Die Lese-Insel der Glückseligkeit
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Freitag, 02. Sept. 2016
Aus kleinen Anfängen hat sich in Eberns Kapellenstraße eine beliebte Buchhandlung zum Kulturzentrum entwickelt.
Dafür gibt es noch kein Nachschlagewerk: Wie führe ich eine kleine Buchhandlung auf dem Land zum Erfolg? Ein Patentrezept kennt auch Ursula Gräbe nicht. Aber sie hat es geschafft. Vor 14 Jahren eröffnete sie in der Kapellenstraße ihre "Leseinsel", die sich mittlerweile zur Insel der Glückseligkeit für Bücherwürmer aus dem Altlandkreis Ebern entwickelte.
In zwei Wochen erhält der schnuckelige Buchladen, der ob der Nachfrage zwischenzeitlich schon erweitert werden musste, das Gütesiegel des Deutschen Buchhandels 2016/2017. Dazu kommt der Kultus-Staatssekretär Georg Eisenreich (CSU) extra aus München angereist. Zusammen mit dem bayerischen Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dr. Klaus Beckschulte.
Beide würdigen den Erfolg und die Leistungen Gräbes, die den Sprung von der Aldi-Verkäuferin zur ausgebildeten Buchhändlerin mit Bravour geschafft hat.
Wenn es ein Erfolgsrezept gibt, das zur Nachahmung lohnt, dann die Leidenschaft, die die 54-Jährige an Tag legt, um Kinder zum Lesen zur bringen. "Kinder sind doch unser wichtigstes Gut, unsere Nachkommen, denen wir möglichst viel zeigen müssen, auch damit sie das Alte nicht vergessen", lautet Gräbes Credo.
Und als bestes Medium, diese Passion zu transportieren, hat sie schon frühzeitig das Buch für sich entdeckt. "Ich will, dass die Kinder nicht vom Lesen wegkommen. Das ist halt mein Leben. Deswegen geh' ich regelmäßig in die Schulen, mache beim Welttag des Buches oder bei der Lesetüten-Aktion mit. Die Kinder sollen sich nicht nur mit dem elektronische Zeugs beschäftigen."
Dass dies in vielen Fällen gelungen ist, macht Ulla Gräbe an vielen treuen Kunden fest. "Wenn so ein junger Mensch neun Jahre später als Student wieder zu uns in den Laden kommt, dann denk' ich mir: Ja, des war's und jubel' in mich hinein. Ich glaub', ich hab' schon viele Kinder zum Lesen gebracht."
Nachfolgend ein Interview mit der Buchhändlerin, die mit ihrem Mann Reinhold in Reckendorf lebt, das auch zur Liebeserklärung an Ebern geriet:
infranken: Welches war das erste Buch, das Du bewusst gelesen hast?
Ulla Gräbe: Das war Max & Moritz, wobei ich die Geschichten von Wilhelm Busch grausam fand. Danach folgten die Karl May-Romane. Alle noch in Leinen gebunden. Ich hatte schon frühzeitig, mit neun oder zehn Jahren in der Bücherei in Gerach mitgearbeitet und so Zugang zu vielen Büchern, auch wenn die Bücherei damals gerade mal zwei Regale hatte."
Welches ist Dein Lieblingsbuch?
Ach, da gibt es so viele. Spontan fallen mir "Im Namen der Rose" von Umberto Eco und "Die unendliche Geschichte" von Michael Ende ein. Es gibt so viele gute Bücher und gute Autoren, wie Amos Oz beispielsweise. Oder Tiziano Terzani.
Hast Du ein Buch schon mehrfach gelesen?
Da gibt es auch etliche. Die unendliche Geschichte auf jeden Fall. Aber auch "Schiffbruch mit dem Tiger" fällt mir dazu auf die Schnelle ein.
Welches Buch würdest Du unseren Lesern denn gerne ans Herz legen?
Afghanische Reise von Roger Willemsen, dessen Werke ich allesamt sehr schätze. Bei Kindern sind die Empfehlungen gar nicht so einfach. Die Bücher sollen spannend und lustig sein. Ich frage meist nach den Hobbies. Klar, dass sich Mädchen mehr für Pferdegeschichten interessieren und Jungs für Fußball.
Wie verlief denn eigentlich Dein Werdegang?
Ich habe im Einzelhandel gelernt, war auch bei der Post schon am Schalter. Bücher habe ich schon immer gemocht. Bei uns zu Hause ist schon immer viel gelesen worden. Mein Opa hat sich die Bastei-Westernroman nur so reingezogen. Erst war ich in der Bücherei in Gerach mit tätig. Als mir die zu klein wurde, bin ich nach Reckendorf. Als die nicht mehr ausgereicht hat, dann nach Ebern in die Stadtbücherei. Dann hatte ich dazu noch das Glück, dass ich einen Mann gefunden habe, der viel liest. Bücher waren also immer präsent.
