Das Hobby als Beruf
Autor: Ralf Naumann
Ebelsbach, Freitag, 06. Februar 2015
Helga Weis führt seit 35 Jahren eine Handarbeitsboutique in Ebelsbach. Wie viele Mützen, Schals und Pullis sie seitdem gestrickt hat, weiß sie nicht. Hauptsache, es macht immer noch viel Spaß.
Fünf, zehn oder 15, oder etwa noch länger? "Na ja", rechnet Helga Weis vor, "wenn man alle Schals, Mützen, Strümpfe und Pullis und so weiter hintereinander legen würde, wären es bestimmt schon 20 oder mehr. Es geht jedenfalls in keinem Raum". Die Frage, wie viele Kilometer sie in ihrem Leben bereits gestrickt hat, spielt für die 68-Jährige auch keine große Rolle.
Viel wichtiger ist: Der Ebelsbacherin macht ihre Leidenschaft selbst nach 50 Jahren immer noch großen Spaß. Und dass sie vor 35 Jahren, am 7. Februar 1980, aus ihrem Hobby ihren Beruf gemacht und in ihrem Heimatort ihr eigenes kleines Geschäft eröffnete, hat sie nie bereut. "Handarbeiten waren schon immer mein Hobby", erinnert sich Helga Weis, die in ihrer Jugend in einem Internat in Lülsfeld ihre Hauswirtschaftsprüfung ablegte, an ihre Anfänge.
"... bis hin zu Bikinis"
Doch ihr Hobby ließ sie nicht los. Erst recht nicht ihr Traum von einem eigenen Wollladen. Als ihre drei Kinder bereits im Teenageralter waren, erfüllte sie ihn. In der Stettfelder Straße eröffnete Helga Weis auf gut 40 Quadratmetern ihre gleichnamige Handarbeitsboutique. "Ich habe Mützen, Pullis, Schals, Jacken bis hin zu Bikinis und viele andere Sachen gestrickt und gehäkelt", blickt die damals 33-Jährige an die Anfänge zurück. "Und zwar stundenlang."
Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Nachdem sie um 18 Uhr ihre Ladentüre verschlossen hat, geht es nach einer kurzen "Atempause" im heimischen Wohnzimmer weiter: Nicht selten sitzt Weis bis kurz vor Mitternacht auf ihrer Couch und strickt, um Neues auszuprobieren und ihren Kunden neue Angebote unterbreiten zu können.
Bei ihr ist noch möglich, dass gemeinsam gestrickt wird und Probleme gleich an Ort und Stelle gelöst werden. Natürlich kommt dabei "der ein oder andere Plausch" auch nicht zu kurz, freut sich die 68-Jährige und ergänzt: "Dafür ist so ein kleiner Laden einfach ein Traum. Gerade vor den Festtagen kommen die Leute, bringen Aufmerksamkeit, haben Zeit, bedanken sind. Da freue ich mich einfach."
Ihre Vorstellungen vor 35 Jahren haben sich demnach "voll und ganz erfüllt"." Klar, dass sie die Frage, ob sie den Sprung in die Selbständigkeit heute wieder wagen würde, mit einem überzeugenden "natürlich" beantwortet.
Ärger wegen Discountern
Allerdings: Ganz so einfach wie 1980 wäre es vermutlich nicht mehr, denn die Konkurrenz hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Vor allem die der Discounter, die oftmals Strickwaren im Sortiment haben zu Preisen, bei denen Helga Weis nicht wirklich mithalten kann. Besonders ärgern sie dann die Leute, welche die Wolle billig einkaufen und mit den Gebrauchsanweisungen nicht klarkommen. "Von mir wollen sie dann Anleitung haben. Aber dann habe ich einfach keine", ärgert sie sich über diese Vorgehensweise. "Am Anfang", sagt sie, "war ich noch großzügig. Jetzt mag ich nicht mehr. Wenn die Kunden ihre Wolle beim Discounter kaufen, sollen sie dort auch zurechtkommen."
"Was machen wir denn, wenn du heute nicht mehr da bist?". Diese Frage hört Helga Weis immer wieder. Und nicht erst seit ihrer schweren Erkrankung vor einigen Jahren. "Ich arbeite, solange es mir noch gut geht", beruhigt sie ihre Stammkunden. Und auch junge Männer sind vermutlich froh über diese Aussage, denn vielleicht kommt ein zweiter Strickboom. An den ersten erinnert sich die Boutiqueninhaberin heute noch gerne zurück, schließlich war ihr Laden abends immer richtig voller Leben. Grund war vor einigen Jahren der von zwei Studenten in Oberfranken ins Leben gerufene "MyBoshi-Mützen"-Boom. Da wurde auch bei Helga Weis gehäkelt, was das Zeug hielt. "Alle wollten sich solch eine Mütze selbst häkeln", denkt sie gerne an lustige Stunden zurück, die ihr natürlich auch viel Umsatz brachten. "Da habe ich Wolle verkauft wie die Bäcker ihre Brötchen", lacht sie.
Zurück zu reinen Handarbeit
Seit sieben Jahren strickt Helga Weis aufgrund ihrer Krankheit nur noch mit ihren beiden Händen und nicht mehr mit ihrer Strickmaschine. "Das ist freilich viel schneller gegangen", fiel ihr die Umstellung zurück zur reinen "Handarbeit" zunächst nicht einfach. Doch mittlerweile ist die Ebelsbacherin längst wieder in ihrem Element. "Es dauert zwar ein bisschen länger, macht aber genauso viel Spaß", sagt sie und strickt in der Ecke ihrer Boutique weiter an einem neuen Winterpullover. Ganz ohne Langeweile, wie seit 35 Jahren.