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Die Hutzeln und die Wissenschaft


Autor: Sabine Weinbeer

Fatschenbrunn, Freitag, 07. Oktober 2016

Der Obstanbau und die -verwertung nach Fatschenbrunner Art stößt bei drei Fakultäten der Bamberger Universität auf besonderes Interesse.
Mit großem Interesse besichtigten die Beschäftigten des Amtes für ländliche Entwicklung Oberfranken die Hutzelproduktion von Franz Hümmer in Fatschenbrunn.


169 Birnbäume gibt es in der kleinen Fatschenbrunner Flur, darunter Arten, die es nur in Fatschenbrunn gibt. Hier hat sich auch eine besondere Art des Anbaus in Relikten erhalten, nämlich das Baumfeld - und eine uralte Art der Verarbeitung, das Hutzeln. Diese Besonderheiten Fatschenbrunns erforscht die Universität Bamberg mit finanzieller Unterstützung des Amtes für Ländliche Entwicklung Unterfranken.
Weil diese Kooperation etwas Besonderes ist, hatte am Donnerstag der Vorsitzende der Flurbereinigung Fatschenbrunn, Reiner Väth vom Amt in Würzburg, seine Kollegen vom Amt in Bamberg in den Steigerwald eingeladen.


Drei Disziplinen beteiligt

Hoch interessiert folgten die Flurbereiniger aus Oberfranken den Ausführungen des Universitätsprofessors Andreas Dix, der das interdisziplinäre Projekt "Geschichte, Kultur und Landschaft der Gemarkung Fatschenbrunn" vorstellte.
Darin arbeiteten die Disziplinen Archäologie, historische Geographie und Botanik der Uni Bamberg zusammen. "Insgesamt geht es uns um die Frage, wie es die Menschen schafften, in dieser eher kargen Umgebung zu überleben, wie sie ihre Böden bewirtschafteten und möglichst viel für ihre Feldfrüchte erwirtschafteten", beschrieb es der Professor.

Weil früher praktisch jeder Abfall auf den Mist geworfen wurde, suchten die Archäologen Flächen aus, die ihrer Vermutung nach im Mittelalter und später am Häufigsten gedüngt wurden. Dort suchten sie und fanden rund 15 000 Scherben, aber auch Plastik-Stücke aus jüngerer Vergangenheit, deren Katalogisierung erst in diesem Jahr zu Ende ging. Die Rückschlüsse aus diesen Funden werden noch etwas auf sich warten lassen.

Deutlich weiter ist da die Botanikerin Beate Bugla. Sie hat rund um Fatschenbrunn 169 Birnbäume, 59 Äpfel, 34 Kirschen, 17 Zwetschgen und zehn Walnuss-Bäume mit jeweils einem Stamm-Umfang von mindestens 60 Zentimetern erfasst, darunter 100 Obstsorten bestimmt, die auf jeden Fall erhalten werden sollen, und das Erhaltungsprojekt in die Wege geleitet. Eine Baumschule hat inzwischen Edelreiser gewonnen und Bäume veredelt, die im Herbst 2018 in Fatschenbrunn gepflanzt werden können. "Unter anderem gehören diese Bäume zu unseren Ausgleichsmaßnahmen für die Flurbereinigung und zur Aktion Mehr Grün", erklärte Reiner Väth. In dieser Aktion können sich Fatschenbrunner um Bäume bewerben, die sie auf ihrem Grundstück pflanzen wollen.


Besondere Bewirtschaftungsform

Spannend war für die Forscher die Tatsache, dass in Fatschenbrunn die besondere Bewirtschaftungsform des Baumfeldes gut sichtbar erhalten blieb. Ein Baumfeld ist keine Streuobstwiese, sondern quasi Anbau auf zwei Etagen - modern nennt man das Agro-Forst-System. Auf dem Feld wachsen Getreide, Klee oder Rüben und Obstbäume. "So wurde auch das Risiko von Ernteausfällen breiter gestreut", erklärte der Professor.
Die Birnen wurden in Fatschenbrunn vorwiegend zu Hutzeln getrocknet und vermarktet, beispielsweise als Schiffsproviant. Hutzeln waren für Matrosen wahre Vitaminbomben und damit probates Mittel gegen Skorbut auf langen Fahrten.

Hüter der Hutzelkultur in Fatschenbrunn ist Franz Hümmer, der den Teilnehmern vom Bamberger Amt auf seinem Hof die Hutzeldarre und seine Produkte vorstellte. Viel Handarbeit und viel Gespür verlangt die Hutzelproduktion, denn wenn die Hutzeln zu weich sind, würden sie schimmeln, wenn sie zu trocken werden, "will sie keiner mehr kauen", so Hümmer.

Die Gäste aus Oberfranken waren sehr interessiert, denn auch in der Fränkischen Schweiz gibt es eine Tradition, Hutzeln herzustellen - und die Unterstützung eines universitären Forschungsprojekts im Rahmen der Flurbereinigung ist auch etwas Besonderes. Professor Dix könnte sich eine weitere Zusammenarbeit gut vorstellen, denn die Forschenden fanden in Fatschenbrunn viele Unterstützer und es gibt noch Manches zu erforschen zur Entwicklung der Landwirtschaft und Bodenbearbeitung, über alte Pflanzenarten. Man kann beispielsweise bis zu tausend Jahre alte Samen wieder zum Keimen bringen. Aber auch die Waldnebengewerbe wie die Pechsieder sind noch überhaupt nicht erforscht.

Die Gäste entdeckten so einen ganz neuen Aspekt eines Flurbereinigungsverfahrens entdeckten. Von Professor Dix erfuhren sie, dass diese Forschungen echte Pionierarbeit in Deutschland sind. Ein erster Artikel über die Arbeit erschien mittlerweile in einem internationalen Fachmagazin. "Wir hoffen durch diese Publikation weitere Forschungsgelder zu erhalten", so Professor Dix.