Corona befeuert das Online-Geschäft: Immer mehr Online-Shops im Landkreis Haßberge starten
Autor: Jutta Rudel
LKR Haßberge, Donnerstag, 17. Sept. 2020
Viele Firmen verkaufen ihre Produkte schon seit Jahren nicht nur im Laden, sondern auch im Internet. Durch die Corona-Krise wurde dieser Trend ins Digitale befeuert - mit Erfolg. Auch im Landkreis Haßberge gründen einige Unternehmer nun ihre eigenen Web-Shops.
Nicht nur die Branchenriesen setzen seit langem auf mehrere Vertriebswege. Auch kleine Geschäfte vor Ort nutzten vermehrt die Möglichkeit, ihre Produkte auch im Internet zu verkaufen. Das gelingt über Drittanbieter wie Amazon oder Ebay, die bereits eine Verkaufsplattform bereitstellen. Wer einen Schritt weitergeht, der gründet seinen eigenen Online-Shop. Gerade im Frühjahr, als Läden bundesweit wegen des Corona-Virus schließen mussten, war das Geschäft im Netz für viele Unternehmer der einzige Hoffnungsschimmer.
Gründung von Online-Shops
So startete der Motorrad-Ausrüster MEC aus Obertheres, der unter anderem Kess-Tech-Auspuffanlagen verkauft, Ende März einen ersten Versuch, Produkte über die eigene Website zu verkaufen, wie Marketing-Managerin Franziska Wicht berichtet. "Nun ist seit kurzem, seit September, unser Web-Shop online." Grund für diesen Schritt waren auch die positiven Erfahrungen, die während des Lockdowns gesammelt wurden: "Während der Corona-Zeit, als nahezu alle unsere Händler ihre Geschäfte geschlossen hatten, haben wir kurzfristig eine Online-Bestellmöglichkeit für unsere Endkunden über unseren Konfigurator angeboten", erklärt sie. "In dieser Zeit haben wir gemerkt, dass sich ein digitaler Vertrieb - trotz Einbau der Produkte beim Händler - für uns eignet und beschlossen, auch für die Zeit nach Corona, einen Webshop ins Leben zu rufen."
Aufgrund der großen Produktpalette und der Internationalität des Unternehmens war es "schon ein größeres Projekt". Zur technischen Umsetzung wurde beispielsweise eine Agentur engagiert. Wicht ist sich sicher, dass sich der Aufwand lohnt: "Mit unserem neuen Webshop gehen wir einen weiteren großen Schritt in die Zukunft - in Richtung Digitalisierung."
Mehrere Vertriebswege nutzen
Den Schritt zum eigenen Web-Shop will jetzt auch die Firma Mandrops aus Ebern wagen. Das bekannte Familienunternehmen verkauft Spielwaren, Camcorder, Computer, Konsolen sowie große und kleine Hausgeräte und noch vieles mehr. Die Grundidee, den Verkauf auf mehrere Standbeine zu verteilen, um möglichst unabhängig zu sein, bestehe bereits seit vielen Jahren, wie Verkaufsleiter Karsten Dehler berichtet. "Wir haben mit Dritt-Plattformen angefangen, weil es einfacher war. Nichtsdestotrotz werden wir mit einer eigenen Markenplattform beginnen. Das wird, wenn man es professionell aufziehen will, super aufwendig."
Denn es sei gar nicht so einfach, einen eigenen Online-Shop aufzustellen - und es sei auch nicht garantiert, dass der Verkauf im Web ein Erfolg wird. "Die Kunden müssen den Shop zum Beispiel erst im Internet finden und die Seite muss attraktiv gestaltet sein", gibt er zu bedenken. Doch die Vorteile eines eigenen Web-Shops überwiegen: "Ich bin super flexibel, wie ich meine Produkte darstelle, kann den Shop mit dem Markenstore vor Ort verknüpfen und individuell mit dem Kunden kommunizieren", erklärt der Vertriebsleiter.
Es werde einige Zeit dauern, so Dehler, bis das stationäre Geschäft wieder aufholt. "Das Einkaufserlebnis muss erst wieder zurückkommen. Die Leute müssen Spaß haben, das macht es mit Mundschutz nicht", merkt er an.
Dennoch: Das Vertrauen in den stationären Verkauf besteht nach wie vor. "Durch Corona hat sich nichts an unserer Grundeinstellung geändert. Wir werden unsere Aufstellfläche vor Ort auf 2000 Quadratmeter vergrößern. Also wird beides, das Online- und Offline-Geschäft, parallel ausgebaut."
