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Der Entlastungszeuge kam nicht


Autor: Manfred Wagner

Haßfurt, Montag, 04. Dezember 2017

23-Jähriger muss wegen Schwarzfahrens eine hohe Geldstrafe zahlen.


Mitte November fand am Amtsgericht in Haßfurt ein Prozess wegen Schwarzfahrens statt, bei dem ein 23-jähriger rumänischer Staatsbürger angeklagt war. Da der Beschuldigte felsenfest behauptet hatte, dass nicht er, sondern einer seiner Landsleute hinterm Steuer saß, vertagte Amtsrichterin Ilona Conver die Verhandlung auf Anfang Dezember, um dem Rumänen die Möglichkeit einzuräumen, seinen Entlastungszeugen beizubringen. Bei dem Fortsetzungstermin aber erschien wieder nur der mutmaßliche Schwarzfahrer, und der Angeklagte wurde diesmal zu einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft entstand aufgrund der folgenden Begebenheit: Heuer am 1. Juni um die Mittagszeit fuhren zwei Polizeibeamte zu einem Einsatz auf dem Bahnhofsvorplatz von Haßfurt. Dabei erkannten die beiden das auffällige Auto des EU-Bürgers - einen schwarzen BMW. An dessen Steuer, sagten die Uniformierten übereinstimmend im Zeugenstand, saß der junge Rumäne. Als sie dann mit ihrem VW-Polizeibus wendeten, um ihn zu kontrollieren, sei das Fahrzeug in Richtung Oberer Turm verschwunden. Sie verfolgten ihn zwar, konnten den schnellen Wagen aber nicht einholen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann seinen Führerschein schon abgeben müssen, weil er wiederholt viel zu schnell gefahren war und deshalb sein Punktelimit in der Flensburger Verkehrssünderkartei überschritten hatte. So wurde er bereits fünf Mal wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Unter anderem stoppte man ihn auf der Zeiler Straße in Haßfurt, wo er statt der erlaubten 50 mit 84 Stundenkilometern dahinbrauste.

Bei dem neuerlichen Gerichtstermin erklärte der Temposünder, dass sein Bekannter zwischenzeitlich nach Rumänien zurückgekehrt sei und dort einer festen Arbeit nachgehe. Von daher habe er ihn nicht dazu bewegen können, als Zeuge nach Haßfurt zu kommen.

In dieser Situation fällte die Vorsitzende ihr Urteil auch ohne den gewünschten Zeugen und berief sich dabei auf eine Vorschrift aus der Strafprozessordnung. Demnach kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre - wenn dies "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich" ist.

Das Strafmaß war erheblich niedriger als das, was die Anklagebehörde gefordert hatte. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine Geldstrafe von immerhin 7700 Euro verlangt. Die Strafrichterin reduzierte die Strafe mit 60 Tagessätzen zu je 40 Euro ganz erheblich, weil der Schichtarbeiter mit seinem Lohn seinen arbeitslosen Bruder unterstützt.

In ihrer Urteilsbegründung wies sie darauf hin, dass zwischen dem Angeklagten und dem nicht erschienenen Entlastungszeugen keinerlei Ähnlichkeit festzustellen sei, was eine Verwechslung ausschließe. Zur Rolle der Augenzeugen sagte sie: "Ich sehe keinen Grund, warum die beiden Polizisten lügen und den Angeklagten reinreiten sollten." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.