Druckartikel: Bischof Hofmann und Beckstein über die Gebote

Bischof Hofmann und Beckstein über die Gebote


Autor: Günther Geiling

Ebelsbach, Montag, 29. Oktober 2012

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann und der einstige Ministerpräsident Günther Beckstein, der sich in der evangelischen Landessynode engagiert, bekannten sich in Ebelsbach zu den Grundlagen christlicher Ethik. Nur in Detailfragen stößt beider Bekenntnis zur Ökumene an deutliche Grenzen.
Zwei Pilger, die für ihren Glauben gerade stehen, dabei aber unterschiedliche Wege eingeschlagen haben: der evangelische Politiker Günther Beckstein (links) und der katholische Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann (rechts).  Foto: Günther Geiling


Ökumene auf dem Podium: Zu der Frage "Sind die zehn Gebote noch zeitgemäß im Jahr 2012 oder brauchen wir zehn Gebote 2.0?" diskutierten im Ebelsbacher Pfarrsaal am Samstagabend der Würzburger Diözesanbischof mit Friedhelm Hofmann und dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein ein Katholik und ein evangelischer Christ.

Die Veranstaltung haben der CSU-Ortsverband und die KAB Ebelsbach organisiert. Den gelungenen Abend moderierten vor rund 200 Besuchern die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär und Vorsitzender Martin Wasser (beide CSU).

Kamen Sie selbst in Ihrem Amt mit einem Gebot ganz besonders in Bedrängnis?
Beckstein: Dies geschah schon, als ich erst zwei Tage in meinem Amt als Minister war. Zwei Gangster sind aus dem Gefängnis ausgebrochen, haben eine Frau vergewaltigt und getötet. Dann brachten sie eine weitere Frau in ihre Gewalt, und ich traf die Entscheidung: Wir bilden einen künstlichen Stau und wollen versuchen, die Frau mit einem gezielten Schuss oder Todesschuss auf die Gangster zu retten. Dabei gilt auch bei uns in der evangelischen Ethik das fünfte Gebot (Du sollst nicht töten) selbst gegen Verbrecher. Hätte ich anders entschieden, hätten wir die Frau nicht retten können. Damit lädt man aber auch Schuld auf sich, und in meiner Verantwortung als Innenminister hat das Leben einer unschuldigen Frau Vorrang vor Schwerverbrechern.

Hofmann: Die zehn Gebote sind für uns alle verpflichtend. Ich war befreundet mit Freiherrn von Böselager, der monatelang Sprengstoff gegen Hitler durch Europa flog und Menschen finden wollte, die Hitler umbringen. Daraus stellt sich die Frage: Gibt es einen Tyrannenmord? Oder wenn sich die Situation ergibt, dass ein Vater seine Familie vor einem Verbrecher verteidigen will, muss man sehr genau unterscheiden.

Kann aus kirchlicher (christlicher) Sicht einer aktiven Sterbehilfe überhaupt zugestimmt werden (fünftes Gebot)?
Hofmann: Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes und hat ein unantastbares Lebensrecht. Dieses Lebensrecht beginnt mit der Zeugung, und der Mensch hat es bis zum letzten Atemzug. Wir dürfen ihn nicht zu Tode befördern. Wenn wir dieses Gebot verletzten oder anfangen, es auszuhebeln, wird sich ein Strom in Bewegung setzen. Natürlich wollen wir dabei das Leid so weit wie möglich wegnehmen, aber wir dürfen keine Sterbehilfe leisten. Dabei wollen wir Argumentationshilfen geben für und nicht gegen den Menschen. Wir müssen den Menschen in jeder Lebenslage schützen und die Kirche muss dabei Bollwerk sein.

Beckstein: Der Mensch darf natürlich auch nicht Opfer der Medizin werden, sondern wir wollen ihn in Ruhe sterben lassen. Das ist etwas völlig anderes. In der Schweiz gibt die Organisation "Dignitas" Medikamente, um Menschen zu töten. Das hat nichts mit dignitas (=Würde) zu tun, sondern ist illegale Abfallentsorgung. Vielmehr sollten wir den Menschen in seiner letzten Lebensphase gut versorgen. So sage ich allen einen herzlichen Dank, die in der Pflege arbeiten. Die Pflege am Menschen müsste auch besser bezahlt werden als die Arbeit an der Maschine.

Die Bundeswehr wird immer mehr zu Auslandseinsätzen entsandt. Wie sehen Sie die Situation der Bundeswehrsoldaten, die in einen ungewollten Krieg hineingezogen werden und aus Notwehr heraus sogar töten müssen?
Hofmann: Die Bundeswehr ist nur dazu da, zu verteidigen und nicht zu töten. Im Ausland ist ihr Auftrag, unsere Freiheit zu verteidigen.

Beckstein: Bei uns in der evangelischen Kirche ist der Pazifismus weit verbreitet. Ich war immer Anhänger der Bundeswehr und ich war froh, dass meine Söhne bei der Bundeswehr waren. Ethisch ist es richtig, dass wir uns verteidigen wollen. Die Friedenspolitik von Helmut Schmidt und Helmut Kohl hat dazu geführt, dass Panzer aus Europa verschwunden sind und Frieden einkehrte. Das war die effizienteste Friedenspolitik.

Wir erwarten Respekt voreinander und Toleranz gegenüber anderen Religionen. Leben wir dies auch in der richtigen Art?
Hofmann: Ein Satiremagazin veröffentlichte Papst Benedikt als inkontinent und mit Fäkalien beschmiert. Es gab so gut wie keine Reaktionen. Fast gleichzeitig wurde das sogenannte Mohammed-Video bekannt und die Reaktionen waren extrem heftig. Vor dem Islam hat man Angst, weil es Fundamentalisten gibt. Bei uns wünsche ich mir manchmal auch etwas mehr Zivilcourage unter den Gläubigen.

