Die Jagd auf den Holzwurm
Autor: Christian Ziegler
Stettfeld, Dienstag, 02. Sept. 2014
Die Stettfelder Pfarrkirche ist seit Jahren von Schädlingen befallen - jetzt soll dem Befall ein Ende bereitet werden. Eine Spezialfirma führt die Begasung des Gotteshauses durch. Wir waren bei den letzten Vorbereitungen dabei.
Dem Holzwurm in der Stettfelder Pfarrkirche geht es seit Montag an den Kragen. Damit kommt eine Maßnahme zum Abschluss, deren Planung bereits seit 2009 läuft. Damals war bei einer Ortsbegehung mit Vertretern der Diözese eine vermehrte Holzwurmtätigkeit an verschiedenen Stellen im Kirchenschiff bemerkt worden. 2010 fand eine erneute Begehung statt, um die Entwicklung in den Sommermonaten zu beobachten. Der Versuch, den Befall durch punktuelle Injektionen abzutöten, war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Das Kunstreferat der Diözese empfahl daraufhin eine Begasung: "Leider hat sich damals keine Mehrheit in der Kirchenverwaltung gefunden", berichtet Hausherr Pfarrer Matthias Rusin. Die Innenrenovierung des Pfarrhauses und die Sanierung der Annakapelle zu ihrem 300-jährigen Bestehen im Jahr 2013 waren damals vorgezogen worden.
Jetzt aber ist es soweit. Um 9.30 Uhr steht Pfarrgemeinderatsvorsitzende Heidi Simon auf der Matte, um den Blumenschmuck aus der Kirche zu entfernen. Während die Sträuße in den Container wandern, wird der getopfte Efeu in der neuen Sakristei in Sicherheit gebracht. "Was lebt, muss raus", sagt Heidi Simon.
Schränke in Reih und Glied
Die Pfarrei hatte den Bürgern angeboten, vom Holzwurm befallene Gegenstände in die Kirche zu bringen - was gerne angenommen wurde. Überwiegend alte Schränke und Kabinette stehen in Reih und Glied da. Nicht nur aus Stettfeld, aus dem gesamten Landkreis lagern Möbelstücke in der Pfarrkirche. Inge Krug-Riethmüller aus Römers hofen hat zwei Schränke vorbeigebracht. Sie hat aus der Zeitung von der Begasung erfahren und will die Möglichkeit zur Wurmbekämpfung nutzen.
"So eine Gelegenheit bietet sich schließlich nicht alle Tage" lacht sie. Ehe auch sie und ihre Beifahrerin tatkräftig mit anpacken und den Blumenschmuck vom Beichtstuhl holen. Während die beiden gehen, kommt Renate Then mit zwei alten Handwagen herein. "Sie sind mir einfach zu Schade zum wegwerfen", sagt sie, als sie die Wagen neben einem Butterfass und einem Spinnrad platziert. Auch Hausrat hat seinen Platz in der Kirche gefunden.
Bis die Spezialisten der Dresdner Firma Groli, die die Begasung durchführt, anrücken ist noch etwas Zeit. Zeit, die genutzt wird um die im Dachboden über der Sakristei gelagerten Holzgegenstände in den Altarraum zu schaffen. Von der Figur des Auferstandenen über die Sterne der Sternsinger und die Brautstühle für die Hochzeiten, füllt sich der Altarraum zusehends.
Schließlich ist es soweit. Peter Hauk und Denny Michel von Groli sind da. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Schädlingsbekämpfung in Kirchen und Mühlen. Begasungsleiter Jens Wehner und seine beiden Kollegen gehen die Einsatzorte ab. Die meiste Arbeit macht das Abdichten. "Gut 80 Prozent" wie Peter Hauk erklärt. "Sie müssen sich das Vorstellen wie beim Autolackieren, da ist auch die Vorarbeit das ,was die meiste Zeit beansprucht."
Gasdichte Folien und Klebestreifen an den Fenstern sorgen für Sicherheit und lassen sich hinterher rückstandslos entfernen. Danach wird an drei bis vier Stellen das Spezialgas eingeleitet, dass auf Zellebene wirkt. Rund 72 Stunden bleibt es im Innenraum, dringt durch alle Ritzen und lässt die Schädlinge absterben. Holzwürmer und Hausböcke sind sein Ziel. Gerade die Larven des Hausbocks stellen dabei eine Gefahr dar, erklärt Hauk. "Eine Hausbocklarve frisst im Jahr ungefähr soviel, wie in eine Kaffeetasse passt. Wenn das an einem tragenden Balken ist und Sie einige Larven haben, können Sie sich vorstellen was passiert."
Schlüssel werden eingesammelt
Um eine Gefährdung von Menschen zu verhindern, müssen alle Gebäudeschlüssel abgeben werden. Auch wird vor der Einleitung des Gases nochmals ein Kontrollgang gemacht, um jegliche Gefährdung auszuschließen. Die Begasung selbst wird elektronisch überwacht. Begasungsleiter Jens Wehner hat jederzeit die Möglichkeit, Gasgehalt und Konzentration innerhalb des Gebäudes abzurufen.
Anders sieht es im Turm aus. Hier muss der Wurm mit einer anderen Methode angegangen werden. Nach dem Absaugen der Holzteile wird großflächig ein flüssiges Schutzmittel aufgebracht. Das Gebälk wird angebohrt und mit Spezialdübeln versehen, durch Druck wird das Mittel in die Löcher eingebracht. "So entsteht ein Schutzmittel-Reservoir. Der Schädling frisst sich in Faserrichtung des Holzes hinein und vergiftet sich selbst", erklärt Hauk.
Begasungen wie die in Stettfeld werden immer häufiger, wie Hauk berichtet. "Durch die milden Winter nimmt der Befall immer mehr zu". Neben dem technischen Knowhow muss auch das Wetter mitspielen um den Erfolg der Maßnahme zu gewährleisten. "Die Tiere müssen aktiv sein, ab 8 bis 10 Grad verfallen sie in Winterstarre." Deshalb ist eine solche Aktion auch nur in den Monaten von März bis Oktober sinnvoll. Da dürfte die jetzt angekündigte Schönwetterperiode gerade recht kommen. Bis Freitagabend sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.