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Das Stadion als Arbeitsplatz


Autor: Christiane Reuther

Knetzgau, Freitag, 01. Juli 2016

Felix Reuther aus Knetzgau arbeit in Marseille als Volunteer bei der Fußball-EM. Jetzt hofft er auf das Halbfinale Deutschland gegen Frankreich.
Felix Reuther als Volunteer in Arbeitskleidung mit seiner Kollegin Janne Fotos: Felix Reuther


Die Leidenschaft für Frankreich hat Felix Reuther (25) aus Knetzgau für ein Jahr in die französische Hafenstadt Marseille verschlagen. Seine Zeit als Au-pair und der Einsatz als Volunteer bei der Fußball-Europameisterschaft schildert er im folgenden Bericht:

"Bonjour Frankreich" hieß es für mich vor knapp einem Jahr. Ich hatte nach meinem Besuch der Realschule Haßfurt eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker absolviert, im Anschluss den Bundesfreiwilligendienst beim BRK in Haßfurt geleistet und danach am Bayernkolleg in Schweinfurt mein Abitur nachgeholt. Genau wie viele andere Abiturienten stand ich vor der Frage: "Abitur - und dann"? Ich habe mich für eine Auszeit als Au-pair in einer französischen Familie entschieden.

Und da ich Meer und Strand liebe, hatte ich mich für einen Aufenthalt in Marseille als der Kulturhauptstadt Europas 2013 beworben und wurde auch genommen.


Um drei Kinder gekümmert

Ich ging relativ entspannt an die ganze Sache ran, musste aber schon sehr bald feststellen: Drei Kinder in einer französischen Familie mit einer alleinerziehenden Mutter zu bespaßen, ist nicht so einfach: Das Frühstück für die Kinder vorbereiten, sie zur Schule begleiten, nach Schulschluss wieder abholen, am Nachmittag Hausaufgaben überwachen, am Abend das Diner kochen und die Kinder schließlich ins Bett bringen war alles andere als ein Spaziergang. Mit den zwei Jungen im Alter von sieben und zehn Jahren sowie dem Mädchen im Alter von acht Jahren die jeweilige Freizeitbeschäftigung zu organisieren und aufzupassen, dass sie sich nicht die Köpfe einschlagen, gehörte bald zu meinem Alltagsritual in der Gastfamilie. Dreimal in der Woche besuchte ich noch eine Sprachenschule, um mein Französisch zu verbessern. Es war eine sehr schöne Zeit, in der ich viele internationale Freundschaften geschlossen habe und ein ganz anderes Leben führen konnte als in Deutschland.

Jetzt sind die Tage in Frankreich gezählt und die Krönung hat bereits am 10. Juni mit dem Beginn der Europameisterschaft begonnen. Dort bin ich als Volunteer im Bereich Ticketing im Einsatz. Mein Arbeitsplatz ist das 67 000 Zuschauer fassende Stade Vélodrome, in dem Olympique de Marseille seine Heimspiele in der Ligue 1 austrägt. Auf der Homepage der UEFA bin ich auf die Tätigkeit als Freiwilliger während der EM aufmerksam geworden, da ich eine Möglichkeit suchte, die vier Gruppenspiele und ein Viertel- sowie Halbfinale kostenlos zu sehen.

Nach einem halbstündigen Vorstellungsgespräch im Dezember wurde ich schließlich aus 2500 Bewerbern ausgewählt und bin nun mit 750 anderen Volunteers für den reibungslosen Ablauf der Spiele in Marseille mitverantwortlich.


Feiern mit Neuer, Müller und Co.

Alle Freiwilligen sind in 15 verschiedenen Tätigkeitsgruppen eingeteilt. Ich bin für den Bereich Ticketing tätig, in dem es verschiedene Aufgaben gibt: Gekleidet im gesponserten Adidas-Outfit kontrolliere ich Sitzplätze, drucke Tickets für die Kunden aus, kontrolliere Tickets am Stadioneingang oder zeige den Zuschauern ihre jeweiligen Sitzplätze im Stadion. Die Atmosphäre während der Spiele ist einfach "superbe", vor allem wenn die Nationalhymne des jeweiligen Landes gespielt wird.

Lebhaft bleibt mir die Begegnung England gegen Russland in Erinnerung, bei der es leider in den Tagen zuvor und nach dem Spiel zu teilweise heftigen Ausschreitungen in der Stadt kam. Jetzt hoffe ich natürlich, dass Deutschland sein Spiel am Samstagabend gewinnt. Dann könnte ich bei meinem letzten Einsatz in Marseille beim Halbfinale am 7. Juli zwischen Deutschland und Frankreich - oder Island - schon ein bisschen Heimat schnuppern und mit Neuer, Müller und Co. hoffentlich (!) den Finaleinzug feiern.