Der Weg des Mülls: Ein Tag unterwegs mit der Müllabfuhr im Kreis Haßberge
Autor: Jennifer Brechtelsbauer
LKR Haßberge, Montag, 19. März 2018
Müllabfuhr ist ein unbeliebter Job und trotzdem muss er gemacht werden. Der FT hat die Müllabfuhr einen Tag bei ihrer Arbeit begleitet.
Das orangefarbene Ungetüm steht in einer Nebenstraße in Zeil. Zwei Männer mit auffallend greller Kleidung zerren Tonne für Tonne zum Müllauto, warten, bis sie geleert wurde, und bringen sie zurück. Am Steuer des Fahrzeugs sitzt Oliver Sinner.
"Ich bin immer schon ein wenig Lkw nebenher gefahren", erzählt Sinner. Nach einem Unfall ist der 32-Jährige berufsunfähig, darf deswegen nur noch Teilzeit arbeiten. Seinen alten Beruf als Industriemechaniker kann er aufgrund seiner körperlichen Beschwerden nicht mehr ausführen. "Ich schaue es mir mal an", hat Sinner damals zu dem Bruder von Alexander Will, Geschäftsführer von Will Reisen in Zeil, gesagt. Der hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass das Unternehmen einen Müllfahrer in Teilzeit sucht. Seit August letzten Jahres fährt er nun schon für die Firma Will im Müllauto durch Zeil und die Gemeinde Aidhausen.
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Sein Arbeitstag beginnt um 6 Uhr morgens. Sinner ist meistens etwas früher bei der Arbeit. Er startet schon mal das Müllfahrzeug und kontrolliert, ob alles funktioniert. Wie lange ein Arbeitstag dauert, kann Sinner nicht genau sagen. Viele verschiedene Faktoren, wie beispielsweise Baustellen oder geparkte Autos, die eine Durchfahrt des Müllautos behindern, beeinflussen die Dauer der Müllsammlung wesentlich.
Geschick wird benötigt
"Heute sind's mit Sicherheit um die 1000 Mülltonnen", sagt der 32-Jährige, während er gerade eine der Straßen rückwärts hinunter fahren muss. Seine Blicke wandern zum rechten Seitenspiegel, dann wieder zum linken. Immer wieder geht sein Kopf von links nach rechts. "Es ist schon nicht einfach. Ich muss viel rückwärtsfahren, da bleibt man schon mal hängen" - ein lauter Knall, ein abruptes Bremsen. Genau in dem Moment, als Sinner das sagt, ist es auch schon passiert. Mit einem Rad ist er an einem kleinen Mauervorsprung hängen geblieben. Aber nicht schlimm: Die Mauer ist etwas abgebröckelt und das Rad hat eine kleine Macke. Vorher erzählte Sinner noch, dass er - bis jetzt ... noch nichts angefahren hatte. Sinner macht seinen Job gerne, auch wenn er von seinen Mitmenschen nicht immer Zuspruch für seine Arbeit bekommt. "Das beste an der Arbeit ist, dass man seine Ruhe hat", sagt der 32-Jährige. Normalerweise sitzt er während der gesamten Fahrt alleine in seinem Führerhaus. Radiohören kann er währenddessen nur schlecht, denn die Arbeit erfordert höchste Konzentration. "Von der Konzentration her ist es das anstrengendste, was man beim Lkw-Fahren machen kann", meint Sinner. Er muss auf Fußgänger, Fahrradfahrer und Autos achten. Und was noch viel wichtiger ist: Er muss auf seine Kollegen acht geben, die hinten auf dem Müllauto stehen und die Tonnen ans Auto bringen.
Oft gibt es Ärger
Ein ungeduldiger Autofahrer fährt an dem Müllfahrzeug vorbei. Ein zweiter tut es ihm gleich, beide offenbar viel zu schnell. Man kann Sinner ansehen, wie sehr ihn das ärgert. "Die schreien schon mal rum auf der Straße", erzählt der Lkw-Fahrer. Besonders beliebt ist die Müllabfuhr bei den Menschen nicht. Immer wieder beschwerten sich die Leute bei ihnen, weil das Müllauto im Weg steht. Regelmäßig kämen auch Beschwerden von Anwohnern, die ihre Mülltonne zu spät herausgestellt hatten, die Müllabfuhr aber schon da war. "Ihr wart viel zu früh dran", bekommen die Arbeiter dann immer zu hören.Dabei sollte den Bürgern eigentlich klar sein, dass es keine feste Uhrzeit gibt, meint Sinner. "Im Amtsblatt steht extra ab sechs Uhr", erwidert er aufgebrachten Bürgern dann immer.
Auch über falsch abgestellte Mülltonnen könnte Sinner sich aufregen. Die einen verstecken die Tonne hinter den Autos, die anderen stellen ihre Tonnen versetzt auf die Straße, ärgert er sich. So müsse er alle zwei Meter anhalten. Es wäre einfacher, die Anwohner würden ihre Tonnen immer gegenüber auf gleicher aufstellen, erklärt der Fahrer.
Noch schlimmer findet Sinner es, wenn die Bürger ihre Mülltonnen in ihren Auffahrten abstellen. "Das ist Privatgrundstück, da dürfen wir eigentlich gar nicht drauf", erklärt er. Dafür haben sich die Mitarbeiter der Müllabfuhr "Erziehungsmaßnahmen" ausgedacht...
