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Haßfurter Mediziner: Diskussion mit Impfgegnern "reine Zeitverschwendung"


Autor: Franziska Rieger

Haßfurt, Freitag, 09. Juni 2017

Impfen - ja oder nein? Das ist unter Eltern ein Dauerthema. Was sagen die Mediziner im Landkreis Haßberge zu der Debatte ums Impfen?


Ein kleiner Pieks vom Kinderarzt, das Kind brüllt und heult. Was der Mama meistens mehr weh tut als dem Kind selbst, entfacht unter Eltern immer wieder heftige Diskussionen: Muss mein Kind geimpft werden oder nicht? Dr. Walter Wohlfrom, Medizinaloberrat am Gesundheitsamt in Haßfurt, hat zu der Impfdiskussion eine klare Meinung: "Die ganze Bevölkerung profitiert am meisten davon, wenn flächendeckend geimpft ist." Er sieht die Debatte nüchtern. Im Kreis Haßberge sei die Impfquote mit einer Auslastung von 96 Prozent relativ hoch. In anderen Bereichen Bayerns schaue es schon anders aus.

Von einer generellen Impfpflicht hält Dr. Wohlfrom trotzdem nicht viel. Wichtig sei: "Man kann nur informieren und versuchen zu überzeugen. Niemand kann gedrängt oder genötigt werden." Zu den Standardimpfungen zählen unter anderem Masern, Mums und Röteln (MMR) sowie Polio, Tetanus und Diphterie. Laut Dr. Wohlfrom kann ein Kindergarten ungeimpfte Sprösslinge aber nicht ausschließen. Eltern, die dem Impfen kritisch gegenüberstehen, werde jedoch geraten, sich darüber zu informieren. Bei manchen Vorschuluntersuchungen werde außerdem der Impfpass kontrolliert.


Keine Schäden durchs Impfen

Die Angst vieler Eltern, dass Impfen Schäden verursacht, beispielsweise Allergien oder Behinderungen, seien unbegründet. Das Robert-Koch-Institut habe bis jetzt keine Impfschäden bestätigt, wie Dr. Wohlfrom berichtet. "Mögliche Impfschäden stehen in keinem Verhältnis zu den Schäden von Erkrankungen", sagt Dr. Wohlfrom. Eine mögliche schwere Komplikationen bei Masern kann beispielsweise eine Hirnhautentzündung sein, die im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Deshalb empfehlen Ärzte dringend eine Impfung.

Trotzdem gibt es Impfgegner, mit denen Kinderarzt Christian Rein vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Haßfurt regelmäßig zu tun hat. Viele sind es aber nicht. "Von unseren Patienten sind vielleicht ein Prozent nicht gegen Masern geimpft. Die Menschen hier sind schon ausgesprochen impfbereit. Aber jedes Kind, das nicht geimpft ist, ist unserer Meinung nach eines zu viel", erklärt der Arzt.

Wer Bedenken hat, sein Kind impfen zu lassen, mit dem setzt sich Rein gerne auseinander, nimmt die Sorgen ernst. Seiner Meinung nach hat das Impfen aber nur Vorteile: "Erstens ist es gut fürs Kind und schützt vor schwerem Krankheitsverlauf. Zweitens ist es gut verträglich und drittens schützt es auch diejenigen mit denen der Geimpfte Kontakt hat." Allerdings hat Christian Rein auch die Erfahrung gemacht, dass eine Diskussion mit vehementen Impfgegnern "reine Zeitverschwendung" sei, weil diese alle Fakten und wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse anzweifelten. "Die meisten Eltern, die zu uns kommen, können mit unserer Vorstellung von Medizin etwas anfangen."



Kommentar

Masern sind kein Männerschnupfen

Es gibt so viele Dinge, die Menschen tun, damit es nicht zum Ernstfall kommt: Sport treiben, gesund essen, RTL II wegschalten. Geht es ums Impfen ist der Ernstfall scheinbar noch nicht bei allen angekommen. Wer sich oder seine Kinder nicht impfen lässt, handelt fahrlässig.

Mit Hilfe von Impfungen können Krankheiten nahezu ausgerottet werden. Oder bei Nicht-Impfung wieder vermehrt ausbrechen. Kinderlähmung ist in der heutigen Zeit, zum Glück, keine häufige Todesursache mehr. Typhus ist, genauso wenig wie Diphterie oder Cholera, kein Thema mehr, bei dem die Menschen in Schockstarre fallen. Bei Masern schaut es da schon anders aus. Diese sind nämlich wieder auf dem Vormarsch. Das Robert-Koch-Institut ist in Alarmbereitschaft. Masernviren können sich in den Nervenzellen des Gehirns unbemerkt festsetzen und dort Schaden anrichten. Im schlimmsten Fall entwickelt sich sogar eine Hirnhautentzündung. Hier geht es also nicht darum, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Masern sind kein Männerschnupfen, sie können tödlich enden.

Die Diskussion ums Impfen ist nicht nur eine Persönliche, die jeder für sich alleine entscheiden muss. Wir tragen auch eine Mitverantwortung gegenüber anderen, wenn wir uns nicht impfen lassen. Ob sich ein Infekt ausbreiten kann, hängt entscheidend davon ab, wie hoch die Impfrate in der Bevölkerung ist. Beim Tatort Kindergarten bricht häufig eine Kettenreaktion aus, Eltern kennen das. Schon in der unbemerkten Inkubationszeit können sich andere Sprösslinge anstecken.

Bekommt ein Kind Röteln, ist das erst einmal für andere Personen nicht weiter gefährlich. Steckt sich allerdings eine Schwangere an, kann dies zu schweren Fehlbildungen des ungeborenen Kindes führen. Ein geimpftes Kind stellt dagegen keine Gefahr dar. Nicht zu vergessen sind die Nachimpfungen bei Erwachsenen. Die sind besonders wichtig für Erzieher, Lehrer, Krankenhauspersonal: Personengruppen, die viel mit anderen Menschen zu tun haben. Impfen ist keine Ego-Shooter-Entscheidung, Impfen ist eine Sache des Allgemeinwohls. fr