Der Wein als Erlebnis in Ziegelanger
Autor: Brigitte Krause
Zeil am Main, Dienstag, 01. November 2016
Weinfreunde aus ganz Franken trafen sich in Ziegelanger im Weinberg: zur Arbeit.
Wer macht das schon: In aller Frühe aufstehen, über eine Stunde Autofahrt und dann am nebelverhangenen Silvaner-Berg Träubel schneiden? Nasse Hände, kalt, ungewohnt und, wie einer der durchweg älteren Akteure gestern in Ziegelanger respektvoll bemerkt hat: "Mein lieber Mann, wennst da hinfliegst, bist drunten!"
Im Weinberg von Martin Bauerschmitt haben sich am Montag die Weinfreunde des Projekts "Erlebnis Weinberg" eingefunden. Eine lockere private Gruppierung, die der Nürnberger Walter Moßner vor gut zehn Jahren ins Leben gerufen hat.
Einfach faszinierend
Da steht er oben am Hang, tritt auf den jungen Ziegelangerer Winzer zu und hält ihm stolz einen Träubel hin: "Das ist die ,Schulter‘" In der Winzer-Sprache ein natürlicher Abzweig an der Träubelform, wie Moßner demonstriert. Der Träubel ist nicht geschlossen, an einem längeren Arm haben sich weitere Trauben in kleiner Träubelform angesetzt. "Faszinierend!"Walter Moßner ist einfach begeistert, anders kann man es nicht nennen, und das bringt ihn Jahr für Jahr dazu, ein neues Programm auszuarbeiten für all diejenigen, die es interessiert, wie der Wein überhaupt entsteht und "was du da trinkst". "Das artet langsam in Arbeit aus", scherzt der Nürnberger, der heuer den Winzer Martin Bauerschmitt für seine "Workshop-Reihe" ausgesucht hat. Wer an dem Privatseminar teilnimmt, bekommt quasi seinen selbst beschnittenen und selbst gelesenen Wein; man hat den Winzer das Jahr über besucht und viel gelernt.
Es gibt Grundprinzipien
Jetzt, am Montagmorgen, erfahren die Hobbywinzer etwa, wie so ein Träubel von der Rebe geschnitten wird, dass sie vertrocknete Trauben wegschneiden sollen, besonders staubige ("sind diesmal nicht dabei," erklärt Bauerschmitt) und die so genannte "zweite Generation" (Träubel, die klein sind und nicht ausgereift). Oha, und steil ist es hier, man muss sich ganz schön konzentrieren, Blätter sollen auch keine in die Sammelbehälter fallen. Die füllen sich, was einen Winzergehilfen dann mal zu der Frage veranlasst: "Und wie krieg' mer die Wannen wieder nach oben?" Gelächter. Guter Witz. Drunten steht der Anhänger, in dem die Trä ubel zum Winzerhof gefahren werden. Die Anstrengung ist überschaubar. Architekt Helmut Knodt hält eine Frucht in der Hand: "Wenn mein Weinberg schon so weit wär'", träumt er in seine Zukunft. In der Hersbrucker Schweiz, wo er wohnt, gab es früher auch eine "Weinleite", die Idee beflügelt ihn.
Wie er ist diesmal das erste Mal Alfons Hollet aus der Gemeinde Pettstadt in Bamberg dabei, schnittfeste Handschuhe hat er sich gekauft und eine Rebenschere, ist bestens gelaunt. Die Besuche der Weinfreunde in Bamberg hat er in der Zeitung verfolgt; nach Iphofen, wo die Gruppe auch war, war es ihm zu weit. Ziegelanger allerdings, das passte. Und so ist er ganz Auge und Ohr, wie das mit dem Weinmachen funktioniert.
Winzer Bauerschmitt erzählt, dass die Ernte aus den acht Zeilen mit den 30 Jahre alten Silvanerreben zu seinem besten Wein wird. Die Trauben haben Sonne getankt, sind zuckersüß, beste Grundlage für die Silvaner Spätlese. Die Hobbywinzer nehmen ein festes Kontingent ab. Sie wissen, woher ihr Wein kommt, wo die Reben wuchsen, sie besuchen "ihren" Wein im Februar.