Sinner schaut in den linken Seitenspiegel, danach in den Rechten. "Ein Mann, Zwei Mann - alle da", murmelt er vor sich hin, bevor sich das Auto wieder in Bewegung setzt und sich auf den Weg nach Wonfurt ins Kreisabfallzentrum macht. Dort landet der Restmüll erst einmal in der Umladestation.
Von Wonfurt nach Schweinfurt
Wo die Arbeit für die Müllabfuhr endet, fängt sie für Ralf Brunnquell und Daniel Botta erst an. Ralf Brunquell arbeitet im Kreisabfallzentrum in Wonfurt und ist hier hauptsächlich für die Kranarbeiten zuständig. "Hier oben bin ich seit 20 Jahren", erzählt Brunnquell. In luftiger Höhe befüllt er mit einem Kran den Lastwagen, der den Müll dann in die Verbrennungsanlage nach Schweinfurt bringt.Zwischen 20 und 45 Minuten dauert der Füllvorgang. Mit knapp 20 Tonnen befüllt Brunnquell den Lkw.
Ist der Lkw beladen beginnt Daniel Botta mit seiner Arbeit. Der 22-Jährige fährt Lkw bei der Firma Eichhorn. Seine Aufgabe ist es, den Müll von der Deponie in Wonfurt, die nur als Zwischenlager dient, nach Schweinfurt in die Müllverbrennungsanlage zu fahren.
Regelmäßig steht Botta wortwörtlich knöcheltief im Müll. Bevor die Fahrt nach Schweinfurt losgehen kann, muss er kontrollieren, dass kein Müll rausschaut. Hierfür muss der 22-Jährige in den Container steigen. "Solange ich keine Spritze ins Knie gejagt bekomme, stört mich das eigentlich nicht", erzählt er, "Es ist ja ein wichtiger Job."
Kaum ist Botta in Schweinfurt angekommen, öffnet er seinen Container und 20 Tonnen Müll fliegen viele Meter tief in den Bunker. Er kehrt die letzten Überreste noch über die Kante, schließt den Container und steigt wieder in seinen Lkw. Die Ladung wird nicht die letzte an diesem Tag gewesen sein, die Botta nach Schweinfurt bringt.
Der Weg des Mülls: Von der Tonne bis in die Verbrennung
Über 6300 Tonnen Hausmüll produzieren die Bewohner des Landkreises Haßberge jährlich. Der Müll landet zunächst im Kreisabfallzentrum in Wonfurt. 500 Tonnen Abfall werden pro Woche ins Gemeinschaftskraftwerk nach Schweinfurt (GKS) gefahren. "Zusammen verbrennen wir hier 550 Tonnen Müll am Tag", erklärt Dominik Reinig, Organisationsleiter im Gemeinschaftskraftwerk in Schweinfurt. 750 Tonnen Abfall werden von Montag bis Freitag an die Müllverbrennungsanlage angeliefert. "Die Verbrennung läuft rund um die Uhr, das ganze Jahr über", sagt Reinig.
Schritte der Müllverbrennung
1. Der Müll wird von Lastwagen in die Müllverbrennungsanlage angeliefert. Hier wird der Abfall in einem Müllbunker gelagert. Die maximale Füllmenge des Bunkers beträgt 7000 Tonnen. 2. Ein riesiger Kran bestückt die drei Verbrennungslinien der Anlage. Der Müll entzündet sich aufgrund der Hitze selbst. Die Verbrennungstemperatur liegt bei etwa 1100 Grad. Über acht Tonnen Abfall können pro Stunde in einem Ofen verbrannt werden. Bei drei Öfen kann also eine Lkw-Ladung Müll in der Stunde verbrannt werden. Bei der Verbrennung entsteht ein Abfallprodukt, die sogenannte Müllschlacke, in der sich nicht brennbare Materialien, wie Porzellan, Steine oder Metalle befinden. Die Schlacke wird abgekühlt und dann nach Würzburg in eine Aufbereitungsanlage gefahren. Hier werden die noch verwertbaren Materialien aussortiert und wiederverwertet. Die aufbereitete Schlacke kann dann beispielsweise im Straßen- oder Deponiebau verwendet werden.
3. Das Rauchgas, das bei der Verbrennung entsteht, wird in einen Wärmetauscher geleitet. Dieser macht aus Wasser Dampf. Dieser Dampf durchströmt dann Turbinen, die an einem Generator hängen, der dann Strom erzeugt. Etwa 115 Megawattstunden Strom pro Jahr entstehen in der Müllverbrennungsanlage. Der Dampf wird als Fernwärme durch Rohre, die unter dem Main liegen, an die Stadt Schweinfurt weitergegeben.
4. Das Rauchgas muss, bevor es durch den Kamin ausgestoßen werden kann, noch gefiltert werden. Während der Verbrennung des Mülls werden Schadstoffe frei, die nicht an die Umwelt abgegeben werden sollen. Die Rauchgasreinigung ist deshalb fast doppelt so groß wie die eigentliche Verbrennungsanlage. Die gefilterten Schadstoffe werden im Kraftwerk in Pulverform gesammelt und später in Spezialsäcke umgefüllt. Diese Säcke werden dann zum Auffüllen von Hohlräumen in Bergwerken benutzt. Das gefilterte Rauchgas wird über einen 97,5 hohen Kamin in die Luft ausgestoßen.
"Die Müllverbrennung hat also zwei wichtige Aufgaben", erklärt Dominik Reinig. Zum einen die Verringerung der Müllmenge und zum anderen die Schadstoffreduzierung - beides wird in der Anlage in Schweinfurt realisiert.