Druckartikel: Die Menschlichkeit und das Gesetz in Haßfurt

Die Menschlichkeit und das Gesetz in Haßfurt


Autor: Manfred Wagner

LKR Haßberge, Freitag, 30. August 2013

Am Haßfurter Amtsgericht hat der Strafrichter Roland Wiltschka seine letzte Verhandlung geführt. Ende des Jahres geht er in den Ruhestand, jetzt feiert er freie Tage und den Urlaub ab. Den "großen Hammer" nutzte er selten.
Ganz entspannt im Hier und Jetzt - auf der Veranda seines gemütlichen Holzhauses lässt es der Haßfurter Amtsrichter Roland Wiltschka zukünftig ruhig angehen. Im Gespräch mit der unserer Zeitung plauderte der Jurist, der in den Ruhestzand geht, aus dem Nähkästchen.  Foto: mw


Wer an das Amtsgericht in Haßfurt denkt, denkt an Roland Wiltschka. Wie kein Zweiter hat er als markante Persönlichkeit diese Behörde geprägt. Seit 23 Jahren hat der Strafrichter bei 8000 Verfahren im Namen des Volkes die Urteile gefällt.

Ab sofort nimmt der 60-jährige Jurist nicht mehr auf dem Richterstuhl Platz, denn: Das restliche Jahr hat er aufgrund Urlaub und Mehrarbeitszeiten frei, und am 1. Januar 2014 geht er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Im Gespräch blickte der stellvertretende Direktor des Haßfurter Amts auf die lange Zeit zurück.

Der Mensch auf der Anklagebank

"Ich habe immer den Menschen auf der Anklagebank gesehen", betont Roland Wiltschka. Schließlich hat jeder einzelne Angeklagte seine Motive und Beweggründe, die es zu würdigen gilt.

Zur Vorbereitung ist die Akte wichtig, aber entscheidend ist stets nur das, was in der Hauptverhandlung zur Sprache kommt. "Da gab es immer wieder faustdicke Überraschungen", stellt der Richter fest.

Bei der Frage nach spektakulären Fällen weist der Jurist darauf hin, dass am Amtsgericht (im Gegensatz zum Schwurgericht) keine Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag verhandelt werden. Von daher sei es öfter mal nicht nur "bierernst" zugegangen, und er habe eher selten "mit dem großen Hammer" zuschlagen müssen.

Er kannte seine Pappenheimer

Natürlich kannte er im Laufe der Zeit seine Schlawiner, die immer wieder irgendwas ausfressen. Aber etwa drei Viertel aller Straftäter stehen in ihrem Leben nur ein einziges Mal vor Gericht - und erleben das als einschneidendes Ereignis. Von daher dürfe Rechtsprechung nie in reine Routinetätigkeit ausarten, erklärt der im Rentweinsdörfer Ortsteil Lind wohnende Wiltschka. Und fügt hinzu: "Jeder Mensch verdient es, wichtig genommen zu werden."

Doch wie verhält es sich, wenn der Richter den Angeklagten persönlich kennt? Etwa ein Dutzend Mal, schildert der Rentweinsdörfer, sei das vorgekommen. Zuletzt war das der Fall, als der dortige Bürgermeister Willi Sendelbeck - der wie Wiltschka der Jägerzunft angehört - angeklagt war. In solchen Situationen hat sich der Richter, der keinem Verein und keiner Partei angehört, stets als befangen erklärt und das Verfahren an einen Kollegen abgegeben.

Betreuungsrichter vor Ort

Der passionierte Jäger hat nicht bloß Strafverfahren geleitet, sondern war zudem - von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - Betreuungsrichter. Dass es sich da um eine sehr zeitaufwändige Aufgabe handelt, erläutert er an einem Beispiel. Wenn in einem Heim Bettgitter angebracht werden, gilt das als freiheitsentziehende Maßnahme. Die muss vorher richterlich genehmigt werden. Dafür muss sich der Betreuungsrichter vor Ort ein Bild machen und mit allen Beteiligten sprechen.

Dem Richter ist es ein Bedürfnis, den vielen Menschen zu danken, mit denen er beruflich zu tun hatte: dem Dienstvorgesetzen, dem Präsidenten des Bamberger Landgerichts; aber auch den Mitarbeitern im Amtsgericht sowie Schöffen, Staats- und Rechtsanwälten, Polizisten, Betreuungsstelle und Ausländerbehörde am Landratsamt sowie den Leitungen in den Alten- und Pflegeheimen.

Das war schon ein Hammer

Als die Sprache allerdings darauf kommt, unter welchen Umständen die Zweigstelle des Amtsgerichts in Ebern 2005 aufgelöst wurde, nimmt der gebürtige Ebener kein Blatt vor den Mund. Etwa zwei Jahre vorher, schildert er, immer noch verärgert, habe der damalige bayerische Justizminister eine Bestandsgarantie für das Amt abgegeben. Frei nach dem Motto "Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?" war dieses Wort kurz darauf nichts mehr wert.

Nun hätte der verheiratete Vater eines 23-jährigen Sohnes selber Zeit, sich politisch zu engagieren. Doch da winkt er ab. Jetzt sind die Hobbys dran: auf die Jagd gehen, Lesen, Klavier und Gitarre spielen, Haus und Garten in Ordnung halten, ins Kino gehen, Kurzreisen mit der Ehefrau unternehmen und alte Kontakte pflegen. Vielleicht, fügt er schmunzelnd hinzu, lebt sogar eine alte Leidenschaft wieder auf: Regelmäßig mit Freunden einen Schafkopf klopfen.