Druckartikel: Die Familie übernimmt die Pflege

Die Familie übernimmt die Pflege


Autor: Sabine Weinbeer

Zeil am Main, Montag, 14. November 2016

Die Medizinerin Miriam Scheffler war für die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" im Kongo und berichtete jetzt in Zeil über ihre Erfahrungen.
Neun Monate verbrachte Miriam Scheffler für "Ärzte ohne Grenzen" im Kongo. Im "Zeiler Hexenturm" berichtete die Medizinerin über ihre Erfahrungen.  Foto: sw


"Ich wollte mal nicht als Reisende in ein fremdes Land, sondern mein erworbenes Wissen weitergeben." So beschrieb Dr. Miriam Scheffler ihren Antrieb, neun Monate lang für "Ärzte ohne Grenzen" im Kongo zu arbeiten. Im Dokumentationszentrum "Zeiler Hexenturm" berichtete sie von dieser Arbeit. Ihr Vortrag setzte quasi den Schlusspunkt unter die Ausstellung "Barriere:Zonen".


"Schmerzliche Geschichte"

"Hier im Zeiler Dokumentationszentrum arbeiten wir schmerzliche Geschichte auf. Doch vieles, was bei uns Geschichte ist, ist in anderen Ländern der Welt noch bittere Realität", erklärte Bernhard Schurig für die veranstaltende Volkshochschule.
Deshalb biete die Volkshochschule immer auch den Rahmen für solche Informationsveranstaltungen, die den Blick öffnen für die Welt.

"Ärzte ohne Grenzen" will laut Miriam Scheffler vor Ort helfen, aber auch Sprachrohr sein für Menschen in Not. 1999 wurde die Organisation mit dem Friedesnobelpreis ausgezeichnet. In den Medien taucht "Ärzte ohne Grenzen" meist auf, wenn es um akute Epidemien oder Naturkatastrophen geht, ein größerer Schwerpunkt liegt aber auf der kontinuierlichen Arbeit, auf Impfkampagnen, Kriegschirurgie, dem Aufbau einer Wasserversorgung, "immer öfter psychosozialen Programmen" und solchen Einsätzen wie bei Miriam Scheffler. Die Kinderärztin aus Nürnberg war in einem Krankenhaus eingesetzt, das vom kongolesischen Gesundheitssystem getragen und von "Ärzte ohne Grenzen" unterstützt wird.

Für Afrika habe dieses Krankenhaus einen guten Standard und einen sehr ordentlichen Operationssaal, zeigte Scheffler auch anhand von Bildern auf. Auch die örtlichen Kollegen seien sehr gut und vor allem sehr breit ausgebildet. "Die Spezialisierung wie bei uns kennt man dort nicht, diese Ärzte sind sehr beeindruckend", erklärte sie.

Obwohl der Kongo seit 1997 nach einer Diktatur eine Republik ist, leide die Stabilität im Land nach wie vor unter rivalisierenden Rebellengruppen und kriegerischen Einflüssen aus den Nachbarländern. Deshalb gibt es viele Binnenflüchtlinge, die teils über Jahre in eher provisorischen Camps hausen und sich nicht in ihre Dörfer zurückwagen, wie die Ärztin schilderte. So habe es das Krankenhaus auch überwiegend mit Tuberkulose und anderen Krankheitsbildern zu tun, die auf Mangelernährung und oder problematische Hygiene zurückzuführen sind.


Die Realität akzeptieren

Miriam Scheffler machte die interessierten Zuhörer damit vertraut, wie in Afrika ein Krankenhaus funktioniert. Hier wird ein Patient von mindestens einem Familienangehörigen begleitet, der die nichtmedizinische Pflege übernimmt und meist auch im Krankenbett mit schläft. "Man lernt, die Realität dort zu akzeptieren", erklärte sie auf Nachfragen. Das bedeute auch zu akzeptieren, dass Patienten, denen in Europa mit zwei Tagen Beatmung geholfen werden könnte, dort sterben, weil es diese Beatmungsgeräte nicht gibt. Ein großer Fortschritt für die Tuberkulose-Behandlungen sei gewesen, dass während ihres Dienstes ein Röntgengerät in Betrieb ging.


Jetzt in Elternzeit

Die Zuhörer erfuhren, dass nicht nur Ärzte, sondern jegliches medizinisches Personal einen solchen Einsatz antreten kann. Gesucht sind auch Logistiker, Sanitärfachleute, Techniker und Personalkoordinatoren. Man nimmt unbezahlten Urlaub, arbeitet aber nicht kostenlos, es gibt ein Gehalt. Viele Ärzte machten diese Einsätze mehrfach - oft in der zweiten Lebenshälfte. Sie selbst legte ihren Einsatz vor die Familienplanung, mittlerweile ist sie in Elternzeit, erzählte Miriam Scheffler.