Das Staunen über unser täglich Brot
Autor: Johanna Eckert
Ebern, Freitag, 12. Juli 2013
Für acht Tage war eine Gruppe chinesischer Schüler in Ebern. So viel Grün hatten sie noch nie gesehen und auch sonst gab es für sie viel Überraschendes im "Land der untergehenden Sonne".
Für die Gäste war's ein kleiner Kulturschock. Dass es auf dem blauen Planeten so viel Grün geben würde, hätten die Gäste aus dem Reich des roten Drachen nie gedacht! Das Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern hatte Besuch aus Fernost. Heute geht's wieder heimwärts. Die chinesischen Austauschschüler waren vor allem von der Natur der Haßberge beeindruckt. Kultureller Austausch wurde in den Gastfamilien gelebt.
Eine weite Anreise hatte die Gruppe. Mit einem Umweg über Vietnam waren die 19 Schülerinnen und Schüler mit ihren zwei Lehrkräften fast 32 Stunden unterwegs, um nach Deutschland zu kommen. Und dann stiegen sie in Frankfurt aus dem Flugzeug und waren etwas sprachlos: "Hier gibt es ja gar keine Hochhäuser. Und alles ist so grün", staunte das Mädchen Zi Han Wang ihren ersten kleinen Kulturschock.
Und das in Frankfurt! Aus Sicht der Deutschen gibt es dort eine wunderbare Skyline mit faszinierenden Hochhäusern, höher geht es kaum noch. Wer schon einmal in China war, weiß, dass die Chinesen anders denken. Nicht nur politisch, sondern auch die Dimensionen von Raum und Zeit übersteigen mitteleuropäische Maßstäbe um ein Vielfaches.
Ganz andere Dimensionen
Die 17-jährige Zi Han Wang verbrachte ihre Tage bei Familie Habermann in Unterpreppach. Ein Vergleich ihrer Heimatstadt Ningbo mit Unterpreppach würde einem Gegenüberstellen von Elefant und Fliege gleichen. Bürgermeister Robert Herrmann (CSU) hatte sich für seinen Empfang der Gästegruppe gut vorbereitet. "China wird in einigen Jahren die absolute Nummer Eins in der Welt sein und deswegen bemühen wir uns auch um den Austausch mit ihnen", begrüßte er die Gäste im Sitzungssaal des Rathauses. Und ihm wurde schnell klar, dass er eigentlich nur ein kleines Dorf regiert und die chinesische Gruppe aus einer ganz anderen Welt kommt. Ebern hat 0,007 Millionen Einwohner, Ningbo hingegen 5,71 Millionen. Ningbo weitet sich auf eine Fläche von 9670 Quadratkilometer aus, Ebern hingegen nur auf 95 Quadratkilometer.
"Made in China"
China ist hierzulande ja nicht unbekannt. Fast jedes zweite unserer Produkte ist "Made in China". Aber die Berührung mit den Menschen? Wie sind die Chinesen selber?
Familie Habermann aus Unterpreppach hat es schon zum zweiten Mal gewagt und eine Austauschschülerin aufgenommen. "Man muss halt schauen wer kommt. Und wir hatten bisher immer Glück - die zwischenmenschliche Harmonie hat stets gepasst", so Gastvater Thomas Habermann.
Die Eltern sind begeistert von dem Austausch-Angebot. "Es ist wirklich alles sehr gut organisiert und für das Geld wird den Kindern ein sehr gutes Programm geboten", lobte Thomas Habermann aus Unterpreppach die verantwortlichen Lehrkräfte. Da bei dem Austausch seines Sohnes vor zwei Jahren alles wunderbar geklappt hat, darf seine Tochter in diesem Jahr mit nach China reisen. "China ist weit weg und wir können nicht gleich zur Stelle sein, wenn etwas passiert" - darüber denken die Habermanns schon nach, "aber so ein Land in jungen Jahren zu bereisen, ist doch etwas sehr Schönes."
Dieses Jahr ist seine 15-jährige Tochter Katrin Austauschschülerin. Vor zwei Jahren hat er seinen Sohn Felix mit dem Friedrich-Rückert-Gymnasium nach China geschickt. "Felix war total begeistert. Nach seiner Rückkehr hat er auch einige Vorträge gehalten und er war so ziemlich der Einzige, der während der Reise durch China wohl keinen Durchfall hatte."
Und das soll etwas heißen. Denn das Essen in China ist komplett anders. Aber ist doch klar - andere Länder, andere Sitten. "Ich habe alles gegessen was auf den Tisch kam, und ich hoffe, ich habe keinen Hund gegessen", schmunzelt Felix über die Essgewohnheiten der Chinesen heute.
Die Austauschschülerin Zi Han Wang vermisste zwar ihren Reis, aber verhungern musste sie bei den Habermanns nicht. "Am liebsten würde Zi Han dreimal am Tag eine warme Mahlzeit haben. Mit Brot kann sie überhaupt nichts anfangen - alle möglichen Sorten und Varianten habe ich ausprobiert", erzählte Gastmutter Sonja Habermann.
