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Dörflicher Psychoterror?


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Samstag, 24. Januar 2015

Ein 33-Jähriger soll ohne Führerschein Auto gefahren sein. Zeugen sagen, er sei zum Tatzeitpunkt in einer ganz anderen Stadt gewesen, und vermuten persönliche Streitigkeiten hinter der Anzeige.
Das Amtsgericht in Haßfurt Foto: Günter Flegel/Archiv


Im Gegensatz zur Anonymität einer Großstadt kennt in einem kleinen Dorf jeder jeden. Dieses soziale Miteinander hat unbestreitbare Vorteile - aber mitunter schafft das auch böses Blut.

Ein 33-jähriger Mann, den man angezeigt hatte, weil er angeblich ohne gültigen Führerschein am Steuer saß, fühlt sich als Opfer des "dörflichen Psychoterrors". Hinter der Anzeige einer Dorfbewohnerin vermutet er einen Racheakt. Nachdem sich die wichtigste Zeugin - eben die Anzeigenerstatterin - wegen einer plötzlichen Erkrankung kurzfristig entschuldigt hatte, wird der Prozess am Amtsgericht in Haßfurt Anfang Februar fortgesetzt.
In der Verhandlung ging es darum, ob der Angeklagte am 6. Juni des vergangenen Jahres abends um viertel Zehn mit seinem Ford durch sein heimatliches Dorf im Steigerwald fuhr. Die Augenzeugin fehlte zwar, aber ein 60-jähriger Nachbar war ebenfalls als Zeuge geladen.



Dieser erklärte, den Beschuldigten mehrfach - unter anderem auf der Dorfstraße - hinterm Lenkrad gesehen zu haben. Wann das genau gewesen war, daran konnte er sich aber nicht erinnern.

Als Entlastungszeugen traten die Mutter und die von dem angeklagten Kraftfahrer getrennt lebende Ehefrau in den Zeugenstand. Die Mutter sagte, dass ihr Sohn nie selber gefahren sei, vielmehr habe sie ihn des Öfteren weggefahren, wenn er wohin musste. An dem besagten Tag habe sie ihn in einen Ort bei Schweinfurt gefahren. Dort seien sie kurz vor 21 Uhr angekommen und der Angeklagte sei in einen Lastwagen als Beifahrer eingestiegen.

Zu diesem Zeitpunkt war der Mann noch mit seiner 28-jährigen Frau zusammen, die diesen Lkw gesteuert haben will. Gemeinsam, behauptete die Noch-Ehefrau, seien sie dann zum Trucker-Treffen nach Geiselwind gefahren und hätten dort das gesamte Wochenende verbracht. Sie nimmt an, dass eine persönliche Streitigkeit das Motiv für die Anzeige ist. Für den verteidiger, Rechtsanwalt Bernhard Langer, handelt es sich damit um ein wasserdichtes Alibi, das die Unschuld seines Mandanten beweise.

Anklagevertreter Ilker Özalp hielt sich dagegen bedeckt. Solange er die Hauptbelastungszeugin nicht gehört habe, sei für ihn das Alibi "nicht in Stein gemeißelt", unterstrich er.
Daraufhin unterbrach die Amtsrichterin Ilona Conver die Sitzung und ordnete einen Fortsetzungstermin für den 2. Februar um 14.30 Uhr an.

Die gestrigen Zeugen brauchen nicht nochmals zu erscheinen, aber diejenige, die mit ihrer Anzeige alles ins Rollen brachte, wird erneut als Zeugin geladen. Auch vor Gericht gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.