Druckartikel: Der Traum von mehr als vier Wänden

Der Traum von mehr als vier Wänden


Autor: Eckehard Kiesewetter

Ebern, Montag, 23. April 2018

Angehende Abiturienten des Eberner Gymnasiums zeigen ab Dienstag in der Flessabank Modelle ihrer Traumhäuser.
Lara Amend setzt auf Transparenz. In ihrem Traumhaus lebt sich's wie hinter einem Schaufenster.Fotos: Kiesewetter/Gehring


Traumhäuser sind zurzeit großes Thema am Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern. Nicht, dass sich die Schulleitung für den anstehenden Neubau der Schule fantastischer Illusionen hingäbe. Nein! Vielmehr geht es um kühne Entwürfe angehender Abiturienten. Wie wollten sie wohnen und leben, wenn es keine statischen Gesetze, Bauverordnungen und lebenspraktischen Zwänge gäbe? Gefragt ist Architektur, einfach den eigenen Wünschen und ästhetischen Vorstellungen geschuldet, ein Traum vom Lebensraum, wie ihn sich die meisten Bauherren heute gar nicht vorzustellen wagen.
29 Schüler des Jahrgangs Q12 haben sich im Kunstunterricht ein halbes Jahr lang mit dieser Herausforderung beschäftigt und jetzt teils spektakuläre Modelle vorgelegt. Jonas Gerlach zum Beispiel hat - sehr lebensnah - ein Haus in Modulen gestaltet. Schnörkellos und in schlichter Ästhetik lassen sie sich im Baukastensystem stapeln und ergänzen. Praktisch, wenn Familienzuwachs für zusätzlichen Platzbedarf sorgt.
Während Vanessa Melsa von einem Leben im Grünen träumt, urgemütlich und flippig, als wäre sie eine "Alt-68erin", schwebt Leon Schönecker die perfekt proportionierte Villa im italienischen Stil vor - makellos und nüchtern. Theresa Bühler hat ihr mobiles Traumhaus mit variabel verstellbarem Schrägdach auf einen Truck gepackt und Jannik Trautmanns Fantasiegebäude schwebt, die wichtigsten Geräte an die Fassade geschnallt, mit einer Traube bunter Luftballons davon. Sieht so Wolkenkuckucksheim aus?
Kunsterzieher Claus Gehring ist begeistert, ja euphorisch, wenn er die Ergebnisse vorstellt. Arbeiten in derartiger Qualität, in die Schüler so viel kreativen Geist und handwerkliche Mühe investiert haben, sollten nicht unbeachtet im Abstellraum des Fachbereichs Kunst herumstehen, findet er. Die Öffentlichkeit müsste sich damit auseinandersetzen können.


Ausstellung in der Flessabank

Also hat Gehring eine Ausstellungsmöglichkeit in der Flessabank aufgetan. Flessa-Niederlassungsleiter Wolfgang Schreiber, dessen Institut auch im Immobiliengeschäft tätig ist, sagt: "Uns hat gut gefallen, dass sowas in Gang kommt." Die Schüler hätten witzige Ideen teils sehr detailverliebt umgesetzt, zum Beispiel mit Grundrissen, die von professionellen Plänen kaum zu unterscheiden seien.
Im Unterricht hatten die angehenden Abiturienten die Kunststile von der griechischen Klassik bis zum 21. Jahrhundert kennengelernt, sich mit strengen Formen, verspielten Schnörkeln und technischen Finessen auseinandergesetzt.
Hier nun war ihre Fantasie gefordert. Das Thema Traumhaus haben die Schüler selbst gewählt und offensichtlich hat es ihren Nerv getroffen. Von der ersten Idee und einem getexteten Exposé über den gezeichneten Grundriss in Fluchtpunktperspektive bis zum dreidimensionalen Modell reiften die Entwürfe.
Bei der Arbeit mit den Schülern setzt er auf vertrauensvollen Umgang, hält nichts von Gleichmacherei oder steriler Kurs-Atmosphäre. Gehring: "Es geht doch um das Ausprobieren und das Individuum". Persönlichkeitsfindung und -formung sei das Ziel. "Ich bin eigentlich nur Begleiter, helfe den Leuten, ihre ganz eigenen Vorstellungen umzusetzen."


Raum fürs eigene Glück

Spätestens den Modellbau konnte der Studienrat bei zwei Stunden Kunstunterricht in der Woche dann aber nicht mehr betreuen, da mussten die Schüler viel zu Hause leisten.
"Es sind ganz unterschiedliche Lebensentwürfe dabei", schwärmt Claus Gehring, "und irgendwie sind alle unheimlich interessant." Egal, ob jemand nicht so gut zeichnen kann oder das Modell etwas lidschäftig geraten ist: Den knapp 50-jährigen fasziniert die geistige Arbeit. Sie fließe in die Beurteilung ein. "Mein Haus ist doch, so wie die Kleidung, ein Spiegel meiner Persönlichkeit, meiner Wünsche und meiner Sehnsucht, verstanden zu werden", sagt der Kunstpädagoge aus Baunach: "Da will ich doch einen Raum finden, wo ich glücklich sein kann".
Auch er hat einen Traum: "Wenn so ein Haus wirklich in Ebern stehen würde, das wäre doch der Clou."


Träume bei der Bank

Die kleine Traumhaus-Schau der Eberner Gymnasiasten ist seit Montag in Foyer der Flessabank zu sehen.
Gezeigt wird eine Auswahl der Entwürfe, da die komplette Traumhaus-Siedlung den Platz sprengen würde.
Laut Wolfgang Schreiber, dem Chef des Bankhauses, wird die Ausstellung bis Ende Mai aufgebaut bleiben.