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Die schlimmste Nacht ihres Lebens


Autor: Katja Müller

Haßfurt, Donnerstag, 11. Oktober 2012

Die Konsequenzen reichen weiter als der Fahrweg: Weil eine Frau mit ihrem Wohnmobil beim Weinfest 200 Meter betrunken durch Zeil fuhr, hat sie das Amtsgericht Haßfurt zu einer Geldstrafe und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.


Der Besuch des Zeiler Weinfestes hatte für eine Coburgerin schwere Folgen: Der Amtsrichter Roland Wiltschka verurteilte die 64-Jährige wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einem Fahrverbot von drei Monaten und einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je dreißig Euro. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Vor Gericht in Haßfurt schilderte die Pensionärin die Nacht des 4. August als die schlimmste Nacht in ihrem Leben. Zusammen mit ihrem behinderten Lebensgefährten war die Coburgerin mit dem Wohnmobil zum Zeiler Weinfest gefahren. Dort trank sie sich bis 22 Uhr immerhin 1,24 Promille an und zog sich dann mit ihrem Mann in das Wohnmobil zurück.

Randale vor dem Wohnmobil


Da die Frau nicht ortskundig war, hatte sie das Fahrzeug in der Nähe des Festbereichs geparkt. Der Stellplatz erwies sich als schlechte Wahl. Gegen 22 Uhr, als das Paar schon in den Betten lag, begannen Jugendliche vor dem Wohnmobil zu randalieren. "Die grölten und schlugen an die Scheibe. Sie hörten auch nicht auf, nachdem ich sie gebeten hatte, leiser zu sein", erzählte die 64-Jährige vor Gericht.

Für die Frau steigerte sich der Lärm ins Unerträgliche. Sie habe sich vor allem Sorgen um ihren Lebensgefährten gemacht, schilderte die Angeklagte.

Darum entschloss sie sich zu einem folgenschweren Schritt: Sie setzte sich angetrunken hinter das Steuer, um das Fahrzeug umzuparken und damit dem Radau zu entkommen.Unglücklicherweise blieb sie bei dem Manöver in der Nähe der Stadtmauer nach 200 Metern an einem Gebäudedach hängen. Dabei entstand ein Sachschaden von 800 Euro, den die Polizei vor Ort aufnahm.

Ohne Führerschein keine Therapie


"Wir müssen feststellen, ob sie zum Führen von Kraftfahrzeugen charakterlich geeignet sind", erklärte Richter Wiltschka der Angeklagten. Die betonte immer wieder, dass sie keinesfalls ihren Führerschein verlieren wolle. "Ich muss meinen Lebensgefährten täglich zur Therapie fahren. Dafür gibt es keine andere Lösung", sagte sie verzweifelt. Das sah Richter Roland Wiltschka anders.

Er folgte der Empfehlung des Staatsanwaltes Dieter Brunner und verurteilte die Fahrerin zu einem Fahrverbot von drei Monaten. "Eigentlich müsste ich ihnen den Führerschein entziehen. Das Urteil ist ein sehr großes Entgegenkommen. Das habe ich seit zehn oder 15 Jahren nicht mehr gemacht", sagte der Amtsrichter. Eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs würde normalerweise mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren sowie Führerscheinentzug geahndet, führte er aus.

Betrug bei der Krankenkasse


Die milde Strafe sei möglich, da bei der Tat "außergewöhnliche Umstände" herrschten. "Sie sind nur eine sehr kurze Strecke gefahren und wollten aus der Schusslinie", hielt Wiltschka der Angeklagten zu Gute. Zu ihren Lasten fiel, dass die Frau bereits zwei Einträge im Bundeszentralregister hat. 2008 wurde sie wegen Diebstahls und 2010 wegen Betrugs in 17 Fällen vor dem Amtsgericht Coburg verurteilt. Im Betrugsfall hatte die Angeklagte für die Pflege ihres Partners gefälschte Belege bei der Krankenkasse eingereicht. So bekam sie für ihn Geld, das ihm nicht zustand.

Die Freude der Angeklagten über das milde Urteil hielt sich in Grenzen. "Kann ich meinen Führerschein nicht behalten?", fragte sie mehrfach nach. Sie konnte nicht. Ihren Lebensgefährten wird die kommenden drei Monate ein Fahrdienst zur Therapie bringen müssen.