Büttensitzung: So waren und "so sind wir Zeiler"
Autor: Klaus Schmitt
Zeil, Sonntag, 18. Januar 2015
Die Zeiler Narrenzunft präsentierte im 50. Jahr ihres Bestehens in ihrer Büttensitzung eine gelungene Mischung aus Tanz, Musik, Reden und spaßigen Einlagen. Ein Akteur war allerdings "gefrustet", weil ihm im Vorfeld ein Malheur passiert war.
Treffender hätte das erste Wort nicht sein können in diesen unruhigen Zeiten: "Peace" (Frieden) rief Anna Stadelmann in den Saal des Rudolf-Winkler-Hauses, als sie die erste von drei Büttensitzungen der Zeiler Narrenzunft am Samstagabend eröffnete. Verkleidet als Hippie rief sie die wilden 60er Jahre in Erinnerung. Peace und das Peace-Zeichen waren Symbole jener Generation - und immer wieder während der fast fünfstündigen Sitzung tauchten Vertreter jener Zeit auf. Ein Comeback nach dem anderen auf der Bühne.
Zeil blickte bei der Büttensitzung aus einem anderen Grund auf jene Epoche. 1965 gründete sich die Zeiler Narrenzunft (ZNZ). Der Fasching in der Stadt am Main wurde auf eine gemeinsame Basis gestellt. Lustig war"s damals schon, vielleicht ein bisschen anders. Die erste Büttensitzung dauerte bis in die Morgenstunden. Die Zuschauer haben "bis früh um 3 Uhr aushalten müssen", erzählte Helmut Trautner, der langjährige Sitzungspräsident. Warum so lange? Der damalige Sitzungspräsident Emil Schurig brauchte für seine Eröffnungsrede allein schon eineinhalb Stunden.
Heute undenkbar. Kurz und knackig und pointiert müssen die Auftritte sein. Das waren sie auch bei der Sitzung im vollen Rudolf-Winkler-Haus. "50 Jahre ZNZ - So sind wir Zeiler" lautete das Motto, das sich zum Beispiel die "Übriggebliebenen" zu Herzen nahmen. Die sechs Damen waren abrupt aus einer 50-jährigen Zeitreise gerissen worden und direkt aus dem Jahr 1965 im Jahr 2015 gelandet. "Ich will wieder zurück in die 60er", wurde gejammert. Aber am Schluss setzte sich die Erkenntnis durch: "Ich bleib da." Denn schließlich gibt es heute das Zeiler Altstadt-Weinfest. "Is des schön", schwärmten die "Übriggebliebenen".
Ihre Wiedergeburt ("mein Comeback") zelebrierte Julia Melchior in Gedichtform (ohne Manuskript als Hilfsmittel). Denn eigentlich "bin ich jetzt tot. Ich reste in Peace". Aber sie kam wieder und was tut sie dann? "Ich mache eine Partei auf und nenne sie ,die Guten'" - und zeige "einem Haßfurter, wie man einen Kreisverkehr benutzt".
Auch Zeil hat Kreisverkehre. Rund geht es allerdings in der Altstadt, in der die Unordnung beim Parken vielen Einheimischen und Auswärtigen auf die Nerven geht. Kein Wunder, dass eine Parküberwachung gefordert wird. "Resi und Babet" (Christiane Garreis und Susanne Wolfschmitt) schlüpften in die Rolle als Politessen und in neue Uniformen, um den undisziplinierten Verkehrsteilnehmern auf die Finger zu klopfen. "Die Zeiler Autofahrer haben kein Erbarmen", beschrieb Susanne Wolfschmitt die Situation. Was tun? Strafzettel austeilen: "Was meint ihr, wie die Autofahrer zusammenzucken!", schilderte Christiane Garreis. Können die Politessen dafür sorgen, dass wieder Ordnung in den Zeiler Altstadtverkehr kommt? "Mir ist es wurscht, ob die Stadt eine Lösung findet", gestand Christiane Garreis. Schließlich macht ihr und ihrer Kollegin der Job Spaß - und dabei können sie so schön über die Zeiler und die Begebenheiten in der Stadt herziehen. Zum Beispiel über die Kommunalwahlen vor knapp einem Jahr, die für Zeil kaum Veränderungen gebracht haben (die Sitzverteilung blieb gleich). Susanne Wolfschmitt: "Ich bin froh, dass im Stadtrat alles beim Alten geblieben ist."
Eine wichtige Erkenntnis brachte die Wahl dennoch, wie das Duo "Fonser und Bartl" (Dominik Syka und Christian Melchior) zu berichten wusste: Mit Dieter Köpf hat die Stadt erstmals seit 1972 einen Zweiten Bürgermeister, der nicht bei der Zeiler Narrenzunft ist.
Neben der ZNZ gehört der Wein zur Stadt. Und das wird in nächster Zeit noch deutlicher, denn erstmals wählt Zeil zusammen mit anderen Weinbau-Gemeinden eine Weinprinzessin. Eine Kandidatin hat sich schon einmal in Position gebracht. Michaela Pottler-Zink diente sich als künftige Hoheit an. Sie hat auch keine Angst vor den Fragen der Jury, die vielleicht wissen will: Was ist ein Hausschoppen? Ganz einfach: Das ist "ein Wein für alle Tage. Ein Schoppen to go. Lass' laufen!"
Neben diesen Auftritten hatte die Zeiler Büttensitzung, die am kommenden Freitag und Samstag wiederholt wird, weitere Höhepunkte zu bieten. Die "Amsigallen", die sich vor einigen Jahren aus dem närrischen Geschehen zurückgezogen hatten, zeigten noch einmal ihr Können. Die Gesangsgruppe begab sich auf eine musikalische Reise um die Welt.
Zahlreiche Akteure glänzten mit Tanz- und Musikdarbietungen. Drei Garden bot die Zeiler Narrenzunft auf. Als Funkenmariechen wirbelte die siebenjährige Sarah Hetterich erstmals über die Bühne.
Dort hätte eigentlich auch Pfarrer Michael Erhart stehen sollen. Er wollte als Scheich auftreten. Die passende Verkleidung hatte der katholische Seelsorger angelegt, aber seine Rede konnte er nicht halten. Sie war ihm unmittelbar vor der Sitzung abhandengekommen - verschwunden in den unendlichen Weiten der digitalen Welt. "Ich bin gefrustet", gestand er unserem Portal. Es tat ihm richtig weh, dass er nicht auftreten konnte.
Er hatte seine Rede am Computer geschrieben und war "bis auf den Schlusssatz" fertig, aber kurz vor der Sitzung war sie weg. Ein Computerfachmann, den er zu Rate zog, konnte nicht helfen. Eine Nacht hatte sich Erhart für seinen Beitrag um die Ohren geschlagen. Umsonst.
Auf der Bühne stand er trotzdem. Beim Männerballett legte er mit Sitzungspräsident und Bürgermeister Thomas Stadelmann sowie weiteren Akteuren einen Hawaii-Tanz aufs Parkett.