Die Deutsche Fachwerkstraße biegt in den Landkreis Haßberge ein
Autor: Eckehard Kiesewetter, Simone Bastian
LKR Haßberge, Donnerstag, 21. Januar 2021
Die "Regionalstrecke Franken" der gefragten Tourismusstraße soll bald durch den Landkreis führen. Zahlreiche Orte bieten sich als Mitglied an.
"Wenn nicht hier, wo dann?", hatte Jürgen Hennemann noch im Herbst gefragt. Eberns Bürgermeister zielte damals auf all die Fachwerkbauten ab, die den historischen Ortskernen der Region ihr unverwechselbares Gepräge geben. Hennemann und sein Untermerzbacher Kollege Helmut Dietz (beide SPD) rührten emsig die Werbetrommel für eine Mitarbeit der zahlreichen Fachwerkorte im fränkischen Raum in der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte (ADF). Es ging darum, den Abzweig der Deutschen Fachwerkstraße in die Region und damit eine "Regionalstrecke Franken" zu erreichen.
Nun haben es Ebern und Untermerzbach geschafft. Beide Orte, seit fast einem Jahr Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ADF sind als Wegstationen aufgenommen, genauso wie Seßlach. Alle Anforderungen für eine Mitgliedschaft seien erfüllt, hatte das Landesamt für Denkmalpflege den Neumitgliedern vor wenigen Tagen schriftlich attestiert. Das bedeutet so etwas wie die Aufnahmebescheinigung für die Fachwerkstraße.
Die Bestätigung der Landesdenkmalämter zeige, dass es der Arge um Qualität gehe, sagt ADF-Geschäftsführerin Maren Sommer-Frohms. "Das Thema Denkmal trifft die Fachwerkstädte ganz besonders." Die Arge lege Wert auf das Baukulturerbe und hochwertige Fachwerksubstanz.
Wichtiger Bestand
"Zahlreiche, meist giebelständige stattliche Bürgerhäuser mit Zierfachwerk der Zeit um 1600 bis 1750 entlang der Hauptstraße, allen voran das stattliche Rathaus, die historische Stadtmauer markiert mit den zahlreichen Türmen und einem Tor die Grenze zu den alten Vorstädten mit ihrerseits wichtigem Fachwerkbestand", hatte es in der Stellungnahme über die Stadt Ebern geheißen: "Aufgrund der Bedeutung insgesamt als Ensemble eingetragen."
Das Werben der beiden SPD-Bürgermeister um Mitarbeit im Umfeld trug Früchte: Ochsenfurt, Marktbreit, Ummerstadt, Seßlach, Cadolzburg, Herzogenaurach, Marktzeuln und Tauberbischofsheim traten der Arbeitsgemeinschaft bei, Baunach hat die Mitgliedschaft beantragt; Königsberg und Zeil, beispielsweise aber auch Bad Königshofen und Forchheim haben Interesse bekundet. Seßlachs Bürgermeister Maximilian Neeb sieht die Möglichkeit, die Bekanntheit seiner Stadt zu steigern - "ähnlich wie bei der Burgenstraße. Nur, dass es hier um den ganzen Stadtkern geht und nicht nur um ein Objekt."
Fachwerk wie im Bilderbuch
Auch bei Bürgermeister Bruno Kellner in Rattelsdorf stieß das Werben auf offene Ohren. Der oberfränkische Markt, mit dem Bilderbuch-Fachwerkdorf Mürsbach, darf nicht fehlen, ebenso sei Bad Staffelstein ein "zwingender Kandidat" für die fränkische Fachwerkstraße, befindet Helmut Dietz.
Bürgermeister Hennemann berichtet über Gespräche, Arbeitssitzungen und Informationsveranstaltungen, die seit einer ersten Kontaktaufnahme mit dem Bad Windsheimer Bürgermeister Jürgen Heckel im September 2019 stattgefunden haben.
Im FT-Gespräch deutet er an, welch zähe Überzeugungsarbeit es war, Amtskollegen in der Region für die Initiative zu begeistern, in der er so wichtiges Potenzial für den Fremdenverkehr im fränkisch-thüringischen Grenzland erkennt. Aktuell dauerten die Gespräche an, die per Videokonferenz mit Bürgermeisterkollegen stattfinden.
Drei besonderheiten
"Es gibt drei Besonderheiten in den Haßbergen zu entdecken", sagt Hennemann: "Zum einen viele Marktplätze in Fachwerkoptik und Fachwerkrathäuser. Zum zweiten, fränkisches Barock- und Renaissance-Fachwerk und zum dritten Netzfachwerk, das nur in Franken zu sehen ist. Das ist ein Schatz, den wir nicht nur in Fachkreisen darstellen sollten." Er halte es für eine einmalige Chance, bei den ersten Gemeinden der Frankenroute der Fachwerkstraße dabei zu sein.