Und wie fiel die Entscheidung, einen Buchladen in einer Kleinstadt zu eröffnen?
Es begann damit, dass ich personalisierte Kinderbücher machte, wofür ich mir die entsprechende Lizenz erworben hatte und am Computer dann Bücher zusammenstellte, in denen dann die Kinder mit dem entsprechenden Namen auftauchten. Damit bin ich auch schon auf Messen gegangen und habe ein Nebengewerbe angemeldet. Damit war ich in die Szene reingerutscht und begann mit dem Handel von Schulbüchern. Nebenbei habe ich viele Kurse und Seminar mitgemacht. Damit bekam ich auch Kontakte zu Lieferanten. Da war ich noch bei Aldi, aber die Leute haben schon bei mir Bücher bestellt. Und so folgte der Schritt in die Selbstständigkeit, den ich wahrscheinlich bis heute nicht gewagt hätte, wenn mich mein Mann nicht gedrängt hätte: Wenn Du es jetzt nicht machst, wenn dann?, schob er mich an. Aber es war doch mit Risiko und Geld verbunden.
Und wie ging's dann weiter?
Natürlich hatte ich den Gedanken, einen Buchladen aufzumachen, schon länger im Hinterkopf und mich seit vier, fünf Jahren nach geeigneten Räumen umgeschaut. Eines meiner Lieblingsobjekte war damals einfach zu teuer, aber bei dem kleinen Lädla, wo zunächst eine Fotogeschäft und dann ein Piercing-Studio drin war, dachte ich mir: Wenn ich das krieg... Und 2002 war's dann so weit. Ich habe die Buchhändler-Prüfung gemacht, um auch ausbilden zu dürfen und alles Mögliche mitgemacht, um mir möglichst viel Wissen anzueignen. Angefangen habe ich allein mit meiner Tochter. Ohne meinen Mann und meine Familie hätte ich es auch nie geschafft. Im Verlauf der Jahre habe ich vier Ausbildende angelernt und jetzt sind wir zwei Vollzeit und drei Teilzeitkäfte in der Leseinsel.
Und wie hat sich das Geschäft so entwickelt?
In den ersten Jahren waren es wirklich aufsteigende Verkaufszahlen. Die Kurve hat sich mittlerweile abgeflacht. Aber wer denkt, dass wir den ganzen Tag Zeit hätten, um Bücher zu lesen, der täuscht sich. Es gibt immer etwas zu tun. Das Lesen folgt meist erst in der Freizeit.
Woher kommt Deine Kundschaft?
Bis aus Hofheim und dem Itzgrund. Aus Kirchlauter und auch aus Baunach.
Welche Chancen räumst Du dem Buch ein?
Bücher wird es immer geben, weil sie ein Kulturgut sind und ihren Wert haben. Deshalb bin ich auch ein Verfechter der Buchpreis-Bindung. Freilich gibt es Bücher, die einfach zu teuer sind, aber die meisten sind ihr Geld wert. E-book-reader sind zwar auch schön, wenn man gerne nachts liest, oder im Zug, aber: Ein Buch ist und bleibt ein Buch, deswegen gebe ich dem e-book keine so großen Chancen.
und deswegen wird auch die Leseinsel Bestand haben?
Natürlich. Es ist doch schön, wenn man durch Ebern bummeln kann und nicht nur leere Schaufenster vor sich hat. Es funktioniert nicht alles übers Internet. Wo sollen die Leute einkaufen, wenn sie älter sind? Ebern ist eine so wunderschöne Kleinstadt mit einem vielfältigen Kulturleben. Dabei denke ich besonders an die Musiknacht oder das Mittelalterfest. Und ich bin froh, dass wir unseren Teil dazu beitragen können.
Die nächsten anstehenden Veranstaltungen der Leseinsel
Freitag, 14. Oktober, 19 Uhr:
Lesung mit der Eberner Autorin Phoebe Ann Miller im Streitsgarten;
Sonntag, 16. Oktober, ab 11 Uhr:
Bücher-Flohmarkt im katholischen Pfarrzentrum;
Freitag, 21. Oktober, 15 Uhr:
Lesung mit Ingo Siegner "Der kleine Drache Kokosnuss", Friedrich-Rückert-Gymnasium;
Samstag, 22. Oktober:
Fahrt zur Buchmesse nach Frankfurt;
Freitag, 2. Dezember, 19 Uhr:
Kulinarische Weihnachtslesung mit Friedericke Schmöe und Ella Danz im Untermerzbacher Feuerwehr;
Freitag, 14. Januar, 19 Uhr:
Fränkische Mundart-Rallye mit Wilhelm Wolpert, Wolfgang Reichmann und Weinbauer Günter Stock (Restaurants "Bei Peppo", Frankenstuben und "Stadl");