Binnenschiffer: Erst Hochwasser, jetzt Streikwelle
Autor: Brigitte Krause
LKR Haßberge, Donnerstag, 18. Juli 2013
Die Schleusenwärter auf dem Main beteiligen sich am bundesweiten Arbeitskampf. Sie wollen soziale Sicherung. Die Binnenschiffer sehen den Protest, der auch Viereth, Limbach, Knetzgau und Ottendorf umfasst, mit gemischten Gefühlen.
"Das ist schon eine Frechheit." Hans-Peter Koster hat eine klare Meinung zum Ausstand der Schleusenwärter, der nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in der letzten Woche nun in Bayern angekommen ist. Bis Freitag, so schätzt der Steuermann, wird die "Marienberg" hier in Limbach festhängen. "Die streiken ja nicht das erste Mal. Dann hatten wir ja auch noch das Hochwasser."
Schleusen sind dicht
Der bundesdeutsche Streik der Schleusenwärter hat den Landkreis Haßberge erreicht. Alle vier Schleusen, die die Steuerzentrale des Wasser- und Schifffahrtsamtes Schweinfurt von Haßfurt aus bedient, haben am Mittwoch nicht gearbeitet. Geplant ist, dass auch am Donnerstag gestreikt wird.
Bis Mitternacht soll der Ausstand dauern, wie unsere Zeitung erfuhr.
Doch selbst dann kann Kosters Pott nicht gleich weiter: Stau, "ab Viereth ist alles zu", weiß der Steuermann, der mit der "Marienberg" vom belgischen Antwerpen ins österreichische Krems an der Donau unterwegs ist. Zum Glück diesmal ohne Terminfracht.
Angestellt bei einem Würzburger Unternehmer, kann Koster den Ärger der Schiffseigner vollkommen nachvollziehen, jeder Tag vor Anker kostet Geld, und "das sind doch alles Unkosten, die man nicht umlegen kann", sagt der 45-Jährige, der mittlerweile 20 Jahre auf den Flüssen Deutschlands unterwegs ist. Die Mannschaften sind in der Regel 24 Stunden auf dem Schiff, 24 Stunden Bereitschaft. Überstunden - wenn also die Schleusen ab 22 Uhr durch verbeamtete Mitarbeiter der Behörde geöffnet werden - fallen durch den Streik auch an.
Und wenn die Ruhezeiten nicht eingehalten werden, "dann gibt's Knöllchen" von der Wasserschutzpolizei. Denn ohne Arbeit ist man nie auf so einem Kahn: Schönheitsreparaturen kann man immer ausführen, etwa Eisen und Stahl abschleifen und wieder anstreichen.
Von Haßfurt aus
Die Steuerzentrale im Haßfurter Hafen öffnet und schließt die Schleusen in Viereth, Limbach, Knetzgau und Haßfurt. Sie ist Teil des Wasser- und Schifffahrtsamtes Schweinfurt, das mit seinen rund 450 Mitarbeitern für die Schifffahrt auf dem Main zwischen Viereth und Marktheidenfeld zuständig ist.
Nach Auskunft von Helko Fröhner, Sprecher des Amtes, liegen derzeit wegen des Streiks 18 Schiffe im Schweinfurter Amtsbereich auf dem Fluss fest. Das sind 14 Güterschiffe, zwei Hotelschiffe und zwei große Schubverbände.
Auf dem Weg nach Regensburg
Einer dieser Schubverbände ist die "Talion" auf dem Weg nach Regensburg. Sie liegt gleich nach der "Marienberg" in Limbach fest. Schiffsführer Jan Macak sieht das Ganze allerdings nicht ganz so dramatisch. Ein Unternehmen bezahlt ihn dafür, mächtige Leichter, also quasi Transportanhänger ohne eigenen Motor, von Mainz/Kostheim (an der Mündung des Mains in den Rhein) nach Regensburg zu befördern. Einen hat er schon hingebracht, den zweiten hat er gerade dabei, einen dritten will er noch holen.
Es ist ein Job, den auch nicht jeder Schiffsführer übernehmen kann und möchte. Immerhin ist der Leichter 88,5 Meter lang und satte 11,40 Meter breit. Wenn der in eine Schleusenkammer auf dem Main hineinmanövriert wird, bleiben rechts und links nur ein paar Zentimeter Platz.
Jan Macak hat Verständnis für die Streikenden. "Ich wünsche ihnen auch Erfolg", sagt er schmunzelnd. Immerhin kennt man sich, man sagt sich ja per Funk oft auch "guten Tag" und "gute Nacht".
Der 62-Jährige war früher einmal über zehn Jahre Vorsitzender der tschechischen Schifffahrer-Gewerkschaft gewesen und hat sogar bei der ITF mitgearbeitet, der Internationalen Transportarbeiter-Föderation. 20 Jahre führte er auch eine eigene Firma und zahlte seine Leute nach den tariflichen Rahmenbedingungen. Aber mit der Elbe ist es nicht so leicht wie auf dem Main. Die führt oft Niedrigwasser, dann kann man die Schiffe nicht voll beladen. Eine Frage der Rentabilität, und eines Tages war eben "alles weg".
Eine Frohnatur
Der in der Slowakei geborene Tscheche ist aber ganz offensichtlich eine Frohnatur: "Für mich ist es fast Urlaub", sagt er. Er weiß, dass er ein wenig übertreibt und grinst spitzbübisch. Die 20 Jahre im Büro waren auch nicht leicht. Seine Arbeitsbedingungen als Schiffsführer muss er heute selbst aushandeln, was nicht einfach ist. Wenn die Schleusen sich jetzt um 22 Uhr in der Nacht öffnen, wer zahlt da die anfallenden Überstunden?
Macak kennt die europäischen Verhältnisse, Internet hat er dabei. Die Jugendarbeitslosigkeit findet er "sehr schlimm". Jugendliche, die aus der Schule kommen und mit 21 noch keine Arbeit haben: Wie finden die zu einer vernünftigen Arbeitsmoral? Wie entwickeln sie Verantwortungsgefühl? Mit 30 Jahren noch ohne Arbeit? "Das ist ganz schlecht", sagt Jan Macak.
Er hat selbst zwei Söhne. Beide sind sie in der Schifffahrt tätig. Daniel (37) als Schiffsführer eines Containerschiffes auf dem Rhein, Martin (41) ebenfalls auf dem Rhein auf einem Containerschiff, beide in der selben Firma. Ihren Urlaub können sie absprechen. Die Familie trifft sich regelmäßig daheim in Tschechien. Und Jan Macak kennt auch die Verhältnisse anderswo. Der Älteste war sechs Jahre in England: 1200 Euro für Arbeit rund um die Uhr...
So winkt Jan Macak freundlich zum Abschluss. Gewerkschaftsarbeit ist wichtig.
Ziele des Streiks
Beim Streik der Schleusenwärter geht es nicht ums Geld, sondern um die soziale Absicherung der Beschäftigten in den Schifffahrtsverwaltungen. Die meisten sind dort angestellt, ein kleiner Teil sind Beamte. Bundesweit bestehen rund 12 000 Stellen in den Schifffahrtsverwaltungen, die von einer Neustrukturierung betroffen sein können.
Mitarbeiter und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchten, dass möglicherweise 3000 Stellen abgebaut werden. Deshalb fordern die Beschäftigten und die Gewerkschaft Arbeitsplatz- und Standortsicherheit, soziale Absicherung für die Mitarbeiter, Sicherheit für die Lehrlinge und einen finanziellen Ausgleich, falls es dann doch zu Versetzungen kommen sollte.