Der berühmte "schnelle Meyer", der vor 25 Jahren als Erster nach der Öffnung der ungarischen Grenze aus dem Osten in den Westen gekommen war, meldet sich in Sylbach zurück. Dort hat er nach der Wende als Gastronom begonnen.
Vor 25 Jahren hat Gerhard Meyer Schlagzeilen gemacht. Als der "schnelle Meyer" war er weltweit ein Begriff. Denn der damalige Kantinenwirt aus Ostberlin war am 11. September 1989, nachdem Ungarn seine Grenze nach Österreich für DDR-Bürger geöffnet hatte, als Erster mit seiner Familie in Passau angelangt und damit berühmt geworden.
Vom Aufnahmelager in Hammelburg kam er nach Sylbach, wo er eine Zeitlang die Gastwirtschaft Schneider übernahm. Nun hat er seine frühere Heimat in den Haßbergen wieder einmal für ein paar Tage besucht.
Gerhard Meyer ist eine Berühmtheit und entsprechend stolz zeigten sich die Inhaber des griechischen Restaurants "Korfu" in Sylbach, Elena und Odisseas Tasios, als Meyer Ende letzter Woche bei ihnen auftauchte. Denn beide sind mittlerweile Inhaber des Restaurants, in dem Gerhard Meyer vor 25 Jahren sein Glück im Westen versuchen wollte. "Mein Freund Berno Wagner hat jetzt seinen 60. Geburtstag hier im ,Korfu' gefeiert und deshalb bin ich zurückgekehrt", erzählte der "schnelle Meyer", der mittlerweile in Steinach am Brenner mit seiner Tochter Myriam das Hotel "Post" führt. "Außerdem wollte ich sehen, was aus dem Lokal, das ich ‚Haus der deutschen Einheit‘ genannt habe, geworden ist."
Dem Konvoi voraus Natürlich erinnert sich Gerhard Meyer noch genau an den Tag, als Ungarn in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1989, genau um Mitternacht, seine Grenze nach Österreich geöffnet hatte. Weil er damals einen Toyota Corolla besaß, den er mit Devisen auf dem Schwarzmarkt erworben hatte, fuhr er dem Konvoi, mit dem er Richtung Westen gestartet war, - teilweise mit Tempo 200 - nach einiger Zeit davon. Morgens um halb vier war der damals 39-Jährige mit seiner Frau Nicole (32) und den Töchtern Myriam (elf) und Denise (zwölf) der Erste, der in Passau ankam.
"Wir kamen in das Aufnahmelager in Hammelburg und zogen dann nach Sylbach, weil die Gastwirtschaft Schneider ausgeschrieben war und unsere Töchter in Haßfurt ins Gymnasium gehen konnten", erinnerte er sich. "Ich habe tagsüber als Bierfahrer gearbeitet und abends mit meiner Frau die Gastwirtschaft betrieben." Nach drei Monaten nahm Gerhard Meyer eine Arbeit an der Fleischtheke eines Verbrauchermarkts in Schweinfurt auf, um Land, Leute und vor allem die Küche kennen zu lernen.
"Ich hatte in der Gastwirtschaft in Sylbach eine DDR-Fahne aufgehängt, aus der ich Hammer, Zirkel und Ehrenkranz ausgeschnitten und einen Reißverschluss eingenäht hatte, erzählte Gerhard Meyer. "Unter dem Reißverschluss stand das Datum 1989 und darüber das Jahr 2000.
Denn ich dachte damals, dass die Wiedervereinigung so lange dauern würde. Dann haben wir immer wieder deutsche Einheit gespielt, indem wir am Reißverschluss zogen."
Als bereits am 3. Oktober 1990 der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erklärt wurde, fuhr er mit der Familie nach Berlin, um zu feiern. Da geschah das Unglück: Ein Amokfahrer raste in die Menge und verletzte Nicole Meyer schwer.
Um sich um seine Frau zu kümmern, die sechs Monate in einer Klinik verbringen musste, zog Gerhard Meyer mit seinen Töchtern nach Berlin.
In Österreich gelandet 20 Jahre sollte der gelernte Koch, Metzger, Kellner, Serviermeister und Hotelökonom in Berlin bleiben und fünf Restaurants eröffnen, bis seine Tochter Myriam einen Österreicher kennen und lieben lernte. Die Familie zog nach Steinach am Brenner und betreibt dort bis heute das Hotel "Post". Seinen schnellen Toyota Corolla hat Gerhard Meyer inzwischen verschrottet; heute fährt er einen Mercedes. Gerne kommt er immer wieder nach Sylbach, um Freunde zu treffen.
"Ich wäre gerne in Sylbach geblieben, aber es ging nicht anders", erklärte er. "In meinem Leben ging es immer rauf und runter, aber ich habe nie gejammert oder aufgegeben." Die deutsche Wiedervereinigung bezeichnete er als "das Beste, was uns hätte passieren können".
"Helmut Kohl hat uns blühende Landschaften versprochen und ich habe sie gefunden. Sie bestehen aber nicht daraus, dass uns gebratene Tauben in den Mund fliegen, sondern daraus, dass man mit einem wachen Geist, gesunden Händen und einem festen Willen etwas erreichen kann."
Stolz ist der heute 64-jährige Gerhard Meyer darauf, dass er nicht vergessen wurde. So ist er zur Feier zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung Ungarn-Österreich am 12. September in Passau als Ehrengast eingeladen worden und hat diese Einladung gerne angenommen.