biber nach Hessen verschenkt und so konnten sich die Populationen aus zwei Richtungen langsam wieder in unsere Region ausbreiten. 2002 hat Lappe die erste Biberburg in seinem Dienstbereich entdeckt. Heute gibt es dort mindestens 35.
Der Biber im Kreuzfeuer
Naturschützer zählen Biber zu ihren wichtigsten Verbündeten, da sie durch Stauen, Bauen und Fällen neue Biotope für bedrohte Arten schaffen. Zudem halten sie Wasser in der Fläche. Dies dient der Grundwasseranreicherung und vergrößere die Fläche, über die eine Verdunstung stattfinden kann.Aber der Biber hat nicht nur Freunde. Laut Bayerischem Bauernverband hinterlässt er vielerorts Schäden in Mais- und Getreidebeständen, sorgt für überschwemmte Acker- und Wiesenflächen. Immer wieder brechen Traktoren ein, weil der Biber Wiesen, Äcker und Wege unterhöhlt.
Viele Probleme lassen sich vermeiden, kontern die Naturschützer, indem ein 20 Meter breiter Streifen entlang von Flüssen, Bächen und Seen nicht genutzt wird - was für den Trink- und Hochwasserschutz ohnehin angebracht wäre. Alle Bundesländer bis auf Bayern hätten bereits derartige Schutzzonen gesetzlich verankert.
Für größere Schäden in der Land-, Forst- und Teichwirtschaft gibt es seit 2008 einen freiwilligen Ausgleichsfonds des Freistaates.
Ansprechstelle für die Bevölkerung ist die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Haßberge in Haßfurt.