Christina schafft's ins Arbeitsleben
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Montag, 01. Oktober 2012
Die 19-Jährige aus Unterpreppach hat einen Ausbildungsplatz im Eberner Edeka-Markt gefunden. Die behinderte Mitarbeiterin erntet Lob von allen Seiten.
An ihre Glastüren lässt sie zum Putzen niemanden mehr ran. Schon nach wenigen Wochen hat Christina Hämmerlein (19) ihre Berufung gefunden. Die junge Unterpreppacherin absolviert eine Ausbildung im Edeka-Markt in Ebern. Auf das Kühlregal ist "sie ganz heiß".
Nach dem Absolvieren der Förderschulen in Ebern und Augsfeld ist die junge Unterpreppacherin in der Berufswirklichkeit anstatt in der Lebenshilfe-Werkstatt angekommen. "Sie ist uns eine große Hilfe", schwärmen ihre Ausbilderinnen Silke König und Jeanette Öckler, die ihrem Zögling nach einer kurzen Eingewöhnungsphase nunmehr schon ein gutes Zeugnis ausstellen: "Sie ist fleißig und setzt die Sachen, die man ihr aufträgt, zuverlässig um und entlastet uns von Routinearbeiten."
Dazu zählt beispielsweise das tägliche Wienern der langen Front der Glasscheiben oder das Einräumen der Kühl-, Milch- und Käseprodukte.
Ein gelungenes Beispiel für Inklusion, erkennt Peter Pratsch in der Vermittlung von Christina. Der Maroldsweisacher Pratsch leitete früher den sozialpsychiatrischen Verbund auf dem Zeilberg bei Voccawind sowie an der Eiswiese in Ebern und ist nun für die Lebenshilfe Schweinfurt als Projektleiter für Außenarbeitsplätze zuständig. In drei Fällen ist er im Haßbergkreis schon fündig geworden und hat dort seine Schützlinge untergebracht: im Sander Bauhof, in einer Brauerei in Zeil und eben im Lebensmittelmarkt in Ebern.
Idee kam spontan an
Dort rannte er offene Türen ein, mit dem Projekt, das von der Agentur für Arbeit unterstützt wird: Junior-Chef Sebastian Rother kannte bereits den Ansatz, Menschen mit Behinderung dauerhaft im Arbeitsmarkt zu integrieren. Während seiner Ausbildung in einem Markt in Zapfendorf hatte er damit beste Erfahrungen gesammelt. So war es für die Firmenchefs Helene und Klaus Rother keine Frage, auch Christina so eine Chance zu bieten.
Im Raum Bamberg sind die Lebenshilfe-Werkstätten unter dem Titel "Integra" 90 Patenschaften mit solchen Vorzeigebetrieben eingegangen. Im Kindergärten, in Heimen, bei Handwerkern, in Märkten und Bäckereien - auch beim Ebener Partyservice Streit - arbeiteten oder arbeiten junge Menschen, die früher in Lebenshilfe-Werkstätten beschäftigt worden wären. An diesem Projekt hat sich auch Peter Pratsch orientiert. Die berufliche Ausbildung -"fulltime" - soll Selbstwertgefühl und Teamfähigkeit steigern. Und als ob Christina dafür den Beweis antreten wollte, huscht sie vorbei und zeigte einer Kundin stolz den Weg zu einem Produkt, das diese minutenlang vergeblich gesucht hatte.
"So muss es sein", freut sich Pratsch über das selbstständige und verantwortungsbewusste Handeln der 19-Jährigen. Und die beiden Ausbilderinnen fügen hinzu: "Christina ist vielleicht sogar einen Tick genauer."
Das überzeugt auch die Behinderten-Beauftragte im Eberner Stadtrat, Isabell Kuhn(Junge Liste), zugleich Leiterin der heilpädagogischen Tagesstätte der Lebenshilfe. Die kennt Christina noch aus ihrer Zeit als Schülerin in der Lebenshilfe-Tagesstätte. "Ich hoffe, dass noch mehr Betriebe dafür offen sind, eine berufliche Orientierung zu bieten. So, wie es die Familie Rother macht, ist das prima und nachahmenswert."
Peter Pratsch freut sich, dass die Arbeitnehmerin Christina "so positiv aufgenommen" wird und "die Kunden schon nach ihr fragen". Pratsch: "Wir möchten dieses Projekt zu einem Gütesiegeln entwickeln."
Eines der Zauberwörter ist neben der Inklusion dabei die "Sozialraum-Orientierung". Pratsch: "Es ist gut, dass Christina in Ebern eine Arbeit gefunden hat. So kannte sie ihre Ausbilderin schon aus ihrem Heimatort. Solche Beziehungen wollen wir nutzen und kleinräumige Netzwerke aufbauen."
Und auch der Weg zur Arbeit ist kein Problem: Peter Pratsch hat erreicht, dass ein Bus, der jeden Morgen von Haßfurt nach Ebern fährt, nun auch durch Unterpreppach steuert und Christina mitnimmt. Sie wächst ohne Ausgrenzung auf und steht mitten im (Berufs-)Leben.