Druckartikel: Cool, wie auch Goethe zu seiner Zeit

Cool, wie auch Goethe zu seiner Zeit


Autor: Sabine Weinbeer

Haßfurt, Montag, 24. April 2017

Bas Bötcher, Meister des Poetry-Slam, erklärte in Haßfurt, was Dichten mit Duschen, Laufen und Irrtümern zu tun hat.
Mit seinem Poetry-Slam zog Bas Böttcher das Publikum in Haßfurt in seinen Bann. Foto: Sabine Weinbeer


Dichter-Wettstreite sind fast so alt wie die Sprache und die moderne Fassung der Lyrik ist der Poetry-Slam. Die erste deutschsprachige Poetry-Meisterschaft gewann Bas Böttcher, der quasi als Pionier gilt. Das erste Literaturfestival brachte ihn auch in Haßfurt auf die Bühne und das Publikum war begeistert von dieser vielleicht exotischsten Veranstaltung des Festivals.

Der Einladung "Lassen Sie sich überraschen", die Stefanie Schleicher von der mitveranstaltenden Buchhandlung Hübscher ausgesprochen hatte, folgten zahlreiche Zuhörer, für die der Abend die erste Begegnung mit dieser Kunstform war. Rudolf Hart zum Beispiel bekannte: "Ich hab eigentlich nur meine Frau begleitet, aber das war jetzt sehr faszinierend".

Er hatte eineinhalb Stunden Sprach-Akrobatik hinter sich, die nicht nur dem Vortragenden, sondern auch seinem Publikum höchste Konzentration abverlangte. Oftmals beginnt ein Text ganz locker-flockig, doch dann schält sich zunehmend ein ernstes Thema heraus, eine fast beiläufige Analyse, Entlarvung.


Gehen gibt Rhythmus vor

Im vorausgehenden Interview verriet Bas Böttcher, dass er seine Gestik unter der Dusche übt -und dass er gerne im Laufen dichtet, weil das Gehen schon einen gewissen Rhythmus vorgibt - inzwischen hat er dabei oft seine sieben Monate alte Tochter vor der Brust. Oft seien es ganz alltägliche Worte, die ihn zu einem Text bringen. So informierte ihn sein Handy über eine "vorübergehende Netzstörung" und daraus wurde der Titel seines aktuellen Werkes "Vorübergehende Schönheit". Dichter "kochen schon immer mit den gleichen Zutaten", aber immer in der Sprache der Zeit, erklärte er. Auch Johann Wolfgang von Goethe sei zu seiner Zeit cool gewesen und die Teenager hätte sich "für ihn hingeschmissen, wie heute für Take That".


Poetry für die Schule

Mit seinen Texten hat er es mittlerweile auch in Schulbücher geschafft - was dazu führt, dass ihn Protest-E-Mails erreichen von Schülern, die anders interpretierten als ihrer Lehrer. Auch im Publikum saßen einige Deutschlehrer, die Bas Böttcher gerne mit ihren Schülern behandeln. "Das kommt bei den Schülern an", erklärte Alexandra Weber.

Egal ob bereits Fan, oder Neugieriger: Mit seinen Texten hatte Bas Böttcher sein Publikum sofort in den Bann gezogen.

Er zeigte auf, wie aus Missverständnissen neue Ideen entstehen, wie sich Wörter in anderen verstecken, wie entscheidend der Sprechrhythmus, eine Pause, ein Komma, für den Sinn eines Textes sein können. Manchmal kommt man kaum nach, den Wortspielen zu folgen. Etwa bei seiner Fassung der Bremer Stadtmusikanten. Der Grund für die optisch lustige Tier-Pyramide sei ein ernster gewesen, denn "Wir finden was Besseres als den Tod überall", doch "Weil sie zueinander standen, waren sie so groß wie Giganten".


Heitere Versmaß-Lehre

Auch ein bisschen heitere Versmaß-Lehre gab es mit Erläuterungen zu Daktylus und Trochäus. Und eine Gebrauchsanweisung für Lyrik: "Wenn man ein Gedicht nicht versteht, dann muss man es fühlen".
Auch auf Zuruf wird der Dichter kreativ. Zum Thema Strand fällt ihm ein: "Ein Strand ist vom Land nur der Rand". Und auch dem Fehler hat er ein Loblied geschrieben, denn "Jeder Lapsus ist Luxus. Ich bin Fehlermachmeister, das Tüpfelchen unter dem i".

Bis auf die Zugabe "Frühling heißt spring" trug Bas Böttcher alle Texte frei vor, stand da im dunklen Anzug mit Hut und faszinierte auf besondere Weise.

Entsprechend groß war anschließend auch das Interesse, mit ihm zu sprechen und sich Bücher signieren zu lassen. Zu seinen Büchern gehört immer auch eine CD, denn der Vortrag ist ein ganz wesentlicher Aspekt dieser Texte.