Film-Doku: Ein Grab, das dem Enkel keine Ruhe lässt
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Freitag, 08. April 2016
Der aus Ebern stammende Udo Pörschke hat den Weg seines Großvaters Martin Welz in die Kriegsgefangenschaft und die Heimkehr nachgezeichnet.
Nach 55 Minuten herrscht zunächst lang Schweigen. Der eben gezeigte Film sorgt für Betroffenheit. Das Schicksal des Kriegsgefangenen Martin Welz hinterlässt Spuren. Nicht in nur in seinem Tagebuch, dessen Studium seinen Enkel Udo Pörschke dazu brachte, Nachforschungen über das Leid, das sein Opa und mit ihm Millionen anderer Landser und Vertriebener ertrugen, anzustellen. "Unglaublich, was der Mensch alles aushält", urteilen zwei Frauen nach der Filmvorführung. Eine Heubacherin fand die "Dokumentation in sich sehr stimmig", was bei ihr zu dem Ein druck führte: "Das kommt sehr tief bei einem an."
Der Film, der auf Einladung von Bürgerverein und Fränkischem Tag am Mittwochabend in den Frankenstuben vor 35 Zuschauern gezeigt wurde, begann und endet mit einer Sequenz auf dem Eberner Friedhof. Am Grab von Martin Welz. Darauf sprießt ein Efeu, der aus Polen stammt. Ein Zeichen der Versöhnung. Udo Pörschke hat den Efeu von einem Zeitzeugen bekommen, der das Arbeitslager, wo sein Großvater während der Gefangenschaft schuften musste, kannte. "Pflanzen Sie ihn auf das Grab Ihres Großvaters", hatte ihm der 90-jährige Interview-Partner Pavel aus Zabrze geheißen.
Ein Tabu-Thema aufgegriffen
Pavel ist einer von vielen Zeitzeugen, die im Film zu Wort kommen, und meist zum ersten Mal vor laufender Kamera über ihr Schicksal berichten. Die Filmdokumentation geriet so zu einem Zeitzeugnis, das die schweren Jahre von Martin Welz zwischen 1945 und 1949 weder glorifiziert, noch abrechnet, aber ein Thema aufgreift, über "das kaum geredet wird", wie Udo Pörschke feststellte. Auch von seinem Großvater nicht. "In unserer Familie wurde nie darüber gesprochen", über die Tage, Monate und Jahre, ehe Welz mit 39 Kilo wieder vor der Tür stand und auf die schlesische Familie traf, die zunächst in Weiden, später in Ebern eine neue Heimat fand. Pörschke: "Es ist schwierig, Deutsche als Opfer darzustellen, und der Film ist keineswegs als Abrechnung gedacht. Er ist die Warnung an junge Menschen, was Krieg allen Menschen antut. Das soll im Gedächtnis erhalten bleiben, sonst wären diese mahnenden Erlebnisse verloren gegangen." Die unausgesprochene Mahnung der Zeitzeugen, die nur ihre Erlebnisse schildern, blieben der Nachwelt erhalten, als Film, als Video-DVD. Bald auch als Buch, da Pörschke die Anfrage eines Frankfurter Verlages ereilte, seine Recherchen auf dem 3000 Kilometer langen Kriegsgefangenen-Zug des Radar-Obergefreiten von Alt Madlitz über den Landser im Kessel von Halbe, Gut Kammersdorf bis ins Gefangenenlager Trebbin und der Kohlegrube Zabrze in einem Buch aufzuschreiben.
Und Pörschke, der als Pädagoge (Geschichtslehrer) in Ungarn lebt, spannte bei der Vorführung in den Frankenstuben auch einen Bogen in die Gegenwart. "In 30, 40 Jahren kann man einen ähnlichen Film über das Schicksal von Familien aus Syrien drehen." Und noch einen Bezug zum aktuellen Geschehen stellte der Autor her: "Ich hätte nie gedacht, dass in Deutschland wieder so ein rechte Stimmung aufkommt", sagte er und distanzierte sich von solchem Gedankengut, stets darauf hinweisend, dass sein Film nicht aus revanchistischem Antrieb entstanden sei. "Ich hatte so viele drängende Fragen an meinen Großvater , aber als sie ich ihm stellen wollte, war er schon zu dement. Und mit seinem Tod war das Thema zunächst gestorben. Erst als mir mit dem Tod meines Vaters Kurt Pörschke das Tagebuch meines Großvaters in die Hände fiel, tauchten die Fragen wieder auf und die Antworten habe ich auf der 3000 Kilometer langen Spurenreise erhalten. Es war zunächst eine ganz persönliche Sache, aber ich habe schnell gemerkt, dass sich die Geschichte meiner Familie millionenfach wiederholt hat, aber selten darüber geredet wird."
Der Film wurde zusammen mit Karl Hertel aus Gerach und Jorin Grundler aus Marktheidenfeld, Pörschkes einstigem Schüler, durch ein ausgefeiltes Drehbuch und technisch perfekt umgesetzt. Eine fernsehreife Dokumentation.