Ein Dorf unter Hochspannung
Autor: Klaus Schmitt
Wonfurt, Montag, 03. Oktober 2016
Drei Jahre lag die Auseinandersetzung um die Recyclingfirma Loacker wie ein Damoklesschwert über Wonfurt im Landkreis Haßberge.
Einen schwierigeren Start in eine Karriere als Bürgermeister kann man sich kaum vorstellen: Als der Streit um die Recyclingfirma Loacker auf dem Höhepunkt war, wurde Holger Baunacher (Junge Liste) mit damals 36 Jahren zum Bürgermeister von Wonfurt im Kreis Haßberge gewählt. Sein Vorgänger Dieter Zehendner (CSU) hatte aus gesundheitlichen Gründen das Amt aufgeben müssen. Die Kontroverse um die umstrittene Firma hatte ihren Teil dazu beigetragen, dass Zehendners Gesundheit litt. Es ging nicht mehr. Jetzt kam der Neue.
Wie kann sich der Holger Baunacher das antun, in einer solchen Situation Bürgermeister werden zu wollen?, fragten sich viele. Er hatte den Mut, das Problem anzugehen, und die Zuversicht, dass es gelöst werden kann. Schon am Tag nach seiner Wahl im Februar 2013 war er in Sachen Loacker unterwegs. Zwei Jahre später: Das Problem wurde gelöst.
Mehrere Jahre schwelte der Konflikt um die Firma Loacker im Wonfurter Gewerbe- und Industriegebiet, die am Ortsausgang Richtung Haßfurt liegt. Anfang 2012 war das Problem öffentlich geworden. Bürger in Wonfurt beschwerten sich massiv, dass Staub, der offenbar mit Schadstoffen belastet ist, aus der Produktion der Recyclingfirma in die Umgebung gelangt sei. Die Wonfurter befürchteten gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Der Betrieb Loacker recycelte bis dahin Elektronik- und Kabelschrott. Mehrmals ist es im Betrieb zu kleineren Bränden gekommen, die das Problem verschärft haben.
Nach den Bürgerprotesten gab es Messungen, die den Verdacht der schädlichen Emissionen zumindest teilweise bestätigt haben. Das Landratsamt Haßberge in Haßfurt als Aufsichtsbehörde legte die Produktion still, kurz danach hob das Verwaltungsgericht Würzburg die Anordnung aus Haßfurt auf. Die Produktion ging weiter, aber nur eingeschränkt. Elektronikschrott wurde nicht mehr aufgearbeitet, Kabelschrott jedoch weiterhin. Die Firma selbst bemühte sich um Verbesserungen im technischen Ablauf, die die Kritiker indes als unzureichend bezeichneten.
Es gab weitere Messungen, die teils unterschiedlich interpretiert wurden. Die Bürgerinitiative "Lebenswertes Wonfurt", die sich zwischenzeitlich gebildet hatte, organisierte Protestkundgebungen. Politiker aller Parteien sahen sich vor Ort um. Lösungsvorschläge wurden diskutiert. Wichtigster Ansatz: Der Betrieb, der zu einem großen Teil vor allem in der oberen Hälfte der Gebäude offen war, muss eingehaust werden.
Mediation
Um die Auseinandersetzung endgültig aus der Welt zu schaffen, entschieden sich die Konfliktparteien zu einem Mediationsverfahren. Daran beteiligt waren das Landratsamt Haßberge, die Firma Loacker, die Gemeinde Wonfurt, die Bürgerinitiative und der Mediator vom Verwaltungsgericht in Ansbach.Das Mediationsverfahren lief ab Herbst 2013 hinter verschlossenen Türen. Es war erfolgreich, weil "jeder Zugeständnisse gemacht hat" und ein "sehr guter Mediationsrichter" geschickt agierte, wie sich der Bürgermeister erinnert. Am Ende stand eine Gütevereinbarung, die alle Beteiligten billigten. Jetzt kam es darauf an, die Vereinbarung umzusetzen. Die Firma Loacker stellte einen Antrag auf bauliche und technische Verbesserung, den das Landratsamt in einem Bescheid im Juni 2014 genehmigt hat. Ab August wurde mit Millionenaufwand gebaut. Das entscheidend Neue ist: Die Recycling-Produktion wurde eingehaust. Die rund 4000 Quadratmeter große Halle ist nicht mehr offen. Per Unterdruck und über Filteranlagen wird die Luft ständig abgesaugt. In der Stunde findet ein 4,8-facher Luftwechsel statt.
Am Ende des Produktionsprozesses stehen Kupfer, Kunststoff und der in den Filtern aufgefangene Staub. Es ist ein geschlossenes System geworden. Und offenbar dringt so gut wie nichts mehr nach draußen. Es würden keine Grenzwerte überschritten, versichert der Bürgermeister heute. Inzwischen sei "eine sehr, sehr positive Entwicklung" eingetreten, sagt er.
Holger Baunacher hält das Recycling im Allgemeinen und die Arbeit der Firma Loacker in der heutigen Zeit für sehr wichtig. Auf diese Weise könnten Rohstoffe wiedergewonnen werden, die sonst an anderen Orten der Welt mit viel Aufwand und wohl auch mit Belastungen für die Umwelt aus der Erde geholt werden müssen. Baunacher glaubt sogar, dass das Verfahren in Wonfurt Maßstäbe gesetzt habe und andere Firmen oder Kommunen von den Wonfurter Erfahrungen lernen könnten.