Doch nicht alle Kandidaten springen auf den Zug auf. Coburg beispielsweise böte sich mit seinem beachtlichen Bestand an Fachwerkbauten - laut ADF-Geschäftsführerin Maren Sommer-Frohms "für eine Stadt dieser Größe schon ungewöhnlich" - an für die Fachwerkstraße. Doch die Vestestadt ließ die Anfrage der ADF unbeantwortet . Bislang, denn Horst Graf, Leiter des Eigenbetriebs Coburg Marketing und damit auch für den Tourismus zuständig, hat gegenüber dieser Redaktion angekündigt, er werde nun prüfen, ob eine Mitgliedschaft für seine Stadt von Vorteil wäre. Die Stadt sei zum Beispiel Mitglied bei der touristischen Vereinigung Deutsche Burgenstraße. "Da passiert viel, und wir ziehen auch einen Nutzen davon." Inwieweit das auch bei einer Fachwerkstraße gegeben wäre, will Graf sich nun ansehen.
Vereinte Anstrenungen
Die Region insgesamt könne profitieren, wenn sich der fränkischen Fachwerkstraße mehr Kommunen anschließen, meint Seßlachs Bürgermeister Neeb. Deshalb würde er es auch "begrüßen, wenn Coburg dabei wäre", betont er. "Wir sind ja eine Region." Vor allem sei der Name Coburg überregional bekannter "als Ebern oder Seßlach. Das würde Gästen von Außerhalb die Orientierung erleichtern."
Die Haßberge-Bürgermeister Hennemann und Dietz jedenfalls bauen auf einen breit angelegten Start in der Region mit möglichst vielen der attraktiven Fachwerkorte. Die Fachwerkstraße soll, wie alle großen Ferienstraßen, durchgehend beschildert werden. Die Mitglieder-Bürgermeister erwarten jetzt die Einladung der Deutschen Fachwerkstraße zur Gründungsveranstaltung der Regionalstrecke Franken. Sie ist für 4. März geplant, sofern Corona es zulässt. Dabei könnte auch der Verlauf abgesteckt werden. Über die Route der "Regionalstrecke Franken" will Maren Sommer-Frohms aktuell noch nichts sagen - die hänge ja auch davon ab, wer mitmacht.
3500 Kilometer
Die Deutsche Fachwerkstraße - insgesamt 3500 Kilometer lang - gliedert sich in sieben Regionalstraßen, vor allem in Nord- und Mitteldeutschland sowie in Baden-Württemberg. Das liegt an der Gründungsgeschichte der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte: 1975 ergriffen vor Städte in Hessen und Niedersachsen die Initiative. Zentrales Thema war damals der Denkmalschutz.
Es gründete sich aber bald ein Arbeitskreis Tourismus, aus dem 1996 die Deutsche Fachwerkstraße hervorging. Da hatten sich auch schon etliche Städte aus den damals noch "neuen" Bundesländern angeschlossen. Aus Thüringen sind zum Beispiel Ummerstadt, Schmalkalden und Wasungen dabei. Franken ist in der Arge bislang mit Bad Windsheim, Ochsenfurt und Marktbreit vertreten.
Gerade Franken ist bekannt für herausragende Fachwerkarchitektur, eindrucksvolle Fachwerkmarktplätze und kunstvolle Rathausfassaden.
Professor Manfred Gerner, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte, weist auf die besondere Häufung in Ober- und Unterfranken hin. Und er fasst dabei insbesondere auch den Kreis Haßberge ins Auge. Es fänden sich "wahre Schätze in einer begnadeten, ruhigen, aber sehr unterschiedlichen Landschaft".
Helmut Hey, ehemals Wirtschaftsförderer im Landratsamt Haßberge, hatte bereits 1988 in seinem Buch "Straße der Fachwerkromantik" für diesen "Schatz" geworben. So richtig durchgesetzt hat sich die Idee für solch eine reizvolle Fremdenverkehrsstrecke durch die Region bislang aber nicht.
Für eine "Regionalstrecke Franken" innerhalb der Deutschen Fachwerkstraße braucht es aber ein paar Orte mehr. Vor etwa zwei Jahren habe die Arge Franken bereist und 14 Städte identifiziert, die dazu passen könnten, sagt Arge-Geschäftsführerin Maren Sommer-Frohms. "Der Fachwerkbestand in Franken hat eine ganz besondere Ausprägung und ist gut erhalten."
Die Angebote zu den jeweiligen Regionalstrecken werden von den beteiligten Kommunen selbst entwickelt, sagt die Marketing-Fachfrau. Wohnmobilisten seien eine der Zielgruppen; es gebe aber auch spezielle Broschüren und Angebote für Radwanderer, Wanderer oder Kulturinteressierte.
Die Corona-Pandemie bewirkte 2020, dass viele Deutsche im eigenen Land Urlaub machten. Das habe sich auch bei den Fachwerkstädten bemerkbar gemacht, berichtet Sommer-Frohms. "Die Zahl der Anfragen hat sich verdoppelt." Denn: "Fachwerkstädte bieten alles, für alle Altersgruppen."sb/eki