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Chinesen lieben Knoblauchdragees


Autor: Helmut Will

Ebern, Dienstag, 10. Februar 2015

Das Friedrich-Rückert-Gymnasium Ebern organisiert regelmäßig einen Schüleraustausch mit einer Schule in Ningbo. Anna Nestmann bereitet anhand ihrer Erinnerungen ihre kleine Schwester Alisa auf dieses außergewöhnliche Erlebnis vor.
Ein toller Anblick bot sich Anna (rechts) und ihrer Freundin Lina (links) in der Metropole Shanghai.  Foto: Privat


Knapp 8000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Nürnberg und Peking, der Hauptstadt der Volksrepublik China. Im Herbst ist das das Ziel von Alisa Nestmann aus Mürsbach. Sie fährt bei einem Schüleraustausch des Friedrich-Rückert-Gymnasiums (FRG) in den fernen Osten. Alisa weiß auch ziemlich genau, was sie erwartet. Das hat einen besonderen Grund: Die große Schwester der Neuntklässlerin, die 17-jährige Anna Nestmann, hat diese Reise mit einer Schülergruppe des FRG Ebern vor drei Jahren unternommen, im November 2011.

China steht ihr bis heute nahe

"Zhongyu", wie die Chinesen ihr Land nennen, zu Deutsch das "Reich der Mitte" hat sie so beeindruckt, dass ihr dieses asiatische Land auf der anderen Seite des Globus bis heute nahe steht.

Ihre Erlebnisse prägen sie und stehen ihr lebendig vor Augen.

"Als ich gehört habe, dass ich mit meiner Schule nach China darf, habe ich mich ganz doll gefreut. Ich wollte gerne mit in das Land mit einer anderen Kultur, einer anderen Staatsform", sagt Anna Nestmann. Man wisse nie, was einen erwartet, alles sei unwirklich aber auch spannend.

Von Nürnberg aus ging es mit dem Flieger nach Amsterdam. "Ich habe daran nur gute Erinnerungen, habe die Reise zusammen mit meinen Mitschülern vom Anfang bis zum Ende genossen", sagt Anna. Eifrig kramt sie in ihren Erinnerungen, und das mit Hilfe des Laptop: Da hat sie die Fotos abgespeichert und redet sich beim Durchklicken immer mehr in die Begeisterung.

Zehn Stunden Flug

Nach der Zwischenlandung in Amsterdam brachte ein Jet Anna und ihre Schulfreunde in einem etwa zehnstündigen Flug nach Shanghai. Nach etwa 9000 Flugkilometern setzte er am Flughafen Shanghai-Pudong auf.

"Schon beim Auschecken wurde Asien spürbar", sagt die Gymnasiastin, die derzeit die zwölfte Klasse besucht: Fremde Schriftzeichen, fremde Gerüche, eine ganz andere Atmosphäre.

Erstes Etappenziel war die Stadt Ningbo, in der sich die Partnerschule des FRG befindet. "Mit etwa sechs Millionen Einwohnern ist das für chinesische Verhältnisse eine mittelgroße Stadt. Hochhäuser ragen in den Himmel, so hoch, dass man manchmal das Ende gar nicht sehen kann", erzählt die Schülerin. Der Platz ist in den Städten Chinas recht knapp, weshalb die Gebäude stark in die Höhe wachsen. Anna hat bei ihren Gasteltern in Ningbo gewohnt.

",Ohje, wo bin ich da hingekommen‘, habe ich gedacht, als ich das Haus von außen gesehen habe", sagt sie. Dann jedoch sei sie von der Wohnung positiv überrascht gewesen. "Meine Gasteltern gehörten bestimmt nicht zu den Ärmsten", ist sie sich sicher. In der Stadt Ningbo sei etwa ein Zehntel der Bevölkerung reich, der Rest ist meist sehr arm. Dazu, so Anna, passt das chinesische Sprichwort: "Der reiche Mann denkt an die Zukunft, der arme an die Gegenwart."

Chinesische Namen sind schwer

Ihre Chinesin heißt Joy. Sie ist 16 Jahre alt. "Ihre Chinesin", das ist die Tochter ihrer Gasteltern, die auch schon bei ihr in Mürsbach zu Besuch war. Joy klingt nicht chinesisch und ist es auch nicht: "Die chinesischen Namen sind nicht leicht auszusprechen, deshalb gab ich ihr den Namen Joy", erklärt Anna. Diese habe sich, als sie zu Besuch in Deutschland war, wie in einem Naturpark gefühlt, erzählt Anna. Denn in China ist alles grau, viel Dunst und Smog liegen in der Luft. "Ich denke, Joy hat in Deutschland erstmals die Sterne am Himmel gesehen. In China sind die meist wegen des Smogs nicht zu sehen."