Beckstein: Ich sollte nach der Bewertung durch eine hochkarätige Jury einmal einen Staatspreis vergeben, als ein Künstler ein Schwein an ein Kreuz genagelt hatte. Ich habe das nicht gemacht. Wer das Heiligste anderer Menschen so in den Schmutz zieht, hat eine Auszeichnung nicht verdient. Die Papst-Karikatur war eigentlich eine große Gemeinheit.

Sie wünschen, dass die Botschaft etwas mehr gehört wird, und wollen dies auch mit dem Blick und der Nutzung der modernen Medien. Muss man auch in der Kirche im Sekundentakt Infos absetzen?
Hofmann: Die Botschaft, die wir zu vertreten haben, ist hochaktuell und wir müssen auch als Kirche erkennen, dass Kommunikationswege erweitert worden sind. Wir haben deswegen in Würzburg die Medien sehr gestärkt, damit wir auch zu den jungen Leuten kommen. Diese sind nämlich nicht abweisend.

Die Medien allein reichen sicher nicht. Dazu brauchen wir auch Priester. Wie sieht es mit dem Priestermangel aus?
Hofmann: Das ist natürlich ein sehr weit reichendes Problem. Der Priestermangel hat Gründe und besteht auch, weil es weniger Gläubige gibt. Das Bistum Würzburg verliert jährlich 10.000 Gläubige und auch Familien, die sich innerlich von der Kirche gelöst haben. Deswegen staune ich und habe hohen Respekt vor jungen Menschen, die mit dem Theologiestudium anfangen und Priester werden wollen. Im Jahr werden bei uns fünf Personen neu Priester, aber zehn Priester sterben weg.
Die nächsten zehn Jahre verlieren wir im Bistum 100.000 Gläubige. Deswegen müssen wir in den Pfarreien-Gemeinschaften Schwerpunkte setzen.

Die Ökumene wird manchmal etwas kritisch gesehen. Könnte man nicht mehr Ökumene leben?
Hofmann: In der Ökumene läuft eigentlich sehr viel, und manches nehmen wir als selbstverständlich.

Beckstein:
Die Ökumene funktioniert hervorragend in den Kirchengemeinden. Den kleinsten gemeinsamen Nenner will ich jedoch nicht und ich hatte mir vom Papstbesuch in dieser Beziehung ein bisschen mehr erwartet, zum Beispiel die gastweise Zulassung der Eucharistie. Dies meine ich vor allem auch bei glaubensverschiedenen Ehen. Was hier Theologen aus der Bibel raus- oder reinlesen, erstaunt mich manchmal schon. Ich hoffe sehr, dass der Heilige Geist den Theologen mehr Erfindungsgeist gibt.

Hofmann: Auch ich baue auf den Heiligen Geist. Trotzdem muss ich dem "Theologen Beckstein" hier erheblich widersprechen. Mit der Eucharistie steht viel auf dem Spiel. Bei den evangelischen Christen gibt es ein unterschiedliches Eucharistieverständnis und eine große Spannbreite. Für uns ist in der Eucharistie Christus wahrhaftig gegenwärtig. Deswegen sind Voraussetzungen zu fordern, weil wir das Gut der Eucharistie schützen wollen. Was uns dort vertraut und heilig ist, können wir nicht einfach aufgeben.

Beckstein: Die Taufe wird ja jetzt gegenseitig anerkannt. Mich bewegt aber: Wie können wir junge Menschen noch besser erreichen? Ich bin auch überzeugt, dass für junge Menschen die Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht mehr so bedeutend sind.
Es ist schon erschreckend, wenn nur noch 75 Prozent der befragten Bürger Ostern mit Auferstehung verbinden und 25 Prozent den Geburtstag des Osterhasen. Bei Christi Himmelfahrt ist es noch drastischer. Nur zwölf Prozent verbinden den Tag mit dem in die Messe gehen und die übrigen mit dem Leiterwagen und einem Fass Bier durch die Gegend ziehen.
Mich ärgert auch, wenn Millionen von Menschen aus islamischen Ländern kommen und mehr Menschen von uns zum Islam übertreten als umgekehrt. Leben wir unseren Glauben vielleicht nicht ordentlich?

Wie stehen Sie zu der aktuellen Situation, dass immer öfter an Sonntagen gearbeitet werden soll und selbst die Ladenöffnungszeiten vor dem Sonntag nicht Halt machen (drittes Gebot)?
Hofmann: Der Sonntag ist der einzige Tag, wo sich die Familie noch richtig treffen könnte, und das hohe Gut der Familie sollten wir erhalten. Das Konsumdenken müssen wir in dem Zusammenhang verurteilen (was mit großem Beifall bedacht wurde).

Beckstein: Das dritte Gebot war das, das ich als Politiker am meisten verletzt habe. Zwar ging ich früh in die Kirche, aber dann folgte meist eine Veranstaltung auf die andere bis in den späten Abend. Wenn der Herrgott nach sechs Tagen der Schöpfung einen Tag zum Ausruhen brauchte, dann brauchen wir diesen Tag erst recht. Der Sonntag muss mehr geachtet werden und die verkaufsoffenen Sonntage müssen wieder weniger werden. Es war auch ein schwerer Fehler, dass wir den Buß- und Bettag als Feiertag abgeschafft haben. Aber unsere Landessynode hat dies damals angeboten, um 0,3 oder 0,5 Prozent der Pflegeversicherung zu finanzieren. Einen Feiertag kann man nicht mit Geld verrechnen.