Dieses Läuten war ein Freudenläuten
Autor: Brigitte Krause
Haßfurt, Sonntag, 26. März 2017
Mit Erleichterung nahmen Pfarrerin Doris Otminghaus und viele Flüchtlingshelfer die Nachricht auf, dass die Ermittlungen zum Kirchenasyl eingestellt sind.
Die Freude über die Einstellungen der Ermittlungen gegen die Theologin war mit Händen zu greifen: Beim Treffen "Solidarität zeigen - 5 vor 12" schwenkten die Menschen lächelnd ihre Wecker und Handy-Wecker. Die Zusammenkunft zum 12-Uhr-Mittagsläuten hatte der Freundeskreis Asyl Knetzgau schon am letzten Samstag spontan als Solidaritätszeichen für die Haßfurter Pfarrerin Doris Otminghaus organisiert.
In stillem Gebet
Die Anwesenden, Flüchtlingshelfer aus allen Ecken des Landkreises, nutzten das Geläute der Kirchen nun zu einem Gebet für alle Pfarrer, die Kirchenasyl gewähren und gegen die die Staatsanwalt ermittelt sowie für alle Flüchtlinge. Die Solidaritätskundgebung soll, wie die Anwesenden am Samstag vor der Christuskirche spontan ausdrückten, weiter laufen.Die Staatsanwaltschaft Bamberg hatte gegen Otminghaus wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" in neun Fällen ermittelt, weil sie in ihrer Kirchengemeinde Kirchenasyl gewährt. Vier junge Männer leben aktuell im Pfarrhaus. Sie sind von Abschiebung in ihre Heimatländer bedroht oder sollen auf Grundlage des Dublin-Verfahrens in andere EU-Staaten ausgewiesen werden.
Mitteilung der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft teilte am Freitag mit, dass man "nach umfassender sachlicher und rechtlicher Prüfung" des Einzelfalles, "insbesondere der genauen Umstände des Handelns der Pfarrerin und ihrer Motivation" von einer weiteren Strafverfolgung absehe - "trotz der bestehenden Strafbarkeit des Verhaltens der Pfarrerin im Zusammenhang mit der Gewährung des so genannten Kirchenasyls". Die Schuld sei im vorliegenden Fall "als gering anzusehen", deswegen bestehe kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Die Justizbehörde hatte betont, dass sie wegen des Legalitätsprinzips Ermittlungen aufnehmen musste. All diese Hintergründe wurden bei dem Treffen angesprochen, und Pfarrerin Otminghaus berichtete aus kirchlichen Treffen, dass die Ermittlungen auch rückwirkend aufgenommen werden, somit weitere Pfarrer betroffen sein könnten. Es handle sich rein rechtlich um eine Straftat, auch wenn es zum Kirchenasyl eine Vereinbarung mit den Behörden gebe.
Die Pfarrerin beschrieb, dass sie natürlich nun sehr erleichtert sei: "Strafverfolgung ist eben Strafverfolgung". Der Druck kam von mehreren Seiten, denn nach wie vor erhält sie böse Mails mit Kritik an ihrem Einsatz für die Flüchtlinge. Oft unter der Gürtellinie ("der Mob läuft auf"). Was ihr da richtig gut tat in den letzten Tagen sei die hohe Solidarität, die sie erfuhr: "Es haben selbst Klöster für uns gebetet." Ganz offenbar richteten sich aber auch viele Menschen direkt an die Landeskirche, um mehr Rückendeckung für die Pfarrer einzufordern.
Um Mut zuzusprechen war als Redner nach dem Mittagsläuten Bürgermeister Stefan Paulus (Knetzgau) eingeladen, der betonte, wie wichtig es sei, dass Menschen ihren Unmut kundtun, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas in ihrem Land schief läuft. Umsomehr, wo es sich um menschliche Schicksale handle. Man dürfe das Feld nicht dem rechten Rand überlassen, vieles werde zur Integration getan in den Gemeinden, "wir brauchen jetzt Mutmacher". Überhaupt im Blick auf die sich anbahnende Hungerkatastrophe in Afrika sagte Paulus, wie wichtig es sei, dass der reiche Westen etwas abgebe.
"Wir können etwas abgeben"
Es sei ein Glück, "dass wir in Europa in einem freien Land leben dürfen, von diesem Glück können wir durchaus etwas abgeben". Paulus schloss mit einem Wunsch an die, um die es eigentlich geht: "Alles Gute unseren Flüchtlingen, die hier sind: Sie sind bei uns willkommen." Darauf erhielt er einen sehr langen und innigen Beifall.Unter den Anwesenden vor der Christuskirche hielt mancher mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Erich Hess: Das Haßfurter SPD-Urgestein erzählte, als er von den Ermittlungen gehört habe, sei sein erster Gedanke gewesen: "So etwas darfs ja fast nicht geben!" Schließlich versuche die Kirche ja nur in Härtefällen, Hilfestellung zu geben. Hess freute sich: "Vor einer Woche war es ein Mahnläuten, heute ist es ein Freudenläuten."
Karin Kraus: Ähnliche Gefühle wie Hess hatte Karin Kraus, die über den Freundeskreis Asyl in Eschenau eine afghanische Familie mitbetreut: Dass überhaupt Ermittlungen aufgenommen werden, empfand sie als "Sauerei", als einen "Schlag ins Gesicht für jeden, der sich ehrenamtlich um die Flüchtlinge kümmert".
Dagmar Schnös: vom Freundeskreis Asyl Knetzgau berichtete von der Unruhe, die vor eineinhalb Wochen mit der Nachricht, es gebe Ermittlungen, in den Kreis der Helfer gefahren sei. Man habe selbst bisher so viel geholfen, jetzt helfe jemand mit Kirchenasyl und wird bestraft - diese Gedanken seien Grundmotivation gewesen, um in einer Hauruck-Aktion die Solidaritätskundgebung zu organisieren, "weil wir so aufgewühlt waren!" Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft empfinde sie als unverhältnismäßig. Es koste so viel Kraft, den Flüchtlingen zu helfen, jetzt drohe auch noch Strafe, das habe die Einzelkämpfer vor Ort zusammengebracht. Das Treffen empfinde man als eine Stärkung des Miteinanders.