"Unser Vorteil ist, dass wir beide Optionen - online und offline - haben", erklärt Svenja Kinder vom Marketing genauer. Denn es gebe Kunden, die sich die Produkte vor Ort anschauen und später online bestellen, aber es gibt auch Kunden, die sich erst online über das Produkt informieren und es dann vor Ort kaufen.
Besonders wichtig ist es der Firma, die Lagerung und Lieferung der Produkte in der eigenen Hand zu haben. Die eigene Lagerhalle sei grundsätzlich von Banken kritisiert worden, sollte sich in der Pandemie aber bewähren. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen war der Eberner Mittelständler nicht von Vorlieferanten abhängig, sondern konnte schnell liefern und Versorgungsengpässe schließen. "Corona war eine Bestätigung, dass man versuchen sollte, sich nicht in Abhängigkeiten zu begeben. Sobald ich alles im Griff habe, kann ich schnell ausweichen", sagt Dehler. Auch konnte der Mittelständler ohne Kurzarbeit durch die Krise kommen. "Wir waren glücklich, dass wir in der Krisenzeit so digitalisiert waren, dass das Ladenpersonal auch im Lager mitarbeiten konnte."
Die Grenzen verschwimmen
Flexibel sein und Lösungen finden, so Dehler weiter, müsse man aber eigentlich immer. "Auch ohne Corona wird sich der Markt ständig verändern. Nur den Laden früh aufzusperren und um 17 Uhr zuzusperren reicht nicht. Querdenken ist immer ein Thema."
So möchte Mandrops dem Kunden den Kontakt so einfach und flexibel wie möglich machen. "Die Prozesse von Bestellung bis zur Warenauslieferung werden digitalisiert und automatisiert, das ist auch gut so. Aber an dem Punkt, wo der Kunde mit uns in Kontakt tritt, bleiben wir flexibel", so Dehler. Das gehe online, im Markt, telefonisch, oder auch über Whatsapp.
Die Grenzen zum Offline-Store und Online-Store verschwimmen. Es gehe, so Dehler, um Einkaufserlebnisse. Dazwischen stehen die Social-Media-Kanäle wie Facebook und Instagram. Über die Kanäle ermöglichen sie Kunden auch einen "Blick hinter die Kulissen", was Transparenz ermöglicht und den Kunden ein gutes Gefühl gibt. "Man muss auf jeden Fall auf den Laufenden bleiben", bestätigt Svenja Kinder und sagt mit einem Lächeln: "Da wird in Zukunft auf jeden Fall etwas auf uns zukommen, worauf wir uns schon freuen."
Branchen denken digital
"Fundierte Zahlen oder gar eine Liste von Betrieben mit Online-Shop habe ich leider nicht", sagt Wirtschaftsförderer Michael Brehm vom Landratsamt Haßberge auf Nachfrage dieser Zeitung. "Als die Corona-Pandemie losging und zahlreiche Geschäfte schließen mussten, haben wir versucht, deren (Ersatz-)Leistungen - wie Abhol-, Liefer-, Versandservice, Gutscheine oder Online-Shop - auf einer eigens aufgelegten Online-Map darzustellen." In Summe haben sich 117 Betriebe eingetragen, davon 28 mit dem Angebot "Online-Shop". In der Regel sei es, so Brehm, natürlich der klassische Einzelhandel, der die elektronischen Vertriebswerte nutzt, um (zusätzliche) Kunden zu generieren. "Aber vom Empfinden her würde ich sagen, dass gerade Corona dazu geführt hat, dass sich auch andere Branchen, zum Beispiel Gärtnereien, verstärkt dem Thema ‘Online-Shop' annehmen", meint Brehm.
Von Elektroartikel über Gartengeräte bis hin zu Lebensmitteln: Es gibt kaum etwas, dass man heutzutage nicht im Internet bestellen kann. Wie wäre es mit Bier? Diese Möglichkeit bietet die Brauerei Göller aus Zeil schon vor der Corona-Krise im eigenen Web-Shop an. "Der größte Absatz findet stationär bei unseren Kunden aus dem Getränkehandel, in der Gastronomie und auf Festen hier in der Region statt", stellt Brauingenieur Max Göller klar. Dennoch sollen Kunden, die weiter weg wohnen, die Möglichkeit haben, die Biere zu bestellen. "Das Schöne ist, dass wir Mehrwegflaschen verschicken. Wenn sich also jemand 20 Flaschen Bier schicken lässt, kann er die Pfandflaschen auch bei sich zuhause abgeben", sagt Max Göller und gibt damit ein weiteres Beispiel, wie regionale Betriebe digitale Lösungen finden und ihren Kunden damit neue Einkaufsmöglichkeiten eröffnen.