Brot kommt nicht an
Das bestätigte Zi Han: "Wenn ich etwas überhaupt nicht verstehe, dann die Tatsache, dass die Deutschen jeden Tag Brot essen." Aber schnell war klar, was auf den Tisch muss: "Fleisch in alle Variationen - das liebt sie", lächelte Frau Habermann. Mit Besteck anstatt Stäbchen zu essen war kein Problem. Erdbeeren und Himbeeren wurden auch schon aus dem Garten probiert. Wo das chinesische Mädchen allerdings mächtig die Nase gerümpft hatte, war der Schnittlauch. War es der Geschmack oder die Tatsache, den Schnittlauch frisch aus dem Garten zu zupfen?
Das kennen nur sehr wenige der Chinesen. China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde und viele seiner Regionen gehören zu den am dichtesten besiedelten der Welt. Oder so: die meisten Chinesen wohnen in den großen Städten am Küstenstreifen, das Hinterland ist kaum bewohnt. So auch Ningbo, das etwa 220 Kilometer südlich von Shanghai liegt. Da ist kein Platz für Garten und auch kein Platz für grüne Wälder, wie man sie in den Haßbergen hat. "Jede Familie hat hier ein riesiges Haus und einen eigenen Garten", staunte die 17-jährige Chinesin.
Tatsächlich Sonne!
Was sie zudem fasziniert, ist der wunderbare blaue Himmel und die frische Luft. "In Ningbo ist es fast immer bewölkt und im Sommer regnet es die ganze Zeit." Ein abendlicher Ausflug auf den Staffelberg hat den Gästen aus der Ferne noch ein anderes Naturspiel gelehrt: den Sonnenuntergang. "In Ningbo gibt es nur hell und dunkel. Es ist acht Uhr, und die Sonne ist einfach weg. Hier in Deutschland geht die Sonne so langsam unter und abends um zehn Uhr ist es noch hell." Zi Han Wang hat in Deutschland viele unbekannte Sachen entdeckt.
Und Familie Habermann aus Unterpreppach ist froh, das Mädchen kennen gelernt zu haben. "Sie kann 24 Stunden lang shoppen", grinst Mutter Sonja. "So ein Austausch ist zwar immer sehr anstrengend, aber doch auch etwas Wunderbares." Lachen konnten die Habermanns viel mit Zi Han Wang.
Beim ersten Frühstück war das Aufschneiden des Brötchens ein sehr großes Problem und dann kam Marmelade belegt mit Salami obendrauf. Kulturelle oder sprachliche Probleme? Nein, bei Habermanns klappt das super. "Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, die Kinder mit Englisch und wir mit unserem Fränglisch", lacht Thomas Habermann, der von diesem Austausch wirklich begeistert ist und den organisierenden Lehrern ein großes Lob ausspricht.
Für seine 15-jährige Tochter Katrin geht es im Oktober dann mit der Gruppe vom Friedrich-Rückert-Gymnasium und drei Lehrkräften in das Land ihrer Austauschpartnerin. Eine Woche Aufenthalt bei der Gastfamilie in Ningbo und eine Woche Rundreise bis hoch nach Peking stehen auf dem Programm. Von ihrem großen Bruder hat sie schon einige Bilder gesehen, aber sie wird ihre eigenen Erfahrungen machen: "Ich freue mich darauf, die Kultur zu entdecken. Es wird ja vieles sicherlich ganz anders sein", ist sich die junge Dame sicher. Aber hoffentlich: "Ente gut, alles gut!"
Das Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern spannt seine Netze über den Erdball. Neben Frankreich, Schottland, Polen und Indien pflegt das Gymnasium in Ebern seit 2007 auch einen Austausch mit China. Englisch- und Französischlehrer Rudolf Hein übernimmt dabei die Hauptorganisation.
China ist nicht gleich Frankreich oder Schottland. China ist nicht Europa. China ist wirklich weit weg. Und somit ist der Aufwand für solch einen Schüleraustausch auch etwas anderes. Visa müssen beantragt und dann auch genehmigt werden, Dolmetscher organisiert, Langstreckenflüge gebucht und kulturelle Grenzen überwunden werden.
"Mit den Visa hatten wir schon so einige Probleme. Da ändern sich die Bestimmungen ja ständig", erzählt Rudolf Hein. An interessierten Schülern mangelt es nicht, laut Katrin Habermann, die in diesem Jahr mit nach China fährt.
Dieser freiwillige Schüleraustausch wird klassenübergreifend für die achten und neunten Klassen angeboten. Für viele ist es das erste Mal, ohne Eltern so weit weg zu fahren.
Man spricht Englisch
Die High School No. 3 der Millionenstadt Ningbo ist Austauschpartner des Friedrich-Rückert-Gymnasiums. Wie auch im deutschen Schulsystem gibt es im chinesischen verschiedene Zweige, die an der Schule gewählt werden können. An der Partnerschule in China gibt es einen Kunstzweig und einen Deutschzweig, oder auch Departments genannt.
Die chinesischen Schüler, die mit nach Deutschland kommen, stammen nicht alle aus dem Deutsch-Department. Somit ist die Verständigungssprache zwischen den Schülern immer Englisch. Aber eine Dolmetscherin muss dabei sein. Denn mit Schriftzeichen können wir in Deutschland nicht dienen.