Druckartikel: Des Landkreises neue Kleider

Des Landkreises neue Kleider


Autor: Marian Hamacher

Haßfurt, Donnerstag, 19. November 2015

43 Jahre nach der Gebietsreform gibt es für den Landkreis eine Vision. Die Kulturbeauftragte Renate Ortloff präsentierte in Haßfurt moderne fränkische Fest- und Alltagstracht. Sie hebt sich wohltuend ab vom allgemeinen Dirndl-Wahn.
Zwei Alternativen: Renate Ortloff von der Kulturstelle des Landratsamtes Haßberge stellte über 40 interessierten Frauen neben einer Festtagstracht aus Seide auch die Werktags-Variante aus Baumwolle vor. Genäht werden sollen die neuen Trachten an zehn Abenden. Foto: Marian Hamacher


Das Dirndl ist heute einfach Pflicht. Kein Weinfest, auf dem die Mädels nicht in der eigentlich oberbayerischen Traditionskleidung kokettieren. Nicht nur die Kulturbeauftragte des Landkreises, Renate Ortloff, möchte das mit einer eigenen regionalen unterfränkischen Tracht gerne ändern. Fast 50 Frauen kamen zu dem Informationsabend am Mittwoch ins Landratsamt als Auftakt für einen Nähkurs zur eigenen Haßberg-Tracht.

Renate Ortloff ist dafür einen beschwerlichen Weg gegangen, denn die Beschreibung für eine eigene historische Tracht im Gebiet des heutigen Landkreises Haßberge gab es schlicht nicht. Dabei war sie doch auf der Suche nach einer für den Landkreis typischen Tracht, als sie vor einem Jahr in die Kulturstelle Kreisentwicklung des Landratsamts Haßberge wechselte. Bei den Historikern, die sie befragte, bekam sie nur zu hören, dass der Landkreis keine Trachtengegend sei. "Das war für mich fast schon kompromittierend", erinnert sie sich und lächelt. "Da wollte ich den Gegenbeweis antreten."

So studierte sie die alten Berichte, die ihr die Heimatpfleger auf den Tisch legten. Bald türmten sich Schwarz-Weiß-Bilder sowie alte Kleidungsstücke auf ihrem Schreibtisch. "Außerdem sind ja auch einige Trachten in den Heimatmuseen Ebern und Eltmann ausgestellt."


Vier prägnante Merkmale

1972 machte die Gebietsreform aus den drei Altkreisen Haßfurt, Hofheim und Ebern den Landkreis Haßberge. Neben dem Namen war damals auch ein neues Wappen schnell gefunden - eine gemeinsame Tracht gibt es erst 43 Jahre später. Am Mittwochabend präsentierte Ortloff im Landratsamt das Ergebnis ihrer Recherchen in Form einer gol denen Festtags- sowie einer grün-weißen Werktagstracht. "Ich habe in den alten Entwürfen nach Schnittmengen gesucht", sagt Ortloff, die vier prägnante Merkmale fand und diese an die Gerolzhofener Designerin Anita Wozniak weitergab.

Die Schürze der Haßberg-Tracht besitzt am Saum einen Volant, und wird - wichtig - geknöpft. Die fränkische Frau kann also nicht ihre Schürze mit Schleife binden; rechts (verheiratet) oder links (ledig), so ist es im bayerischen Raum üblich. Oder die Ärmel: Da sorgen Schnüre für den Halt. "Das ist für unsere Gegend hier ganz markant", erklärt Ortloff. Tiefe Einblicke? Fehlanzeige. Die fränkische Bluse war hierzulande früher immer züchtig mit einem Stehkragen geschlossen. Das Mieder glatt und eng.

Zu kaufen gibt es die neue Haßberge-Tracht zunächst noch nicht. Wer auf der Kerwa dem omnipräsenten Dirndl etwas Regionales entgegensetzen möchte, muss die Nähmaschine anwerfen. Am 4. Dezember startet im Haßfurter Bibliothekszentrum der Kurs. Präsentiert werden die Ergebnisse am 30. Juni auf einer Modenschau. "Das wird sicherlich richtig schön bunt", vermutet Ortloff. Alle Farben dürfen benutzt werden, die im Wappen des Landkreises auftauchen. Sei es dunkelrot, dunkelgrün, schwarz oder gold.

Mit über den Laufsteg schreiten will in sieben Monaten auch Julia Heil. "Mit der Tracht kann man die Kultur des Landkreises nach außen tragen", sagt die 31-jährige Hauswirtschaftsmeisterin, die sich auf die Näharbeit freut. "Für mich stellt etwas Selbstgemachtes noch etwas dar." Dieser Meinung ist offenbar nicht nur sie. Rund 28 Frauen gaben schon vor der Präsentation ihre verbindliche Zusage, erklärte Ortloff, die 40 Plätze kalkulierte. Nach ihrem Vortrag war die Liste voll. Das hat auch einen weiteren Grund, denn die Tracht kommt bei diesem Kurs ausgesprochen günstig: In den 100 Euro Unkostenbeitrag sieht Ortloff "eine Rückversicherung, damit auch alle dabeibleiben". Enthalten sind darin der Nähkurs sowie die Stoffe für Bluse, Mieder, Rock und Schürze. Normalerweise kommen alleine für den Stoff 400 Euro leicht zusammen. Möglich wird der niedrige Preis, weil über das Leader-Programm 18 000 Euro Zuschuss fließen. Für die fachliche Begleitung sorgt die Rauhenebracher Schneiderin Anna Ernst. Ein zweiter Kurs ist nicht geplant. Überlegt wird, ob Schnittmuster für weitere Interessentinnen nach Maß angefertigt werden können. Die Mühe lohnt sich, davon ist die Kreis-Kulturbeauftragte fest überzeugt. "Die Tracht kann vielleicht dazu beitragen, in einer globalisierten Welt eine textile Wurzel zu haben", bilanziert Ortloff.