Anna sah in China viele Menschen mit Atemschutzmasken. Und viele Rollerfahrer. "Die rasen kreuz und quer, und du denkst immer, hoffentlich erwischt dich keiner", berichtet die 17-Jährige.

Sie erzählt, sie sei sehr freundlich aufgenommen worden, bei den Gasteltern und in der Schule. "Schüler, die weit entfernt wohnen, leben in der Schule", sagt sie. So auch "ihre Chinesin." Joy kam allerdings während Anna bei ihren Eltern wohnte, jeden Tag nach Hause. Der Lerndruck ist in China enorm hoch. "Für die Schüler dort gibt es nur wenig Freizeit."

Viele Sehenswürdigkeiten machten den Aufenthalt in Ningbo kurzweilig. Beeindruckt haben sie auch Tai-Chi, chinesisches Schattenboxen. "Die Tai-Chi-Kämpfer findest du auf vielen Straßen, alleine oder in Gruppen."

Ein besonderes Erlebnis war die Nachtfahrt mit dem Zug über 1400 Kilometer von Shanghai nach Peking. "Das war ein Arbeiterzug, und wir wurden dort wie Wesen von einem anderen Stern bestaunt", erinnert sich Anna Nestmann. Allgemein waren sie für die Chinesen häufig etwas Besonderes. "Hellhaarige Menschen sind in China eher selten, und so wurden wir sehr oft fotografiert."

Mit der chinesischen Küche kam sie ganz gut zurecht. Sie schmunzelt über einen Satz aus einem Reiseführer: "Chinesen essen alles was fliegt, außer Flugzeuge und Hubschrauber, alles was vier Beine hat, außer Tisch und Stuhl." Geschockt hat sie, als sie sah, wie Frösche, die zum Verkauf angeboten wurden vor ihren Augen geschlachtet wurden. In der Gastfamilie habe ein weiteres Sprichwort aus China gepasst: "In der Familie sei sparsam, doch Gästen gib reichlich", sagt Anna.

Einen Blick über die 20-Millionen-Stadt Shanghai bekam Anna vom zweithöchsten Turm der Stadt, den Jin-Mao-Tower. "Zugegeben, man hat schon etwas Bedenken, wenn der Lift in weniger als einer Minute die 88 Stockwerke des 420 Meter hohen Jin-Mao-Tower hoch rast."

Traditionelle chinesische Medizin

Neben vielen Sehenswürdigkeiten, wie dem Himmelstempel, dem Platz des himmlischen Friedens und der chinesischen Mauer gab es auch einen kleinen Einblick in die traditionelle chinesische Medizin. "Da gibt es viele Heilmittelchen, und wohl auch der Aberglaube spielt da etwas mit", mutmaßt Anna.

Schließlich fiel der Abschied nicht ganz leicht. "Da flossen schon auch einige Tränen, auch bei mir weil ich mich gut mit ihnen verstanden habe." Heimweh hatte Anna in den zwei Wochen in China nicht. "Viele fremdartige und interessante Eindrücke ließen gar keine Zeit dafür. "Es war einfach toll, was ich erlebt und gesehen habe. Alles ist in China anders als bei uns, es waren klasse 14 Tage in der Volksrepublik."

Durch ihr Angebot, Austauschschüler nach China zu schicken, hat das FRG Ebern, sicher bewusst, einem Sprichwort des asiatischen Landes entsprochen. "Wissen, das sich nicht täglich vermehrt, nimmt ab."

Anna hatte schon als Wahlfach chinesisch. "Da ist aber nicht viel hängen geblieben", sagt sie. Besonders in Erinnerung blieb ihr ein Abend: "Das war ein Tanzabend, an dem wir Mädels in Dirndl und die Jungs teilweise in Lederhosen Walzer und den Hochzeitsmarsch getanzt haben", sagt sie. "Ach ja, noch was. Die Chinesen stehen auf Knoblauchdragees von Doppelherz. Da habe ich einige Packungen mitgebracht." Alisa nimmt die wohl auch mit in ihr Gepäck.